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»Ja, derartige Gemütsbewegungen –« seufzte die alte Prinzessin, »es ist auch kaum zu fassen, sie ist eine Intrigantin, diese sanfte Klaudine.«

»Meine liebe Cousine«, erwiderte die greise Herzogin, »es ist eine alte Erfahrung, den Mann trifft stets die größere Hälfte der Schuld in solchen – vergessen wir das nicht, bitte!«

»Aber warum duldet man sie noch länger hier?« ereiferte sich die gereizte Prinzessin.

»Wollen Sie sich gefälligst erinnern, daß Seine Hoheit hier allein befiehlt, meine Teure?«

»Allerdings – Verzeihung – aber es ist sonderbar, wenn man denkt –«

»Ja, aber es gibt Fälle, wo man besser tut, man denkt nicht, Cousine«, klang seufzend die Antwort.

»Baron Gerold bittet um die Gnade, Ihre Hoheit in einer wichtigen Angelegenheit sprechen zu dürfen«, meldete Fräulein von Böhlen.

Die alte Hoheit bejahte augenblicklich. Im nächsten Augenblick stand Lothar im Gemach. Prinzeß Thekla lächelte ihm liebenswürdig zu und erhob sich. »Eine geheime Audienz? Gestatten Hoheit?«

»Es würde Eurer Durchlaucht Gegenwart in keiner Weise hinderlich sein, meine Bitte zu Füßen Ihrer Hoheit zu legen, um so weniger, als Durchlaucht sicher ein gewisses Interesse an diesem meinem Anliegen nehmen werden.«

Die alte Hoheit warf einen forschenden Blick unter ihrem Blondenhäubchen hervor. »Sprechen Sie, Gerold«, sagte sie.

Fräulein von Böhlen, die sich langsam zurückzog, wußte aus der müden Art ihrer sonst so ratbereiten liebenswürdigen Gebieterin, daß ihre Gedanken sich nur ungern von dem Krankenbette der Herzogin losrissen.

Dort innen in dem Gemache der Herzoginmutter war es still. Einigemal nur erhob sich des Barons Stimme, dann ein schrilles, helles Lachen der Prinzeß Thekla, und im nächsten Augenblick stand die hagere Gestalt Ihrer Durchlaucht vor der erschreckten Hofdame.

»Prinzeß Helene! Suchen Sie die Prinzessin!« stieß sie mühsam hervor.

Fräulein von Böhlen flog davon. Atemlos kam die Prinzessin herauf.

»Wir fahren nach Neuhaus! Wo ist die Komtesse?« schallte es ihr entgegen.

»Um Gottes willen, Mama, was ist geschehen?« Prinzessin Helene kannte so gut die Stimmung, die sich auf dem Gesichte der alten Durchlaucht abspiegelte.

»Komm!« war die Antwort.

»Nein, Mama, liebste Mama, laß mich hier, ich halte es vor Angst in Neuhaus nicht aus!« flehte die Prinzessin.

»Wer sagt dir, daß du es aushalten sollst? Wir fahren heute abend mit dem Schnellzug nach Berlin. Komm!«

»Nein, ich kann nicht!« klang es zurück von den blassen Lippen. »Zwinge mich nicht, ich laufe dir unterwegs davon – ich kann nicht fort von hier!«

Die alte Dame übermannte der Zorn, sie ergriff mit ihren knöchernen Händen den zierlichen Arm. »Vorwärts! Wir haben nichts mehr hier zu tun!« zischte sie.

Aber die Prinzessin-Tochter riß sich los. »Ich tue, was meine Pflicht ist!« rief sie außer sich und floh aus dem Zimmer.

Prinzessin Thekla fuhr mit Komtesse Moorsleben allein nach Neuhaus. Vor ihnen rollte der Wagen mit Beate und den Kindern.

Die Komtesse stand dann mit blassem Gesicht vor Frau von Berg, die eiligst herbeigekommen. Das junge Mädchen war außer sich über die Behandlung, die Ihre Durchlaucht während der Fahrt ihr hatte angedeihen lassen.

»Oh, ich reiste am liebsten auf der Stelle zu Mama!« rief sie, »was kann ich dafür, daß Ihre Hoheit einen Blutsturz bekam?«

Frau von Berg lächelte noch immer, aber sie war plötzlich blaß geworden. »Einen Blutsturz?« fragte sie.

»Ja, und zwar recht schlimm. Sie haben nach H. telegraphiert.«

»Und Prinzeß Helene?«

»Sie wollte nicht mit, sie tut, als möchte sie sich am liebsten auf die Schwelle des Krankenzimmers legen.«

»Und wo ist der Baron?«

»Bei Ihrer Hoheit der Herzoginmutter. Wenigstens war er da, als wir wegfuhren. Die Böhlen sagte, er habe bei der alten Hoheit um eine Unterredung bitten lassen.«

»Nun, und Fräulein von Gerold?«

Die hübsche Komtesse zuckte die Achseln. »In aller Leute Mund«, erwiderte sie. »Sie tut mir leid. Man sagt, die Herzogin habe die Untreue ihres Gatten entdeckt. Seine Hoheit sieht aus, als wolle er die Welt in Brand stecken.«

»Mein Gott, einmal mußte doch dieser Skandal ans Licht kommen«, sagte Frau von Berg achselzuckend. »Aber wo in aller Welt ist sie denn nun? Sitzt sie im Turm des Eulenhauses und lugt erwartungsvoll nach Altenstein hinüber, oder ist sie in den Schloßteich gelaufen, die stolze Klaudine?«

Komtesse Moorsleben sah in das Antlitz, das so wenig seine Genugtuung zu verbergen verstand. Die wilde Freude flackerte nur so aus den schwarzen Augen.

»Gnädige Frau«, sagte die niedliche Komtesse boshaft, »ich habe mich schon den ganzen Morgen besonnen – von wem ist das Wort: ›Wer im Glashause sitzt, soll nicht mit Steinen werfen‹?«

»Ich fragte Sie, Komtesse, wo Fräulein von Gerold nach dem klaren Beweis von Ungnade geblieben ist?« betonte die Dame zornesrot.

»Ich verstehe Sie nicht, liebe Frau von Berg«, antwortete die Komtesse so sanft, als ihr möglich war. »Sie wissen mehr als ich – Ungnade? Fräulein von Gerold sitzt am Krankenbett Ihrer Hoheit.«

Frau von Berg schnappte nach Luft und rauschte in das Zimmer Ihrer Durchlaucht, von wo soeben ein wahres Sturmgeläute ertönte.

24.

Die Herzogin schlief, im ganzen großen Gebäude herrschte Todesstille.

In dem Zimmer des Rittmeisters von Rinkleben saß Baron Gerold, er hatte den liebenswürdigen Offizier gebeten, sich hier aufhalten zu dürfen, er wolle die nächste Nachricht von dem Befinden Ihrer Hoheit abwarten. Er hatte ein Buch genommen, aber ihm fehlte die Ruhe zum Lesen. Eine finstere Sorge lag über seinem Gesichte und eine qualvolle Unruhe ließ ihn unaufhörlich hin und her wandern.

Herr von Palmer hatte seine Stube verriegelt, er befand sich in der denkbar schlechtesten Laune. Ein netter Tag, der heutige, wahrhaftig! Als er diesen Morgen zum Vortrag in das Arbeitszimmer Seiner Hoheit trat, war ihm der Herzog mit einer ziemlich verwunderten Miene und einem offenen Briefe entgegengekommen. Es war ein vertrauliches Schreiben des Prinzen Leopold, seines Vetters, und enthielt die Frage, wie es zugehe, daß das Hofmarschallamt seit nahezu drei Jahren der Firma C. Schmidt in R. am Rhein keinerlei Zahlung mehr geleistet habe. Der Chef der Firma habe nun des Prinzen Vermittlung erbeten, da auf direkte Anfragen zwar stets neue Bestellungen, aber immer nur ausweichende Antworten betreffs der Rückstände eingetroffen seien. Ja, in dem letzten Schreiben sei mitgeteilt, daß bei fernerem Drängen die Lieferungen dem Hause entzogen werden würden. Herr von Palmer hatte gelächelt und gesagt, es liege ein grobes Mißverständnis vor, Seine Hoheit aber hatte sehr energisch den Wunsch ausgesprochen, diese Angelegenheit so bald wie möglich und bestens geordnet zu sehen.

Es war sehr unangenehm, sehr! Als ob solch Krämerpack nicht borgen müßte bis in alle Ewigkeit, wenigstens so lange bis Herr von Palmer nach einigen Jahren in der Lage sein würde, mit aller Ruhe irgendwohin abzureisen! Es war doch ein Trost, diese Berg zur Seite zu haben. Wie glänzend hatte sie dieses »Unmöglichmachen« in Szene gesetzt, am Geburtstage des Prinzen! Die alte Herzogin hatte Klaudine fallen lassen, das war ja unbezahlbar! Der Mutter gegenüber würde selbst Seine Hoheit nicht den Mut finden, dieses Schäferspiel weiter zu treiben. Wundervoll! Ganz wundervoll!

Durch das hohe, breite Fenster im Schlafzimmer der Herzogin fielen die letzten Strahlen der scheidenden Sonne.

»Klaudine!« flüsterte eine matte Stimme.

Das Mädchen, das in tiefen, schweren Gedanken gesessen, erhob sich und kniete neben dem Bette der Kranken. »Wie geht es dir, Elisabeth?« fragte sie.

»Oh – es geht – es geht besser. Ich fühle, daß das Ende kommt –«