»Ich traue mich nicht, diese Axt herauszuziehen, bevor ich nicht weiß, wie tief sie drinsteckt«, sagte Tabbic. »Leg den Arm um meine Schulter, mein Junge. Ich nehme dein Schwert.«
Brutus nickte und schluckte zähen Speichel herunter.
»Nicht stehen bleiben«, sagte er schwach und setzte sich wankend mit ihnen in Bewegung. Einer der jungen Männer stützte seinen anderen Arm, und gemeinsam gingen sie unter dem Schatten des Tores hindurch. Es war nicht besetzt. Als sich das Pflaster unter ihren Füßen veränderte, begann leichter Schnee auf die schweigende Gruppe zu fallen, und der Geruch nach Rauch und Blut wurde vom Wind weggeweht.
Clodius atmete in der eisigen Luft tief durch und wunderte sich
über den Anblick des Forums rings um ihn. Er hatte alles gegeben, um Milos Leute mit einem letzten Versuch niederzuringen; die Kämpfe hatten mitten durch die Stadt getobt und sich schließlich sogar bis auf das Forum ausgedehnt.
Dort waren im Schneetreiben jetzt mehr als dreitausend Mann in Gruppen und Paaren damit beschäftigt, sich gegenseitig umzubringen. Es gab weder eine Taktik noch irgendwelche Manöver, und jeder Mann kämpfte in ständiger Angst vor denjenigen rings um sich herum, einer wogenden Masse, bei der sich Freund und Feind fast nicht auseinander halten ließen. Wenn einer von Clodius’ Männern triumphierte, konnte er im nächsten Augenblick von hinten erdolcht werden oder von einem anderen die Kehle aufgeschlitzt bekommen.
Der Schnee fiel dichter. Clodius sah den blutigen Matsch zu Füßen seiner Leibwache, als Milos Gladiatoren versuchten, an ihn heranzukommen. Dann wurde er gegen die Stufen eines Tempels zurückgedrängt. Er überlegte, ob er sich hineinflüchten sollte, wusste aber, dass er auch dort keinen Schutz vor seinen Feinden finden würde.
Gewannen seine Leute die Oberhand? Es war unmöglich zu erkennen. Alles hatte recht gut angefangen, nachdem Pompeius’ Legion in den Osten der Stadt gelockt worden war, um einen angeblichen Aufstand niederzuschlagen und eine Reihe von Bränden zu löschen. Milos Männer waren in der ganzen Stadt verteilt, und Clodius hatte sein Haus überfallen, seine Tore niedergerissen. Milo war nicht daheim gewesen, und der Angriff war zusammengebrochen, als Clodius nach ihm suchte, verzweifelt bemüht, die Pattsituation aufzulösen, die mit dem Tod des einen oder anderen Kontrahenten enden musste.
Er konnte nicht genau sagen, wann ihr stummer Krieg zu einem offenen Konflikt ausgebrochen war. Jede Nacht hatte sie einander näher gebracht, bis er auf einmal auf dem Forum um sein Leben kämpfte, während Schnee um ihn herum wirbelte und das Senatsgebäude auf sie alle herabschaute.
Clodius wandte den Kopf, als noch mehr Männer aus einer Seitenstraße herbeigerannt kamen. Erleichtert stellte er fest, dass es seine Leute waren, angeführt von seinen ausgewählten Offizieren.
Wie Milos Gladiatoren trugen auch sie Brustpanzer und bahnten sich einen Weg durch die kämpfenden Männer zu ihm.
Clodius wirbelte herum und sah drei Gestalten mit ausgestreckten Klingen auf ihn zuspringen. Den Ersten streckte er mit einem gewaltigen Schwerthieb nieder, doch der zweite bohrte seinen Dolch in seine Brust und ließ ihn vor Schreck und Schmerz laut aufstöhnen. Er spürte jeden Zentimeter des Metalls, kälter als der Schnee, der sich so leicht auf seine Haut legte. Clodius sah, wie der Mann von ihm heruntergezerrt wurde, doch jetzt wühlte sich der dritte Angreifer durch, und Clodius brüllte vor Schmerz auf, als dessen Messer wieder und wieder in sein Fleisch eindrang.
Er sank in die Knie, seine unbändige Kraft verließ ihn, und immer noch stach der Mann auf ihn ein, während Clodius’ Freunde vor Zorn und Kummer in Raserei gerieten. Endlich erreichten sie seinen Angreifer, doch als sie ihn wegrissen, sank Clodius sanft in den blutigen Schnee. Im Sterben konnte er die Stufen des Senatsgebäudes sehen, und in der Ferne hörte er die Hörner der Legion des Pompeius.
Milo focht ein erbittertes Rückzugsgefecht, als die Legion mit voller Wucht auf das offene Forum gestürmt kam. Diejenigen, die zu langsam oder noch in ihre Zweikämpfe verwickelt waren, wurden von der Kampfmaschine niedergemäht, und Milo brüllte seinen Männern zu, das Weite zu suchen, ehe sie restlos aufgerieben wurden. Eben noch hatte er voller Begeisterung geschrien, als Clodius zu Boden ging, doch nun musste er selbst einen sicheren Ort finden, wo er seine Streitkräfte neu formieren und weitere Schritte überdenken konnte. Wenn er nur den Angriff der Legion überlebte, würde ihm in Zukunft nichts mehr im Wege stehen. Er rutschte immer wieder im Schnee aus, als er mit den anderen davonrannte, die zu Hunderten flohen wie Ratten vor der Sense.
Viele von Clodius’ Männern wurden eingeholt, bevor sie sich davonmachen konnten, und auch sie waren zu panischer Flucht gezwungen, als die Legionäre alles niedermachten, was sich vor ihnen regte. Das Forum leerte sich in alle Richtungen, die Zugangsstraßen füllten sich mit flüchtenden Banden, die sich angesichts einer größeren Gefahr nicht mehr als Feinde ansahen. Die Verwundeten schleppten sich schreiend davon, doch diejenigen, die zu Boden gingen, wurden in Stücke gehauen, als die Reihen der Legionäre über sie hinwegrollten.
Nach kurzer Zeit war das weite Forum menschenleer, nur noch die reglosen, schlaffen Gestalten der Toten waren übrig, und auch die wurden bereits von einer dünnen Schneedecke verhüllt. Der Wind heulte zwischen den Tempeln. Die Offiziere der Legion berieten sich und riefen ihren Einheiten knappe Befehle zu. Kohorten wurden auf ihre Posten in der ganzen Stadt geschickt, und inzwischen trafen weitere Berichte ein, die besagten, dass die Unruhen im Tal des Esquilin ausgebrochen seien. Dort hielt sich Pompeius in voller Rüstung auf. Er hatte 1000 Mann zur Sicherung des Stadtzentrums zurückgelassen und drei Kohorten durch die Straßen nach Norden geführt, um die Ausgangssperre durchzusetzen.
»Macht die Straßen frei«, befahl er. »Schafft sie alle wieder in ihre Häuser, bis wir die Banden im Griff haben.« Hinter ihm erleuchteten neue Feuersbrünste den grauen Himmel, und der Schnee fiel noch immer.
In jener Nacht geriet die Stadt völlig aus den Fugen. Clodius’ Leiche war in den Tempel der Minerva gebracht worden, und Tausende von Menschen stürmten das Gebäude, rasend vor Trauer und Zorn über den Tod ihres Herrn. Die Legionäre wurden in Stücke gerissen, Brände brachen in der gesamten Stadt aus, als diejenigen, die Clodius gefolgt waren, Jagd auf Milo und seine Anhänger machten. Wütende Schlachten wurden in den Straßen gegen Pompeius’ Männer ausgetragen, und zweimal waren die Legionäre gezwungen, sich zurückzuziehen, als sie von allen Seiten angegriffen wurden und sich im Gewirr der Gassen verliefen. Einige wurden in Gebäuden eingeschlossen und verbrannten darin. Andere wurden von riesigen Pöbelhaufen aufgegriffen und überwältigt. Die Legionäre waren es nicht gewohnt, in der Stadt zu kämpfen. Clodius’ Anführer lockten sie an, indem sie Frauen kreischen ließen, und fielen dann über sie her, stachen mit ihren Messern wie von Sinnen um sich, bis die Soldaten tot waren oder ihr Heil in der Flucht suchen mussten.
Pompeius selbst wurde von einer gewaltigen Menge bewaffneter Männer zum Senatsgebäude zurückgedrängt. Erst bei einem dritten Schildangriff konnte er ihren Widerstand brechen, aber es kamen immer mehr. Er hatte den Eindruck, jeder Einzelne in Rom habe sich bewaffnet und sei auf der Straße, denn die Massen waren schlicht überwältigend. Er beschloss, sich auf die Stufen des Senats zurückzuziehen und das Gebäude zu nutzen, um seine verbliebenen Kräfte zu koordinieren, doch als er sich auf die freie Fläche des Forums begab, fiel ihm angesichts der Tausenden von Fackeln, die rings um das Gebäude loderten, vor Entsetzen der Unterkiefer herab.