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»Ich weiß, was du getan hast. Gib sie mir, dann werde ich sie an Alexstrasza weiterleiten. Wenn esss Malygos wieder besser geht, werden wir ihm seine Jungen überreichen. Verglichen mit allem anderen, das geschehen ist, kann man diese kleine Änderung der Zeitlinie tolerieren. Esss freut mich, dass die Blauen wieder durch die Lüfte fliegen werden, auch wenn ihre Zahl auch nach zehntausend Jahren nicht groß sein wird. Aber ssselbst wenige sind besser als keine.«

Krasus hätte seine geliebte Königin gern ein letztes Mal gesehen, aber er befürchtete, dass er dann vielleicht etwas angedeutet hätte, was sie nicht wissen durfte. Doch jetzt, wo er und Rhonin auf die Ankunft des Aspekts der Zeit warteten, bedauerte er seine Entscheidung.

Rhonin sah ihn an. »Ich würde verstehen, wenn du noch kurz zu ihr gehen wolltest.«

Der hagere Magier schüttelte den Kopf. »Wir haben die Zukunft schon genug verändert. Was geschehen wird, wird geschehen.«

»Hmm, du bist stärker als ich.«

»Nein, Rhonin«, murmelte Krasus kopfschüttelnd, »das bin ich nicht.«

»Seid ihr bereit?«, fragte Nozdormu plötzlich.

Sie drehten sich um. Der Aspekt stand geduldig wartend hinter ihnen.

»Wie lange bist du schon hier?«, fragte der Magier.

»Ssso lange, wie ich esss für nötig hielt.« Nozdormu erklärte nicht, was er damit meinte, sondern breitete die Flügel aus. »Sitzt auf, dann bringe ich euch zurück in eure Zeit.«

Rhonin wirkte zweifelnd. »Einfach so?«

»Alsss der Brunnen verschwand, versiegte auch der Kontakt der Drei zu dieser Welt. Sssie können nicht mehr auf den Flussss der Zeit zugreifen. Die Risse in der Realität verschwanden. Der Weg in die Zukunft fällt mir jetzt leicht.«

Am Boden hob Rhonin Brox’ Axt.

»Was ssssoll das?«, fragte der Aspekt.

Beide Zauberer sahen ihn entschlossen an. »Wir nehmen die Axt mit«, sagte Krasus, »oder wir bleiben hier und mischen uns noch ein wenig ein.«

»Nun gut, dann nehmt sie mit.«

Sie stiegen auf, doch im gleichen Moment bemerkte Krasus zwei Gestalten, die sich im Wald versteckten. Er spürte sofort, um wen es sich dabei handelte.

»Nozdormu …«

»Ja, ja, der Druide und die Priesssterin. Das weiß ich längssst. Verabschiedet euch von ihnen, aber beeilt euch. Wir haben keine Zeit mehr.«

Den Aspekt schien die Anwesenheit der Nachtelfen nicht zu stören, aber Krasus fühlte sich trotzdem nicht wohl dabei. »Ihr habt gehört …«

»Wir haben alles gehört«, unterbrach ihn Malfurion, »aber nicht alles verstanden.«

Der Magier nickte. »Wir konnten nur wenig erklären, und daran hat sich nichts geändert. Nur eines solltet ihr wissen. Wir werden uns wiedersehen.«

»Unser Volk wird überleben?«, fragte Tyrande.

Der Magier dachte über seine Antwort nach, dann sagte er: »Ja, und die Nachtelfen werden sich sehr für die Welt einsetzen. Mit diesen Worten verabschiede ich mich.«

Rhonin hob zum Abschied Brox’ Axt.

Nozdormu streckte seine Flügel ein zweites Mal aus. Die Nachtelfen wichen zurück. Sie wollten den Reitern zuwinken, doch dazu kamen sie nicht, denn schon verschwanden Drache und Reiter.

23

Rhonin erwachte auf einer Wiese.

Im ersten Moment glaubte er, etwas sei fehlgeschlagen. Doch als er sich aufrichtete, erwartete ihn ein vertrauter Anblick.

Ein Haus. Sein Haus.

Er war wieder daheim.

Dann sah er Jalia, die Frau aus der Stadt, die sich während der Schwangerschaft um Vereesa gekümmert hatte. Es schien ihr gut zu gehen. Sie wirkte freudig erregt. Rhonin versuchte auszurechnen, wie viel Zeit nach seinem Verschwinden vergangen war, kam jedoch zu keinem Ergebnis. Er fragte sich, wie alt die Kinder wohl mittlerweile waren.

Zu seinem Entsetzen hörte er Vereesa plötzlich schreien: »Jalia! Schnell!«

Ohne zu zögern sprang er auf und folgte der Frau. Sie war übergewichtig, bewegte sich dennoch schnell. Sie lief durch die Haustür, als Vereesa gerade ein zweites Mal nach ihr rief.

Der Zauberer stürmte nur Momente später in den Raum, bereit, Braut und Sprösslinge zu verteidigen. Er sah sich um, doch das Chaos und die Brände, die er erwartet hatte, waren nicht zu sehen. Alles war sauber.

»Vereesa! Vereesa?«

»Rhonin! Gepriesen sei der Sonnenbrunnen. Rhonin, ich bin hier!«

Er lief ins Schlafzimmer. Seine Angst steigerte sich, als er Vereesa stöhnen hörte.

»Vereesa!« Er stürmte durch die Tür. »Die Zwillinge … sind sie …?«

»Sie kommen gerade.«

Er starrte sie aus geweiteten Augen an. Seine Frau lag im Bett. Sie war immer noch schwanger, aber wohl nicht mehr sehr lange.

»Wie …«, begann er, aber Jalia schob ihn zur Seite.

»Wenn du das nicht weißt, Meister Rhonin, dann hältst du dich besser zurück und lässt mich alles regeln.«

Der Zauberer widersprach nicht. Er lehnte sich gegen die Wand und wartete darauf, zu Hilfe gerufen zu werden. Aber nach kurzer Zeit erkannte er, dass Jalia und Vereesa die Situation im Griff hatten.

»Das Erste kommt«, verkündete Vereesa.

Rhonin sah zu und wartete. Seine Gedanken drehten sich um all die außerordentlichen Ereignisse, die er in letzter Zeit erlebt hatte. Er war durch die Zeit gereist, hatte die erste Invasion der Brennenden Legion überlebt und die Welt mitsamt der Zukunft gerettet.

Doch nichts davon stellte ein solches Wunder dar, wie jenes, das er gerade erlebte. Innerlich dankte er den Sternen, dass er und die anderen erfolgreich gewesen waren.

Und in dieser längst vergangenen Zeit leitete Jarod Shadowsong eine Versammlung, deren Grund ein düsterer war. Die Anführer der Streitmacht – und deren Verbündeter – hatten sich zusammen gefunden, um das Urteil zu hören.

Soldaten flankierten denjenigen, über den hier Gericht gehalten wurde. Seinen Mund hatte man mit einem Tuch zugebunden, seine Arme und Hände in Ketten gelegt, in einer Weise, die keine Gesten zuließ. Unsichtbare Zauber, von Malfurion und anderen gesprochen, sorgten dafür, dass sich der furchtbare Zwischenfall am See nicht wiederholen konnte.

Die Ankläger hatten einen Kreis um Illidan gebildet. Er stand in der Mitte und starrte den Kommandanten selbst durch verbundene Augen herablassend an. Einer der Soldaten entfernte vorsichtig den Stoff von seinem Mund.

»Illidan Stormrage«, begann Jarod. Er klang längst nicht mehr wie der einfache Wachoffizier, der er einmal gewesen war. »Oft hast du mutig gegen das Böse gekämpft, das in unsere Welt einfiel, aber leider hast du dich noch öfter als eine Gefahr für dein eigenes Volk erwiesen.«

»Eine Gefahr? Ich bin doch der Einzige, der die Wahrheit erkennt. Ich habe vorausgeplant! Ich habe versucht, unser Volk zu retten. Ich …«

»Du hast die angegriffen, die anderer Meinung waren und einige sogar getötet. Du hast etwas wiedererschaffen, was besser vergessen geblieben wäre.«

Illidan spuckte aus. »Wenn die Dämonen zurückkehren, werdet ihr mich anbeten wie einen Gott. Ich weiß, wie sie denken und wie sie handeln. Nächstes Mal werden sie sich nicht vertreiben lassen. Wir werden genauso kämpfen müssen wie sie. Dieses Einsicht habe nur ich.«

»Und uns geht es besser ohne sie.« Jarod sah sich um, als suche er jemanden. Er fand ihn offenbar nicht, denn er seufzte und fuhr fort: »Illidan Stormrage, die Entscheidung obliegt mir, und ich glaube, man kann nur eines mit dir tun. Es schmerzt mich, aber ich verurteile dich hiermit zum Tode.«

»Wie originell«, kommentierte der Zauberer sarkastisch.

»Du wirst auf eine Art zu Tode gebracht werden, die …«

»Jarod, entschuldige die Verspätung«, sagte jemand hinter Illidan. »Darf ich noch etwas sagen?«

Der Kommandant nickte erleichtert. »Es ist ebenso deine Entscheidung wie meine.«

Malfurion ging um seinen Bruder herum. Illidans Blicke folgten ihm, bis der Druide zwischen ihm und dem Soldaten stand. »Es tut mir Leid, Illidan.«

»Ha!«

»Was wolltest du sagen, Meister Malfurion?«

»Mein Bruder spricht in einem Punkt die Wahrheit. Die Brennende Legion wird wahrscheinlich eines Tages wiederkehren.«