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»Hoheit! Bitte«, stammelte sie.

»Nicht Hoheit, Klaudine. Denkst du, ich werde ›du‹ zu dir sagen, wenn du mich ›Hoheit‹ nennst? ›Elisabeth‹ will ich heißen und ›du‹! Ach bitte, bitte! – Nicht eine einzige Seele habe ich im Leben gehabt, die so mit mir verkehren durfte. Gönne mir doch dieses reine schöne Bewußtsein, daß du meine Freundin bist. Bitte, bitte, Klaudine, sage ›ja!‹«

»Hoheit sühnen die unbedeutende Kränkung von vorhin durch allzu große Gunst«, sprach das Mädchen erregt, »ich kann, ich darf es nicht annehmen.« Und sie sprang plötzlich empor und faßte sich an die Schläfen.

»Ich hätte dich für vernünftiger gehalten, Klaudine«, sagte die fürstliche Frau, »als daß du über eine so einfache Sache außer dir gerätst! Es ist der Inbegriff alles Vertrauens, aller Liebe – das ›du!‹ Und weil ich zufällig Herzogin bin, soll ich das entbehren? So darfst du nicht denken, und so denkst du auch nicht. Komm her, Klaudine, und gib mir den Schwesterkuß!«

Klaudine kniete vor der liebenswürdigen Frau nieder, sie wollte sprechen: »Laß mich! Laß mich! Es ist besser für dich und für mich, ich gehe fort von dir, so weit mich meine Füße tragen!« Und sie brachte es doch nicht über die Lippen unter diesen fieberglänzenden Augen, die so innig bittend in die ihren blickten. Und dann schloß ein Kuß ihren Mund. Im nächsten Augenblick fühlte sie etwas kaltes an ihrem Arm, ein schmaler goldener Reifen in Gestalt eines Hufeisens, die Stellen der Nägel mit Saphiren und Brillanten geschmückt, blitzte ihr entgegen.

»Wird Eure Hoheit – wird dich –« verbesserte sie sich weinend, »dies nie gereuen?« und ihr ernstes blasses Gesicht sah fragend zu ihrer fürstlichen Freundin auf.

»Ich habe ein feines Gefühl, Klaudine, für Menschenwert. Ich weiß, ich habe keiner Unwürdigen mein Herz angeboten.«

16.

Prinzessin Helene war in außerordentlich schlechter Stimmung nach Neuhaus zurückgekehrt. Sie hatte während der Fahrt schweigend in der einen Ecke des Landauers, Prinzeß Thekla in der anderen gelehnt, ebenso still. Komtesse Moorsleben, die in den Wagen befohlen war, wußte nur mit Mühe ein Lächeln zu unterdrücken, so ähnlich sahen sich in diesen Minuten des Verdrusses das junge und das alte Antlitz.

Erst oben, in den Gemächern des Neuhäuser Schlosses, entlud sich das Gewitter, und zwar über dem Haupt der Frau von Berg, die in das Zimmer der jungen Prinzessin befohlen ward. Die Kleine überhäufte die scheinbar schwer gekränkte Frau mit den wahnsinnigsten Vorwürfen, gerade als ob sie schuld sei, daß vor vierhundert Jahren ein alter Gerold die Idee hatte, in dieser Gegend ein festes Schloß zu bauen, das nach und nach zu diesem unausstehlichen Altenstein geworden war. Ein greulicher Aufenthalt, eine Einöde sei es, es liege ja klar am Tage, daß niemals ein vernünftiger Mensch so eine geschmacklose Erwerbung hätte machen können, wenn nicht ganz besondere Absichten damit verbunden wären.

Ob denn so etwas erhört sei, daß man öffentlich einen Verweis von Ihrer Hoheit hinnehmen müsse wegen – wegen so einer –. Sie fand in ihrem Zorn kein passendes Wort. Es habe ja gerade noch gefehlt, daß sie, Prinzeß Helene, die Hofdame Ihrer Hoheit um Verzeihung bitten solle!

»Oh!« fragte die schöne Frau, die mit gesenktem Haupt diesen Sturm über sich ergehen ließ, »um Verzeihung bitten? Durchlaucht hatten doch nichts getan?«

»Ich habe sie einfach nicht gesehen, denn ich mag sie nicht leiden«, erklärte die Prinzessin.

In Frau von Bergs Augen leuchtete es auf.

»Oh, allerdings, Durchlaucht, das war schlimm«, sagte sie sanft. »Ihre Hoheit ist wahrhaft bezaubert von dieser Freundin. Wie unangenehm mag dieser Auftritt dem Baron gewesen sein!«

»Unangenehm?« stieß die Prinzeß hervor. »Meinen Sie, Alice? Er ging nicht gerade ungern von dem Spielplatz, um auf Befehl Ihrer Hoheit seine Cousine versöhnt zurückzuführen.«

Die Prinzessin sprang nach diesen Worten aus ihrem grau und hlau geblümten Sessel empor und lief an das Fenster.

»Was sollte er denn tun, Durchlaucht?« sprach Frau von Berg. »Aber freilich, es ist nicht unmöglich, wer kennt die Männerherzen?« Und sie lächelte hinter dem Rücken der Prinzessin.

Diese wandte sich jäh, als sei sie von einer Schlange gebissen worden, sie sah noch das Lächeln um den Mund ihrer Vertrauten, im nächsten Augenblick flog etwas an dem künstlich frisierten Frauenkopf vorüber und fiel neben dem Kachelofen zur Erde. Es erwies sich zwar nur als das weiche blauseidene Arbeitsbeutelchen der Prinzessin, das eine niemals über die Anfänge hinauswachsende Stickerei Ihrer Durchlaucht enthielt, aber die Tatsache blieb bestehen: es war nach Frau von Bergs Kopf geworfen worden.

Die schöne Frau hielt sich plötzlich das Taschentuch vor die Augen und begann zu schluchzen.

»Weinen Sie nicht!« herrschte die Prinzessin sie an, »Sie wissen, daß es mich rasend macht! – Ich kenne Sie zu genau, Sie sind schadenfroh, Alice!«

»Bei Gott nicht, Durchlaucht!« beteuerte die Weinende. »Ich dachte an – man lächelt doch auch aus Mitleid.«

»Ich brauche Ihr Mitleid nicht!«

»Wer sagt denn, daß es Eurer Durchlaucht galt? Mich dauert die Herzogin! Ihre Hoheit kommt mir vor wie das Lamm, das sich den Wolf zu Gaste gebeten hat. Hoheit vergöttert ja diese Klaudine und – Durchlaucht, es ist doch traurig komisch, wenn man jemand sieht, der seinen ärgsten Feind mit Zuckerplätzchen füttert.«

Die Prinzeß antwortete nicht. Sie saß jetzt hinter dem Vorhang auf dem breiten Fensterbrett, und ihre Füße waren in hastiger Bewegung, während die Augen brennend auf die Straße starrten, die jenseits des Parkes sichtbar war.

»Was kann ich dafür, wenn die Leute blind sind«, sagte sie endlich.

»Ich glaubte, Durchlaucht liebten die Frau Herzogin?«

»Ja, sie ist gut, kindergut und hat mir immer viel Zuneigung bewiesen. Aber Mama sagt, sie ist überspannt, und das hat sie heute deutlich genug gezeigt. Ich kann ihr nicht helfen.«

Auf dem Rokokoschränkchen, dem echten alten mit blanken Messingschlössern und Henkeln, schlug die Uhr eben sieben. Die kleine Prinzessin bemerkte es ungeduldig.

»Schon so spät?« sagte sie, »der Baron vergißt, daß wir heute abend im Garten den Tanzplatz aussuchen wollten für das Fest.«

»Vielleicht befahl Ihre Hoheit ihn noch in ihren Salon«, bemerkte Frau von Berg. »Fräulein von Gerold singt jeden Abend und der Baron ist, wie Durchlaucht wissen, ein fanatischer Musikliebhaber.«

»Die Herzogin weiß aber, daß er Gäste hat!« rief die Prinzessin mit funkelnden Augen und sah ihre Peinigerin drohend an.

»Wenn aber Hoheit befehlen?« sagte diese sanft entschuldigend.

»Befehlen? Wir leben doch nicht im Mittelalter. Am Ende kann meine Cousine wohl gar noch befehlen, er soll ihren Liebling heiraten?«

Frau von Berg ging harmlos auf diesen etwas gewaltsamen Scherz ein. »Wer weiß, Durchlaucht? Wenn es der Herzenswunsch dieses Lieblings wäre?«

Das war zuviel für Prinzeß Helene. Sie lief zu Frau von Berg hinüber und faßte sie zornig an der Schulter, ihr schmales Gesicht war ganz bleich.

»Alice«, sagte sie, »Sie sind schlecht! Ich fühle es, daß Sie schlecht sind! Sie können mich bis aufs Blut peinigen, es ist entsetzlich, was Sie da sagen – aber – es ist nicht unmöglich. Alice, ich habe keine ruhige Stunde mehr, ich wollte, ich wäre tot wie meine Schwester! Die ist doch wenigstens einmal glücklich gewesen.«

»Aber, Durchlaucht, ein Scherz!«

»Nein, nein, kein Scherz – um Gottes willen, nehmen Sie es nicht als Scherz! Ich weiß nicht, was ich tun könnte vor Seligkeit, wenn sie fort wäre aus diesen Bergen! Warum ist sie nicht mit der Herzoginmutter nach der Schweiz gegangen? Warum muß sie hier sitzen?«