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Lawrence Cavendish wurde als Nächster aufgerufen. Seine Aussage war ziemlich unwichtig, es handelte sich eigentlich nur um eine Wiederholung dessen, was sein Bruder gesagt hatte. Als er gerade den Zeugenstand verlassen wollte, hielt er inne und fragte: «Dürfte ich vielleicht einen Vorschlag machen?»

Er sah bittend zu dem Untersuchungsrichter hinüber, der schnell erwiderte: «Gewiss, Mr. Cavendish, wir sind ja hier, um die Wahrheit herauszufinden, und begrüßen alles, das uns hierbei weiterhilft.»

«Ich hatte da nur so eine Idee», erklärte Lawrence. «Natürlich kann ich mich total irren, aber mir scheint, als könnte der Tod meiner Mutter auch eine natürliche Ursache haben.»

«Was meinen Sie damit, Mr. Cavendish?»

«Meine Mutter nahm zum Zeitpunkt ihres Todes und schon einige Zeit vorher ein Tonikum ein, das Strychnin enthielt.»

«Aha!», sagte der Untersuchungsrichter.

Die Geschworenen sahen interessiert auf.

«Ich glaube, es gab schon Fälle, wo die kumulative Wirkung der Droge nach einiger Zeit zum Tod geführt hat. Wäre es denn nicht auch möglich, dass sie aus Versehen eine Überdosis ihrer Medizin genommen hat?»

«Wir hören zum ersten Mal, dass die Verstorbene zur Zeit ihres Todes ein Medikament einnahm, das Strychnin enthielt. Wir danken Ihnen, Mr. Cavendish.»

Dr. Wilkins wurde erneut aufgerufen und zog diese Theorie ins Lächerliche.

«Was Mr. Cavendish da anführt, ist ganz unmöglich. Jeder Arzt würde Ihnen dasselbe sagen. Strychnin ist in gewissem Sinn ein kumulatives Gift, aber es ist völlig ausgeschlossen, dass es so plötzlich zum Tod führen könnte. Es hätten vorher über einen längeren Zeitraum chronische Symptome auftreten müssen, die mir sofort aufgefallen wären. Diese These ist völlig absurd.»

«Und die zweite Hypothese? Dass Mrs. Inglethorp aus Versehen eine Überdosis genommen haben könnte?»

«Nicht die dreifache, ja, nicht einmal die vierfache Menge hätte zum Tod geführt. Mrs. Inglethorp ließ sich von Mr. Coot, dem Apotheker in Tadminster, immer eine besonders große Dosis zubereiten. Für die Menge Strychnin, die bei der Autopsie gefunden wurde, hätte sie fast die ganze Flasche austrinken müssen.»

«Dann sind Sie also der Ansicht, dass diese Medizin in keiner Weise ihren Tod verursacht haben kann?»

«Ganz recht. Diese Idee ist absurd.»

Derselbe Geschworene, der schon zuvor die Verhandlung unterbrochen hatte, erkundigte sich, ob der Apotheker sich bei der Zubereitung geirrt haben könnte.

«Das kann man natürlich nie ausschließen», erwiderte der Arzt.

Aber als Dorcas als nächste Zeugin aufgerufen wurde, ließ sich auch diese Theorie nicht mehr halten. Die Medizin war nicht erst vor kurzem hergestellt worden, sondern vielmehr hatte Mrs. Inglethorp an ihrem Todestag die letzte Dosis eingenommen.

Damit war diese Medizin als Thema schließlich erschöpft, und der Untersuchungsrichter fuhr mit seiner Befragung fort. Er entlockte Dorcas, dass sie durch das heftige Läuten ihrer Herrin geweckt worden war und anschließend die anderen im Haus geweckt hatte, und wandte sich dann dem Streit des vorangegangenen Nachmittags zu.

Dorcas' Aussage enthielt im Wesentlichen das, was Poi-rot und ich bereits wussten, deshalb werde ich es hier nicht noch einmal wiederholen.

Die nächste Zeugin war Mary Cavendish. Sie stand kerzengerade da und sprach mit tiefer, klarer und völlig beherrschter Stimme. Auf die Frage des Untersuchungsrichters hin berichtete sie, dass ihr Wecker sie wie gewöhnlich um halb fünf geweckt habe und dass sie während des Ankleidens durch ein Geräusch erschreckt worden sei, das sich wie ein schwerer Fall anhörte.

«Das könnte der Tisch neben dem Bett gewesen sein», bemerkte der Untersuchungsrichter.

«Ich öffnete meine Tür», fuhr Mary fort, «und lauschte. Kurze Zeit später läutete es wild, Dorcas kam heruntergerannt und weckte meinen Mann und wir gingen alle zum Zimmer meiner Schwiegermutter, aber es war abgeschlossen.»

Der Untersuchungsrichter unterbrach sie.

«Ich glaube, wir brauchen Sie zu diesem Punkt nicht weiter zu bemühen. Wir wissen Bescheid über das, was dann geschah. Aber wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie uns alles erzählen würden, was Sie von dem Streit am Vortag mitbekommen haben.»

«Ich?»

Ihr Ton war eine Spur arrogant. Sie hob die Hand und glättete ihren Spitzenkragen, und während sie das tat, drehte sie ein wenig den Kopf. Unvermittelt durchzuckte mich der Verdacht: Sie will Zeit gewinnen!

«Ja. Soweit ich weiß, saßen Sie auf der Bank genau vor dem Terrassenfenster und lasen. So war das doch, oder nicht?»

Das war mir neu, und als ich Poirot von der Seite einen Blick zuwarf, schien es mir, als ob ihm das ebenfalls neu war.

Es gab eine kaum merkliche Pause, ein winziges Zögern, bevor sie antwortete:

«Ja, das stimmt.»

«Und das Fenster des Boudoirs stand doch offen, nicht wahr?»

Mit Sicherheit wurde ihr Gesicht eine Spur blasser, als sie antwortete:

«Ja.»

«Dann müssen Sie doch die Stimmen darin gehört haben, besonders da sie in der Hitze des Streits immer lauter wurden. Eigentlich müssen Sie sie da besser gehört haben als in der Halle.»

«Vielleicht.»

«Können Sie uns wiederholen, was Sie von dem Streit mitbekommen haben?»

«Ich kann mich an kein Gespräch erinnern.»

«Wollen Sie damit sagen, dass Sie die Stimmen nicht gehört haben?»

«Oh doch, ich hörte Stimmen, aber ich hörte nicht, was gesagt wurde.» Sie war leicht errötet. «Ich pflege nicht bei Privatgesprächen zu lauschen.»

Der Untersuchungsrichter blieb hartnäckig.

«Sie können sich an überhaupt nichts erinnern? An nichts, Mrs. Cavendish? Nicht an ein einziges Wort oder einen Satz, der Ihnen verraten hätte, dass es sich hier um eine private Unterhaltung drehte?»

Sie schwieg und schien nachzudenken, nach außen hin wirkte sie so ruhig wie immer.

«Ja, ich erinnere mich an etwas, das Mrs. Inglethorp sagte — ich weiß aber nicht mehr genau, was — etwas über einen Skandal zwischen Ehegatten.»

«Aha!» Der Untersuchungsrichter lehnte sich befriedigt zurück. «Das stimmt mit dem überein, was Dorcas hörte. Aber entschuldigen Sie, Mrs. Cavendish — obwohl Sie merkten, dass dies eine private Unterhaltung war, sind Sie nicht weggegangen? Sie blieben da, wo Sie waren?»

Als sie die Augen hob, sah ich Zorn in ihren bernsteinfarbenen Augen aufblitzen. Ich war mir ganz sicher, dass sie in diesem Augenblick den kleinen Rechtsanwalt mitsamt seinen Unterstellungen mit Freuden in tausend Stücke gerissen hätte, aber sie erwiderte immer noch ruhig: «Nein. Ich saß dort sehr bequem. Ich konzentrierte mich auf mein Buch.»

«Und mehr können Sie uns nicht sagen?»

«Das ist alles.»

Die Vernehmung war zu Ende, obwohl ich bezweifelte, dass der Untersuchungsrichter damit gänzlich zufrieden war. Bestimmt dachte er, dass Mrs. Cavendish mehr hätte erzählen können, wenn sie gewollt hätte.

Als Nächste wurde die Verkäuferin Amy Hill aufgerufen. Sie bestätigte, dass sie am Nachmittag des 17. Juli ein Testamentsformular an William Earl, den zweiten Gärtner von Styles, verkauft hatte.

Ihr folgten William Earl und Manning und bestätigten, dass sie ein Dokument bezeugt hatten. Manning meinte, es wäre um 4.30 gewesen, William war der Ansicht, es wäre etwas eher gewesen.

Cynthia Murdoch kam als Nächste dran. Sie hatte jedoch wenig zu erzählen. Sie hatte von der Tragödie erst erfahren, als sie durch Mrs. Cavendish geweckt wurde.

«Hörten Sie denn nicht, wie der Tisch umfiel?»

«Nein, ich schlief fest.»

Der Untersuchungsrichter lächelte.