»Mir«, sagte Crassus. »Der frühere Besitzer ist in Schwierigkeiten geraten, und ich konnte es zu einem hervorragenden Preis erwerben.«
Julius wusste, dass der Besitzer einer derjenigen gewesen sein musste, die unter dem Handelsmonopol zu leiden gehabt hatten, das Crassus’ Teil ihrer ursprünglichen Abmachung gewesen war. Interessanterweise hatte der alte Mann das Abkommen nicht verlängern lassen; andererseits bot ihm die Provinz, die Pompeius ihm angeboten hatte, mehr als genug Beschäftigung. Julius hoffte, dass Crassus klug genug war, seinen Sohn die Entscheidungen treffen zu lassen. Obwohl er den alten Senator mochte, war der Mann alles andere als ein Heerführer, wohingegen sein Sohn durchaus das Zeug dazu hatte.
»Hier hinein, Julius«, sagte Crassus und übergab ihm die Lampe.
Julius bemerkte eine kindliche Freude in Crassus faltigen Zügen, die ihn verblüffte. Er öffnete die Tür und schloss sie dann wieder gegen die hinter ihm liegende Dunkelheit.
Servilia hatte noch nie schöner ausgesehen. Julius erstarrte, als er sie erblickte, dann suchte er fahrig nach etwas, woran er die Lampe aufhängen konnte, eine einfache Handlung, die ihm mit einem Mal sehr schwierig erschien.
Das Zimmer wurde von dem Feuer in einem Ofen erwärmt, der groß genug war, dass man darin hätte stehen können. Bis hierher drang der heulende Winter nicht vor, und Julius nahm ihre Züge in sich auf, während sie ihn ansah, ohne etwas zu sagen. Sie lag auf einem langen Sofa, angetan mit einem Kleid aus dunkelrotem Stoff, das auf ihrer Haut wie Blut wirkte. Er wusste nicht, was er sagen sollte, und schaute sie lange nur schweigend an.
»Komm her«, sagte sie und streckte die Arme nach ihm aus. Silberne Armreifen klimperten bei jeder Bewegung. Er ging auf sie zu, und als er ihre Hände berührte, sank er auch schon in ihre Umarmung, und sie küssten sich. Es bedurfte keiner Worte.
Pompeius bereute es, die Wärme des Hauses gegen die winterliche Straße eingetauscht zu haben, aber die Neugier, die an ihm nagte, ließ ihn nicht los. Als die Kisten mit dem Gold angehoben und ins Haus getragen wurden, ging er an der Reihe schweigender Soldaten entlang und verfiel ganz natürlich in seine Rolle als römischer Würdenträger. Sie hatten bei seinem Eintreffen Haltung angenommen und salutiert, und seine Inspektion wurde nun als ganz natürlich hingenommen, beinahe erwartet.
In Wahrheit fühlte Pompeius durchaus eine Verantwortung für die Zehnte. Auf seinen Befehl hin war die Primigenia mit einer Legion verschmolzen worden, die in der Schlacht Schande über sich gebracht hatte, und wenn er Julius’ Berichte im Senat verlesen hatte, hatte er stets einen gewissen Besitzerstolz verspürt. Die Zehnte war zu der Legion geworden, der Julius am meisten vertraute, und es war nicht verwunderlich, dass viele ihrer Männer unter den Mannschaften waren, die Julius für diese Zusammenkunft auserwählt hatte.
Pompeius sprach den einen oder anderen an, und sie gaben ihm nervös Antwort, wobei sie stets geradeaus blickten. Einer oder zwei zitterten, aber sie bissen die Zähne zusammen, wenn er vorbeikam; sie wollten keine Schwäche zeigen.
Pompeius blieb vor dem Zenturio stehen und beglückwünschte ihn zu der Disziplin seiner Männer.
»Wie heißt du?«, fragte er, obwohl er es wusste.
»Regulus, Herr«, antwortete der Mann.
»Ich hatte das Vergnügen, den Senat darüber zu unterrichten, wie gut sich die Zehnte in Gallien geschlagen hat. War es schwer?« »Nein, Herr«, antwortete Regulus.
»Ich habe mir sagen lassen, für einen Legionär im Krieg sei das Warten immer am schlimmsten«, bemerkte Pompeius.
»Es ist nicht so schlimm, Herr«, sagte Regulus.
»Freut mich zu hören, Regulus. Soweit ich gehört habe, hat man euch keine Zeit gelassen, eure Schwerter Rost ansetzen zu lassen. Zweifellos warten noch mehr Schlachten auf euch.«
»Wir sind immer bereit, Herr«, sagte Regulus, und Pompeius ging weiter, um ein Stück entfernt mit einem anderen Soldaten zu sprechen.
Crassus kehrte in die Wärme der Stube zurück. Sein Sohn wartete dort auf ihn, und der alte Senator ging strahlend auf ihn zu.
»Ich bin so stolz auf dich, mein Junge. Julius hat deinen Namen in seinen Berichten an den Senat zweimal lobend erwähnt«, sagte Crassus. »Du hast dich in Gallien hervorragend bewährt, ich hätte es mir nicht besser wünschen können. Bist du nun bereit, eine Legion für deinen Vater anzuführen?«
»Das bin ich, Herr«, antwortete Publius.
34
Julius erwachte lange vor Tagesanbruch und lag in der wohligen Wärme da, die von Servilia neben ihm ausging. Er hatte sie in der Nacht nur einmal verlassen, um Crassus zu bitten, seine Männer aus der Kälte hereinzuholen. Während Crassus Zimmer für die Zenturie öffnete und sie mit Essen und Decken versorgen ließ, hatte Julius wieder leise die Tür hinter sich geschlossen und die Welt draußen vergessen.
Jetzt, in der Dunkelheit, hörte er das Schnarchen der Soldaten, die jedes Fleckchen im Haus belegt hatten. Zweifellos war man in der Küche bereits dabei, das Frühstück für sie zuzubereiten, und Julius wusste, dass auch er aufstehen und sich Gedanken über den neuen Tag machen sollte. Doch es lag eine köstliche Trägheit in diesem warmen Dunkel; er streckte sich und spürte Servilias kühle Haut an seinem Arm. Sie bewegte sich und murmelte etwas, das er nicht verstand, aber es reichte, dass er sich auf einen Ellbogen aufstützte und ihr Gesicht betrachtete.
Manche Frauen sahen im hellen Sonnenlicht am besten aus, Servilia hingegen war am Abend oder im Mondlicht am schönsten. Ihr Gesicht hatte nichts mehr von der scharfen Härte, die er damals darin gesehen hatte. Die ätzende Verachtung, die sie ihm damals, als er bei ihrer letzten Begegnung in ihr Haus marschiert war, entgegengebracht hatte, stand noch immer vor seinem geistigen Auge. Es war ihm ein Rätsel, wie er derart offenkundigen Hass hatte hervorrufen können und sie jetzt trotzdem in seinem Bett lag und sich rekelte wie eine träumende Katze. Vielleicht hätte er sich nach dieser ersten Umarmung im Feuerschein zurückhalten können, aber ihre Augen waren von einem so eigenartigen Kummer erfüllt gewesen, und er hatte noch nie den Tränen einer schönen Frau widerstehen können. Sie rührten ihn, wie es kein Lächeln und keine Koketterie je vermochten.
Er gähnte leise. Sein Kiefergelenk knackte. Könnte das Leben doch nur so einfach sein, wie er es sich wünschte! Wenn er sich einfach anziehen und gehen könnte, mit einem letzten Blick auf ihre schlafende Gestalt, dann nähme er eine perfekte Erinnerung an die Frau, die er schon so lange liebte, mit sich. Es würde genügen, um zumindest einen Teil des Schmerzes, den sie ihm zugefügt hatte, auszulöschen. Er sah sie im Schlaf lächeln, und unwillkürlich entspannten sich auch seine Züge. Er fragte sich, ob sie von ihm träumte und dachte an die ungemein erotischen Bilder, die während der ersten Monate in Gallien seine Träume heimgesucht hatten. Er beugte sich näher an ihr Ohr und hauchte seinen Namen hinein, wieder und immer wieder, und musste dabei grinsen. Vielleicht konnte er sie dazu bringen, von ihm zu träumen.
Er erstarrte, als sie eine Hand hob, um sich das Ohr zu reiben, ohne zu erwachen. Die Bewegung ließ das weiche Leinentuch verrutschen und entblößte ihre linke Brust; Julius fand das Bild rührend und erregend zugleich. Obwohl das Alter nicht spurlos an ihr vorüber gegangen war, war ihre Brust blass und vollkommen. Julius sah fasziniert zu, wie die entblößte Brustwarze steifer und dunkler wurde, und er überlegte kurz, ob er Servilia wecken sollte, indem er seine warmen Lippen darum legte.
Er ließ sich zurücksinken und seufzte. Wenn sie erwachte, würde die ganze Welt wieder auf sie einstürzen. Obwohl Crassus ein Geheimnis für sich behalten konnte, musste Brutus davon in Kenntnis gesetzt werden, dass seine Mutter hier im Norden war. Julius’ Miene verfinsterte sich, als er daran dachte, wie sein Freund reagieren würde, wenn er erfuhr, dass Servilia wieder sein Bett teilte. Er hatte Brutus’ Erleichterung sehr wohl bemerkt, als diese Beziehung mit der doppelten Ohrfeige in Rom ein Ende gefunden hatte. Dass sie jetzt wieder aufflammte, könnte ihm womöglich sehr zu schaffen machen. Nachdenklich verschränkte Julius die Hände hinter dem Kopf.