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Der Herzog wandte sich um. »Gleich?« fragte er, und eine leichte Blässe trat in sein schönes Antlitz.

»Gleich, Adalbert, bitte!«

Sie hatte sich lebhaft erhoben und war zu ihrem Gemahl getreten, ihre Hand legte sich bittend auf die seine; ihre Augen, diese unnatürlich glänzenden Augen, schauten ihn an, flehend wie die eines Kindes.

Er blickte hinaus, als prüfe er das Wetter. »Aber die Fahrt zurück durch die Abendkühle?« murmelte er.

»O, in der köstlichen Waldluft?« bat sie, »ich bin ja gesund, Adalbert, wirklich ganz gesund.«

Er verbeugte sich, wie zustimmend, und zu Palmer gewendet, der eben eintrat, gab er den Befehl für die Fahrt. Dann, nachdem er noch Lothar aufgefordert hatte, mitzukommen, bot er der Herzogin den Arm, die sich, um sich für die Ausfahrt umzukleiden, in ihre Zimmer begab.

Der Neuhäuser schaute dem Paare nach mit düsteren Blicken. Was war während seiner Abwesenheit aus der Herzogin geworden, aus dieser, wenn auch zarten, doch so elastischen eleganten Frau mit dem innigen schwärmerischen Wesen, begeistert für alles Schöne? Der Frau, welche ihre Pflichten als Landesmutter mit wahrhaft fanatischem Eifer ergriffen hatte? Sie war nur noch ein Schatten ihrer selbst, und das Feuer, das aus ihren Augen flackerte, war Fieberglut, statt der früher so reizenden Lebhaftigkeit eine nervöse Unruhe, die das Kranke in ihr so recht zum Ausdruck brachte. Und er? Eben schlug der Vorhang hinter seiner hohen, auffallend schönen Gestalt zusammen, diesem Urbild von Kraft. Baron Lothar wußte selbst nicht, wie es kam, er mußte einer Jagd gedenken. Der Herzog hatte einen prächtigen Zwölfender gesehen, der ihm immer wieder entging. Tage-, nächtelang war er auf der Fährte des Wildes, nur von einem Jäger begleitet, und mit einer Ausdauer sondergleichen ertrug er die Strapazen der Pirsch. Seine Begleitung erblickte ihn erst am vierten Morgen wieder in schmutziger, durchnäßten Kleidung und mit kotbespritzten Stiefeln, aber den Zwölfender hatte er in der Morgenfrühe geschossen. Ja, hartnäckig, zum äußersten hartnäckig, und darum –

Der Barons Blicke hafteten noch immer auf dem violetten Vorhang, er sah erst auf, als Herr von Palmer erschien und sich ihm mit eleganter Leichtigkeit näherte.

»Gestatten Sie auch mir, Herr Baron,« begann der kleine zierliche Mann, an dessen Schläfen sich bereits graue Haare krausten, »gestatten Sie auch mir, Sie zu begrüßen auf heimischen Boden. Sie sind in den Salons unseres Hofes zu schmerzlich vermißt worden, als daß wir nicht in der freudigsten Aufregung sein sollten, Sie endlich wieder zu haben.«

Baron Lothar sah von seiner stattlichen Höhe, ohne eine Miene zu verziehen, auf das gelbliche Antlitz des Sprechenden herab. »Ein eigentümliches Gesicht, eine Gaunerphysiognomie«, sagte er zu sich selbst, indem er die südlich gelbliche Farbe, die dunklen, dreisten Augen, von starken Brauen überschattet, und die Stirn betrachtete, die sich bereits bis über den halben Kopf erweitert hatte. »Sehr verbunden«, sagte er kühl, und seine Blicke gingen von dem Kleinen zu einem der farbenglühenden Wandgemälde.

»Wie finden Sie das Aussehen Ihrer Hoheit, Herr Baron?« fragte Palmer, indem seine Miene einen traurigen Ausdruck annahm. Und als der hochgewachsene Mann dort, in so angelegentliche Betrachtung versunken, die Frage überhört zu haben schien, setzte er hinzu: »Wir werden einen stillen Winter haben, denn sie ist eine Sterbende. Und dann –«

Lothar wandte sich jäh und sah den Sprecher an. »Und dann?« fragte er, und sein Gesicht überflog ein so drohender Ausdruck, daß Palmer die Antwort schuldig blieb. »Und dann?«

In diesem Augenblick ward gemeldet, daß die Wagen bereit seien, und Baron Lothar schritt an Palmer vorüber.

Er saß dem herzoglichen Paar gegenüber mit blassem Gesicht. Der Wagen brauste auf der Landstraße dahin, hinein in den köstlichen duftigen Tannenwald. Von dem dunkelroten, mattglänzenden Seidenstoff hob sich das Antlitz der fürstlichen Frau so gelblich krank ab, und dennoch trug es den Ausdruck der Daseinsfreude, der Sehnsucht, zu leben, zu genießen, die bleichen Lippen hatten sich geöffnet über den kleinen weißen Zähnen, unter dem einfachen, nur mit einem roten Bande geschmückten Matrosenhütchen hervor suchten die glänzenden Augen in das geheimnisvolle Tannendunkel einzudringen und ihre Brust hob und senkte sich, als müsse jeder Atemzug ihr heilsam sein.

»Jawohl, eine Sterbende!« dachte Lothar. »Und dann – dann?«

Der Herzog, der neben seiner Gemahlin in den Kissen lehnte, schien für nichts weiter Sinn zu haben, als für das Wildgatter, das sich längs des Waldes hinzog.

Und dann? Baron Gerold kannte es nur zu gut, dieses Geheimnis, das alle Welt bereits wußte, es hatte Flügel gehabt und war ihm bis zur stillen Villa am Mittelmeer gefolgt. Er hatte sich nicht gewundert, als er von der Leidenschaft des Herzogs erfuhr und er hatte die Faust geballt, als er zum erstenmal den Namen des regierenden Herrn mit dem ihren zusammen gehört.

Ihre Hoheit begann zu plaudern, sie sprach unaufhörlich von Klaudine und er mußte antworten, obwohl er ihr die Hand auf den Mund hätte pressen mögen.

Hinter ihnen rollte der Wagen, der die älteste Hofdame der Herzogin trug, die Freiin von Katzenstein. Neben dieser freundlichen alten Dame saß Palmer und lächelte süßsäuerlich; daß der Herzog heute bereits den Weg zu dem Eulenhause fand, dünkte ihn allzu eilig.

Plötzlich hielt das Gefährt. Er beugte sich seitwärts über den Schlag und das säuerliche Lächeln verschärfte sich noch Dort, in einiger Entfernung von ihnen, stand die fürstliche Kutsche, zur Seite der Straße eine andere. Es war der Neuhäuser Wagen, und jetzt stieg Baron Gerold aus und reichte der Herzogin ein weißes, mit blauen Bändern verziertes Etwas hinüber – sein Kind.

»Ah, Frau von Berg mit der Kleinen, der Prinzeß Katharina«, sagte die Freiin und nahm die Lorgnette. »Es soll ein jammervolles Würmchen sein. Die arme Berg tut mir leid!«

Herr von Palmer lehnte sich wieder zurück, er antwortete nicht.

Endlich zogen die Pferde wieder an und die Neuhäuser Kutsche rollte an ihnen vorüber. Verbindlich grüßte der kleine brünette Mann die schöne Frau unter dem buntfarbigen Sonnenschirm. Sie hielt das Kind auf dem Schoß und ihre blaugrauen Augen flimmerten zu ihm herüber.

»Sie ist noch immer schön«, murmelte die Freiin, etwas zurückhaltend ihren Gruß erwidernd, »und, mein Gott, sie kann die Jüngste auch nicht mehr sein! Warten Sie doch, Palmer, ich meine, vor dreizehn Jahren wäre sie uns zum erstenmal in Baden-Baden begegnet, als ich mit der Herzoginmutter und dem Herzog dort – es war bei der Gräfin Schomberg. Und dann kam sie mit ihrem alternden Mann nach der Residenz. Die Luftveränderung sollte ihr gut tun, erzählte sie.« Über das gutmütige Gesicht der alten Dame flog ein leiser Schalk. »Ich will ihr nichts nachsagen, es war ja eine so kurze Glanzzeit, Palmer, ein Jahr danach verheiratete sich der Herzog bereits und von dem Tage an war er ein Juwel von einem Ehemann.«

»O meine Gnädigste, Seine Hoheit bewegten sich stets auf dem Pfade der Tugend, wie auch heute, wie in diesem Augenblick noch. Wer würde daran zweifeln!«

Die alte Dame fixierte das lächelnde Gesicht ihres Nachbars und die Röte des Ärgers lief ihr über die Wangen. »Lassen Sie mich aus mit Ihren Bosheiten, Palmer!« rief sie, »was Sie meinen, weiß ich, aber nun und nimmermehr ist ein Fünkchen Wahrheit daran. Klaudine Gerold –«

»Ah! Wer sagt etwas gegen Klaudine von Gerold, die reinste unserer reinen Frauen?« entgegnete er und hob den Hut über den kahlen Scheitel.

Frau von Katzenstein wurde noch röter, biß sich auf die Lippen und schwieg. Dieser Palmer war ein Aal, nie zu greifen.

»Da sind wir«, sagte er und wies mit der fein behandschuhten Rechten nach dem Giebelfelde der Klosterruinen, deren Sandsteinverzierungen wie Spitzen auf dunklem Samt erschienen. Über dem Turm des Wohngebäudes, der aus mächtigen Wipfeln emporstieg, flatterten Heinemanns Tauben zum Himmel empor wie Silberfunken, und unter den niederhängenden Buchenzweigen leuchteten die Blumen des Hausgärtchens auf.