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Sie plauderte leise weiter von dem ersten Sehen des Geliebten, von jener innigen Liebe, die sie sogleich für ihn hegte, von dem Taumel, der sie ergriffen, als man ihr mitteilte, daß er um sie geworben hatte. Wie sie die Hände gefaltet und mit zitternden Lippen gefragt habe: »Mich? Mich will er?« Sie erzählte, wie sie täglich während des kurzen Brautstandes an ihn schrieb, wie sie mit einem Glücksgefühl, einem Stolz ohnegleichen nach der Vermählung mit ihm auf den Balkon des väterlichen Schlosses trat, um ihren schönen ritterlichen Gemahl den Tausenden von Menschen zu zeigen, die den großen Platz dort unten füllten, und wie sie dann so heimlich beide in dem unscheinbaren Wagen durch die Frühlingsnacht nach dem stillen Schlößchen in der Nähe der Residenz fuhren, wo sie ihr erstes junges Glück verbergen wollten.

Sie war beim Aussteigen mit der Schleppe am Wagen hängen geblieben und ihrem jungen Gatten buchstäblich zu Füßen gefallen, beide hatten sie gelacht, und weil ihr der Fuß schmerzte, hatte er sie in seinen Armen die Treppe hinaufgetragen, durch die menschenleeren Korridore, auf denen nur dämmernd die Lampen brannten, bis in ihre Zimmer, und dort hatten sie am offenen Fenster gesessen und die Nachtigallen im Parke gehört und die Lichter des Schlosses auf dem Weiher sich spiegeln sehen. Die feuchte warme Luft war voller Veilchenduft gewesen.

Die dunklen Augen der Erzählerin schimmerten in der Erinnerung jenes Glückes, und als jetzt eben die schlanke Gestalt des Herzogs im tadellosen eleganten Sommeranzug um das nächste Gebüsch bog, da flog ein wunderbar verklärender Glanz über ihr krankes, schmales Gesicht.

Er grüßte näher kommend, war aber offenbar nicht in rosiger Stimmung.

»Störe ich die Damen?« fragte er. »Ohne Zweifel werden Toiletteangelegenheiten erörtert? Tolle Idee, ein Kostümfest!«

»Mein Himmel, ja!« rief die Herzogin. »Klaudine, wo werden Sie nun in aller Eile noch eine Toilette her bekommen?«

»Ich habe ein ganzes Spind voll alter prächtiger Sachen von Großmama«, erwiderte sie, »es wird sich wohl etwas darunter finden, denke ich.«

»Die Fracks der Herren werden sich recht malerisch neben diesen Zigeunerinnen und Rokokodamen ausnehmen«, spottete der Herzog. »Natürlich, eine Laune von Helene, das ist klar.«

»Warum kommst du nicht, Adalbert? Tue es doch. Weshalb willst du Gerold diese Gunst versagen? Du hast ihn früher in jeder Weise verwöhnt«, bat die Herzogin.

Er zuckte die Achseln. »Es wird sich nicht einrichten lassen«, sagte er kurz und begann von etwas anderem zu reden.

»Nun, Klaudine, so werden wir uns miteinander trösten, ich als Spanierin und Sie?«

»In einer der unkleidsamen Trachten des Empire, Hoheit, kurze Taillen, enge Röcke und –«

»Verzeihung! Unkleidsam ist die Tracht nicht«, fiel der Herzog ein, »im Gegenteil. Aber es gehört ein tadelloser Wuchs und eine gewisse Grazie dazu. Denken Sie an das entzückende Bild der Königin Luise und an das Bild meiner eigenen Großmama, der Herzogin Sidonie, in der Galerie unseres Schlosses. Sie war reizend, diese Mode.«

Klaudine schwieg. Die Herzogin sprach noch einiges, dann empfahl er sich, und Klaudine las weiter.

 

Es war gegen neun Uhr und der letzte Tagesschein lag noch über den Bergen, als sie nach Neuhaus fuhr. Herr von Palmer stand an seinem Fenster hinter dem Vorhang und hörte das Gefährt vom Schloßhofe rollen. Er drehte seinen langen, sorgsam gefärbten Schnurrbart mit den wachsbleichen Fingern. Er wußte ja, der Pfeil lag auf der Sehne, der Bogen war gespannt, es bedurfte nur eines Anstoßes, dann war ein armes Menschenherz zu Tode getroffen – »unmöglich gemacht« nannte es Herr von Palmer. Es war nötig, es war sogar die höchste Zeit, die Freundschaft nahm überhand; die Herzogin behandelte ihn jetzt erbärmlich, noch schlechter als früher, er wußte, woher dieser Wind wehte. Wenn der Pfeil auch sie streifte – es geschah ihr recht. »Lächerlich, daß die Berg sagt, die kleine Prinzeß fürchte für Ihre Hoheit. Diese Naturen sind zähe.

Wundervoller Gedanke, die kleine eifersuchtstolle Durchlaucht auszuwählen, diejenige zu sein, die das Geschoß abdrücken sollte. »Großartig, großartig!« sagte er und ging im Zimmer auf und ab. »Das konnte auch nur ein Weiberkopf aussinnen. Es gibt einen Knalleffekt, einen riesigen, schöne Klaudine! Die Säle des Residenzschlosses sehen dich nicht wieder. Lothar denkt sowieso nicht an sie, dieser Hochmutsnarr mit seinen fürstlichen Freiereien. Wie die Berg darauf kommt, ist mir rätselhaft. Der Herzog aber mag an sie denken, so viel er will, hat Ihre Hoheit erst Verdacht, dann hilft es Euer Liebden nichts, geschieden muß sein! Wer nachher vor Euren herzoglichen Augen Gnade finden soll, das wird von mir abhängen. Die Berg ist noch schön genug und – alte Liebe rostet nicht. Sie liebt ihn auch noch immer und würde doch dabei mit dem größten Verständnis auf meine Pläne eingehen.«

Eine endlose Reihe glänzender Geschäfte entwickelte sich vor den Augen des Mannes, zunächst aber winkte der verlockende Titel »Hofmarschall«. Die alte kopfwackelnde Exzellenz von Elbenstein, die zugleich das Amt des Oberstallmeisters vertrat, und deren Geschäfte er, Palmer, bereits seit Monaten versah, konnte unmöglich noch lange leben. Seine Hoheit hatte auch bereits ein verheißungsvolles Wort gesprochen.

Er nahm seinen Hut und ging zur Tafel, wo eben der Rittmeister eine Pfirsichbowle braute, die ersten köstlichen Früchte aus den herzoglichen Treibhäusern waren angelangt.

Klaudine ließ den Wagen am Eingang der Neuhäuser Lindenallee halten, sie wollte unbemerkt ins Haus, in Beates Stube treten. Die Halle vermeidend, gelangte sie ungesehen durch die Hintertür, huschte leise durch den Flur und pochte kaum hörbar an die Wohnstube. Ein Schritt kam durch das Zimmer und die Tür wurde geöffnet.

»Ich bin es, Beat«, flüsterte sie, »störe ich dich nicht? Nur einen Augenblick.«

»Also wirklich, du!« rief die Cousine und zog das Mädchen in das noch finstere Gemach und zu einem Sessel.

»Laß nur, laß«, wehrte Klaudine, »ich wollte dir nur sagen, daß ich übermorgen dennoch komme, wenn du erlaubst.«

Beate lachte herzlich und küßte sie.

»Nun«, rief sie in die Dunkelheit hinein, »wer hat denn recht, Lothar? Mein Gang ist gar nicht einmal nötig.«

Klaudine erschrak. Am Fenster hatte sich eine Gestalt erhoben. Um ihre Stirn flatterte es heiß. »Die Herzogin befahl«, sagte sie stotternd.

»Es ist außerordentlich liebenswürdig von Ihrer Hoheit«, sprach er, und seine Stimme klang sonderbar heiser. »Soeben erwies auch Seine Hoheit mir die Ehre, die bereits erfolgte Absage zurückzuziehen.«

Klaudine griff in das Polster des Sessels, sie zitterte plötzlich, aber sagte kein Wort. Welch peinlicher Zufall!

»So setze dich doch«, drängte Beate, »man sieht und hört ja jetzt nichts mehr voneinander. Ich habe begreiflicherweise wenig Zeit, aber da du einmal hier bist, hilf mir die Tischplätze ordnen. Ich kenne ja alle diese Menschen nicht, die da eingeladen sind und zugesagt haben.«

»Verzeih, Beate, ich habe etwas Kopfweh und der Wagen wartet draußen«, sagte Klaudine ablehnend und wandte sich zum Gehen. »Laß doch losen«, setzte sie dann hinzu, als empfinde sie die Unart, Beate diese kleine Gefälligkeit zu versagen.

»Natürlich!« pflichtete Lothar bei. »Mitunter bringt der Zufall das große Los und erhört fromme Wünsche. Darf ich mir gestatten, Sie zu Ihrem Wagen zu geleiten?«

Beate schmollte wirklich ein wenig, sie blieb zurück. Lothar schritt neben dem erregten Mädchen durch die erleuchtete Halle in den Garten hinaus. Sie sprachen nicht miteinander.

Im Schlosse war die ganze Fensterreihe des ersten Stockes erleuchtet, Prinzeß Helene liebte viel Licht. Sie hatte sich früh von der Tafel zurückgezogen, um Kostüme anzuprobieren. Der Schein, der von dort herniederfiel, verbreitete sich noch bis unter das Dunkel der Bäume. Die Lindenblüte duftete betäubend, es war ein warmer feuchter Sommerabend, der Mond verbarg sich hinter dunkeln Wolken.