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Der Beißer war ein Veteran, und wenn man allen Geschichten Glauben schenken wollte, die die Männer über ihn erzählten, hatte er seit den Tagen Karthagos an jeder größeren Schlacht teilgenommen. Obwohl er dann schon mehrere hundert Jahre alt sein müsste, redete er von diesen Zeiten stets so, als wäre er selbst dabei gewesen, wobei er keinen Zweifel daran ließ, dass allein sein Mitwirken die Republik vor Eindringlingen, Disziplinlosigkeit und höchstwahrscheinlich auch vor Pestilenz bewahrt hatte. Was auch immer wahr sein mochte, er hatte jedenfalls unglaublich viele Narben, war stets schlecht gelaunt und verabscheute es zutiefst, dass man ihm schon wieder einen Haufen fangfrischer Rekruten zugeteilt hatte, aus denen er so etwas Ähnliches wie Legionäre machen sollte.

»Du, du und ... du«, brummte der alte Soldat, wobei er zuletzt auf Teras zeigte. »Ich weiß nicht, was ihr heute Nacht hier getrieben habt, aber ich weiß ganz genau, dass ihr morgen auf alle Fälle das Scheißhaus an der Famena-Straße leer schaufelt.«

Ohne ein weiteres Wort stapfte der Beißer die glitschigen Stufen wieder hinunter, wobei er leise vor sich hinfluchte. Noch nachdem er bereits eine geraume Zeit weg war, konnte Teras seine süßliche Alkoholfahne riechen.

Der junge Legionär, der Brutus so vorlaut geantwortet hatte, gesellte sich zu Teras, als dieser wieder seinen Posten an der Kohlenpfanne eingenommen hatte und sich die Hände wärmte. Der junge Mann machte den Mund auf und wollte etwas sagen.

»Kein Wort«, sagte Teras grimmig. »Sonst bringe ich dich eigenhändig um.«

Julius fand den verabredeten Treffpunkt ohne große Schwierigkeiten. In seiner kryptischen Nachricht hatte Crassus ihn gebeten, sich an den Ort zu erinnern, wo sie einst die Vernichtung des Spartacus geplant hatten. Obwohl Julius seit einer Dekade nicht mehr in Ariminum gewesen war, ließ sich in der übersichtlich angelegten Stadt das einzige Haus, an dem eine Laterne brannte, in der ansonsten leeren Straße in der Nähe des Hafens gut finden. Er hatte versucht, alles so geheim wie möglich zu halten, hatte Gallien ohne Vorankündigung verlassen und war so rasch wie möglich mit einer Zenturie seiner Zehnten hierher marschiert. Die ersten sechzig Meilen hatten sie in kaum mehr als zehn Stunden zurückgelegt, und die Männer hatten sich kein einziges Mal beschwert oder um längere Pausen zum Essen und Trinken gebeten. Sobald er sicher sein konnte, dass er selbst die flinksten Spione hinter sich gelassen hatte, hatte Julius ein langsameres Tempo angeordnet. Andererseits hätten sie über die Alpenpässe in der bitteren Kälte und der dünnen Luft ohnehin nicht schneller marschieren können. Als sie aus dem Gebirge herabgestiegen waren, war Julius sicher, dass jeder, der ihm folgen wollte, bis zum Frühling würde warten müssen.

Julius ließ Brutus mit der Zenturie zurück, um die Straße abzuriegeln. Dann ging er raschen Schrittes auf die Tür zu, an die er sich noch aus dem alten Feldzug erinnerte, und klopfte an die Balken, wobei er den Mantel gegen die Kälte enger um sich zog.

Ein ihm unbekannter Mann öffnete ihm, und Julius fragte sich, ob er der Besitzer des Hauses war.

»Ja?«, brummte der Mann und sah Julius ausdruckslos an. »Gallien«, erwiderte Julius, und der Mann wich zurück, um ihn eintreten zu lassen.

Noch bevor er den Raum betrat, hörte Julius das Knistern und Knacken eines großen Holzfeuers. Pompeius und Crassus erhoben sich, um ihn zu begrüßen, und Julius spürte eine Woge der Zuneigung für die beiden Männer, als er ihre Hände ergriff. Auch sie schienen es zu spüren, denn ihr Lächeln sah echt und ungezwungen aus.

»Es ist lange her, mein Freund. Hast du meinen Sohn mitgebracht?«, erkundigte sich Crassus.

»Du hast mich darum gebeten, ja. Soll ich ihn holen lassen?« Julius sah, dass Crassus einen Augenblick mit sich kämpfte, bevor er antwortete.

»Nein. Erst wenn wir miteinander gesprochen haben«, sagte er widerstrebend. »Auf dem Tisch steht etwas zu essen, drüben am Feuer gibt es heißen Wein. Setz dich hin und wärme dich auf.«

Mit leisem Schuldgefühl dachte Julius an seine Männer, die draußen in der Nacht froren. Crassus hatte für ihre Zusammenkunft um Ungestörtheit gebeten, trotzdem mussten die Soldaten noch vor dem Morgen Unterkunft und Verpflegung finden. Er fragte sich, wie viel Mann sich in diesem weitläufigen Haus unterbringen ließen, oder ob sie letztendlich in den Ställen übernachten würden.

»Seid ihr schon lange in der Stadt?«, fragte Julius. Beide Männer schüttelten die Köpfe.

»Erst ein paar Tage«, antwortete Crassus. »Wenn ich noch länger hätte warten müssen, hätte ich nach Rom zurückkehren müssen. Ich bin froh, dass du gekommen bist.«

»Was hätte ich nach deiner geheimnisvollen Nachricht anderes tun können? Kennwörter und Nachtmärsche quer durch den Norden. Alles sehr aufregend.« Julius lächelte die beiden Älteren an. »Nein, ehrlich, ich freue mich, dass ich den Winter hier statt in Gallien verbringen darf. Ihr habt keine Vorstellung davon, wie grässlich die dunklen Monate dort sind.«

Die beiden ehemaligen Konsuln wechselten einen Blick, und Julius sah, dass von der ehemaligen Spannung zwischen den beiden nicht mehr viel übrig war. Geduldig wartete er darauf, dass sie den Grund für ihre Zusammenkunft ansprachen, obwohl jetzt, da er tatsächlich bei ihnen war, keiner der Männer zu wissen schien, wie er anfangen sollte. Julius machte sich derweil über ein Stück kaltes Lamm her.

»Erinnerst du dich noch an unsere Abmachung?«, fragte Pompeius schließlich.

Julius nickte. »Natürlich. Ihr habt euch beide ebenso daran gehalten wie ich.«

Pompeius grunzte zustimmend. »Aber die Zeit ist vorangeschritten. Wir müssen die Bedingungen neu überdenken.«

»Das dachte ich mir schon«, erwiderte Julius. »Es gibt jetzt neue Konsuln, und ihr fragt euch, ob ich euch immer noch genug Profit einbringe. Sagt mir, was ihr braucht.«

Crassus lachte trocken auf.

»Immer gleich so direkt, Julius. Aber schön. Der Senat hat sich in den Jahren, seit du nicht mehr da bist, sehr verändert.«

»Das weiß ich«, antwortete Julius, und Crassus lächelte.

»Ja, ich bin sicher, dass du deine eigenen Quellen hast. Es heißt, man will dich aus Gallien zurückrufen, weißt du das auch? Deine Angriffe auf der anderen Seite des Rheins haben dir bei den Senatoren nicht viele Freunde gemacht. Die germanischen Stämme waren nie Teil deines Auftrags, und Pompeius ist ziemlich unter Druck geraten, als er für dich eingetreten ist.«

Julius zuckte die Achseln. »Dafür danke ich dir. Ich hielt es für notwendig, die Grenze am Rhein zu halten.«

Pompeius neigte sich auf seinem Stuhl nach vorn und wärmte sich die Hände am Feuer.

»Du weißt, wie launisch sie sind, Julius. Im einen Jahr jubeln sie dir zu, im nächsten verlangen sie deinen Kopf. So ist es schon immer gewesen.«

»Schaffst du es, meine Abberufung zu verhindern?«, fragte Julius, der absolut reglos dasaß. Von der Antwort hing viel ab.

»Deshalb sind wir hier, Julius«, erwiderte Pompeius. »Du willst deine Zeit in Gallien verlängern. Dafür kann ich sorgen.«

»Als ich damals aufgebrochen bin, war keine Rede von irgendwelchen zeitlichen Begrenzungen«, rief ihm Julius in Erinnerung.

Pompeius runzelte die Stirn. »Aber inzwischen hat sich die Situation verändert. Du bist nicht mehr Konsul, und keiner von uns kann in den kommenden Jahren wieder zur Wahl antreten. Es gibt zu viele neue Männer im Senat, die dich lediglich als Feldherrn kennen, der sich in unvorstellbar weit entfernten Ländern herumtreibt. Sie versuchen, deinen Berichten ein Ende zu machen, Julius.«

Julius sah ihn ruhig an, sagte aber nichts.

Pompeius schnaubte. »Du hast den Norden ungeschützt gelassen, als du die Legionen aus Ariminum mitgenommen hast. Das hat dich sehr viele Sympathien gekostet, und selbst jetzt haben wir die alte Stärke noch nicht ganz wiederhergestellt. Deine Schuldner verfolgen dich im Senat. Es wird sogar davon geredet, dich für den Mord an Ariovist vor Gericht zu stellen. Das alles würde erfordern, dass du dein Kommando aufgibst und nach Hause zurückkehrst.«