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«Ja, das stimmt. Das hatte ich ganz vergessen.» Ich war ziemlich verblüfft. «Das ist seltsam.»

Poirot nickte.

«Sein Verhalten war von Anfang an merkwürdig. Er allein von allen Hausbewohnern hätte die Symptome einer Strychninvergiftung erkennen können, aber des ungeachtet ist er der Einzige in der ganzen Familie, der an der Theorie eines natürlichen Todes festhält. Bei Monsieur John hätte ich das verstanden. Er hat keine Sachkenntnis und ist von Natur aus phantasielos. Aber Monsieur Lawrence — nein! Und heute liefert er noch eine Theorie, von der er gewusst haben muss, dass die absolut lächerlich ist. Darüber sollten wir einmal nachdenken, mon ami!»

«Das ist sehr verwirrend», gestand ich.

«Dann wäre da noch Mrs. Cavendish», fuhr Poirot fort. «Noch jemand, die nicht alles erzählt, was sie weiß! Wie fanden Sie ihr Verhalten?»

«Ich werde daraus nicht schlau. Eigentlich erscheint es undenkbar, dass sie Alfred Inglethorp zu schützen versucht, aber es sieht ganz danach aus.»

Poirot nickte nachdenklich. «Ja, das ist seltsam. Eins ist sicher — sie hat einen Gutteil mehr von diesem <Privatgespräch> gehört, als sie zugeben wollte.»

«Und trotzdem ist sie der letzte Mensch, dem man unterstellen würde, dass er an der Wand lauscht!»

«Ganz recht. Ein Punkt in ihrer Aussage hat mir gezeigt, dass ich mich geirrt habe. Dorcas hatte völlig Recht. Der Streit fand früher am Nachmittag statt, so gegen vier, wie sie es gesagt hat.»

Ich sah ihn fragend an, denn ich hatte seine Hartnäckigkeit in diesem Punkt nie verstanden.

«Ja, heute sind einige merkwürdige Fakten aufgetaucht», nahm Poirot den Faden wieder auf. «Zum Beispiel dieser Dr. Bauerstein — wieso lief er schon so früh am Morgen dort herum? Ich habe mich gewundert, dass dazu niemand etwas gesagt hat.»

«Vielleicht leidet er unter Schlaflosigkeit», sagte ich zweifelnd.

«Das könnte eine gute oder eine sehr schlechte Erklärung sein», bemerkte Poirot. «Das bezeichnet alles und erklärt gar nichts. Ich werde diesen klugen Dr. Bauerstein mal im Auge behalten.»

«Haben Sie noch mehr Widersprüche bei den Aussagen gefunden?», fragte ich ironisch.

«Mon ami», erwiderte Poirot ernst, «wenn Sie merken, dass die Leute nicht die Wahrheit sagen, dann passen Sie auf! Falls ich mich nicht sehr irre, hat heute bei der Untersuchung nur einer — oder höchstens zwei Personen — die Wahrheit gesagt, rückhaltlos und ohne Täuschungsabsicht.»

«Ach, jetzt übertreiben Sie aber, Poirot! Bei Lawrence oder Mrs. Cavendish mögen Sie ja Recht haben. Aber was ist mit John und Miss Howard — die beiden haben doch bestimmt die Wahrheit gesagt?»

«Alle beide, mein Freund? Einer vielleicht, aber beide?»

Seine Worte versetzten mir einen Schock. Miss Howards Aussage war ja möglicherweise unwichtig gewesen, aber bei so viel Klarheit und Eindeutigkeit hätte ich niemals ihre Ehrlichkeit angezweifelt. Doch ich empfand große Hochachtung für Poirots Klugheit — außer wenn er das zeigte, was ich bei mir seine «schreckliche Dickköpfigkeit» nannte.

«Glauben Sie wirklich?», fragte ich. «Miss Howard machte auf mich immer einen so absolut ehrlichen Eindruck, dass es manchmal fast ein wenig übertrieben erschien.»

Poirot warf mir einen rätselhaften Blick zu, aus dem ich nicht schlau wurde. Er schien etwas sagen zu wollen, aber dann ließ er es bleiben.

«Auch Miss Murdoch hat so gar nichts Unehrliches an sich», fuhr ich fort.

«Nein. Aber es war seltsam, dass sie nicht das kleinste Geräusch hörte, obwohl sie nebenan schlief, wohingegen Mrs. Cavendish viel weiter weg ganz deutlich den Tisch umfallen hörte.»

«Na ja, sie ist eben noch jung und schläft fest.»

«Also wirklich, dann muss diese junge Frau schlafen können wie ein Murmeltier!»

Der Ton seiner Stimme gefiel mir nicht besonders, aber in diesem Augenblick klopfte jemand energisch an die Tür, und als wir aus dem Fenster schauten, sahen wir die zwei Detektive, die unten auf uns warteten.

Poirot nahm seinen Hut, zwirbelte noch einmal heftig seinen Schnurrbart, wischte ein unsichtbares Staubkorn von seinem Ärmel und bedeutete mir, vor ihm die Treppe hinunterzugehen. Zusammen mit den Detektiven marschierten wir dann nach Styles.

Ich glaube, das Erscheinen der zwei Männer von Scot-land Yard war ein ziemlicher Schock — vor allem für John, obwohl er sich natürlich nach dem Urteil der Geschworenen hätte denken können, dass das nur noch eine Frage der Zeit war. Doch die Anwesenheit der Kriminalbeamten konfrontierte ihn mit der Wahrheit mehr als irgendetwas anderes.

Poirot hatte sich auf dem Weg hierher leise mit Japp ausgetauscht, und der Letztere verlangte nun, dass sich alle Hausbewohner mit Ausnahme der Dienstboten im Salon versammeln sollten. Mir war klar, was dahinter steckte. Poirot sollte jetzt beweisen, ob er sein kühnes Versprechen halten konnte.

Ich für meine Person war nicht sehr zuversichtlich. Poi-rot mochte ja die allerbesten Gründe für seinen Glauben an Inglethorps Unschuld haben, aber ein Mann wie Summerhaye würde handfeste Beweise verlangen, und ich zweifelte, ob Poirot die vorlegen konnte.

Bald waren wir alle im Salon versammelt, und Japp schloss die Tür. Poirot stellte höflich für alle Stühle bereit. Alle Augen waren auf die Männer von Scotland Yard gerichtet. Ich glaube, uns allen wurde zum ersten Mal klar, dass das hier kein Albtraum, sondern knallharte Wirklichkeit war. Wir hatten von solchen Dingen zwar schon gelesen, aber jetzt waren wir selbst die Schauspieler in dem Drama. Morgen würden in ganz England die Schlagzeilen der Tageszeitungen die Nachricht verkünden:

Geheimnisvolle Tragödie in Essex

Reiche Dame vergiftet

Es würden Fotos von Styles zu sehen sein, Schnappschüsse von den «Familienmitgliedern nach der Untersuchung» — der Dorffotograf war nicht untätig gewesen! Über solche Dinge hatte man schon hundertmal gelesen, aber immer widerfuhr so etwas nur anderen Leuten, nie einem selbst. Und jetzt war in diesem Haus ein Mord geschehen. Vor uns standen die «mit dem Fall betrauten Kriminalbeamten». Solche wohl bekannten glatten Formulierungen schossen mir durch den Kopf, bevor Poirot das Wort ergriff.

Ich glaube, alle waren etwas überrascht, dass er und nicht einer der offiziell mit dem Fall befassten Kriminalinspektoren die Initiative ergriff.

«Mesdames et messieurs», Poirot verbeugte sich, als ob er ein berühmter Redner wäre, der einen Vortrag halten wollte. «Ich habe Sie alle aus einem bestimmten Grund hierher gebeten. Es geht um Mr. Alfred Inglethorp.»

Inglethorp saß allein ein bisschen abseits — weil wahrscheinlich alle ihren Stuhl unbewusst ein wenig von ihm abgerückt hatten — und zuckte leicht zusammen, als Poi-rot seinen Namen nannte.

«Mr. Inglethorp», Poirot redete ihn nun direkt an, «auf diesem Haus lastet ein dunkler Schatten — der Schatten eines Mordes.»

Inglethorp schüttelte traurig den Kopf.

«Meine arme Frau», murmelte er. «Arme Emily! Es ist schrecklich.»

«Ich weiß nicht, Monsieur, ob Sie ganz begriffen haben, wie schrecklich das ist — und zwar für Sie», sagte Poirot nachdrücklich. Und als Inglethorp immer noch nicht zu begreifen schien, fügte er hinzu: «Mr. Inglethorp, Sie befinden sich in sehr großer Gefahr.»

Die zwei Kriminalbeamten wanden sich unbehaglich. Ich sah schon die offizielle Formeclass="underline" «Alles, was Sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden», auf Summerhayes Lippen. Poirot fuhr fort:

«Begreifen Sie es jetzt, Monsieur?»

«Nein. Was wollen Sie damit sagen?»

«Ich will damit sagen», entgegnete Poirot mit Nachdruck, «dass Sie verdächtigt werden, Ihre Frau vergiftet zu haben.»

Bei diesen unverblümten Worten hielten alle im Raum den Atem an.