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Sie hatten die bronzenen Tore aufgebrochen und trugen Clodius über ihre Köpfe hinein in die noch schwärzere Dunkelheit des Hauses. Pompeius sah, wie der blutige Leichnam des Senators hin und her schwankte, als sie ihn die Stufen hinaufhievten.

Das Forum brodelte von johlenden und brüllenden Bewaffneten. Pompeius zögerte. In seinem ganzen Leben war er noch niemals vor etwas davongelaufen, und was er da mit ansehen musste, war das Ende all dessen, was er an Rom liebte, doch er wusste, dass seine Männer vernichtet werden würden, wenn er sie auf das Forum führte. Die halbe Stadt schien dort versammelt zu sein.

Dann sah er aus dem Inneren des dunklen Senatsgebäudes Flammen auflodern. Jubelnde Männer kamen auf die schneebedeckten Stufen heraus und schwenkten triumphierend ihre Schwerter in der Luft. Grauer Rauch quoll aus dem Eingang, und Pompeius spürte Tränen auf dem Gesicht, warme Tränen auf der kalten Haut.

»Mein Theater. Formiert euch vor meinem Theater neu«, rief er seinen wartenden Männern zu.

Sich wichen vor der wogenden Menge rings um die Curia zurück, und Pompeius wandte sich von den Flammen ab, die durch das Dach züngelten und deren Knacken und Knistern den Marmor bersten ließen und über das gesamte Forum hallten. Der Anblick der ausgelassenen Gestalten vor den Flammen verursachte ihm größere Schmerzen, als er es sich jemals hätte vorstellen können. Nur die Dunkelheit verbarg seine Männer, und er verspürte eine hilflose Wut bei dem Gedanken, sich aus dem Herzen seiner Stadt zurückziehen zu müssen. Erst der neue Tag würde alldem ein Ende bereiten, das wusste er. Die Raptores hatten die Herrschaft des Gesetzes gestürzt und waren trunken von ihrer neuen Macht. Aber wenn der Morgen heraufzog, würden sie benommen und erschöpft sein, angewidert von dem, was sie angerichtet hatten. Dann würde er die Ordnung wiederherstellen, und er würde sie mit Eisen und Blut schreiben.

Das schwache Licht des Morgens strömte durch die hohen Fenster von Pompeius’ Theater herein und fiel auf die dicht gedrängten Reihen derer, die er aus der ganzen Stadt hier zusammengerufen hatte. Er hatte Zenturien seiner Legion ausgesandt, um nicht nur die Senatoren selbst, sondern auch die Tribunen, den Magistrat, die Ädilen, Quästoren, Prätoren und jeden anderen ranghohen Beamten Roms herbeizuholen. Mehr als tausend Männer saßen auf den weiten Bankreihen rings um die Bühne in der Mitte und blickten auf Pompeius herab; ihre Züge waren vor Angst und Erschöpfung zu grimmigen Masken erstarrt. Mehrere Gesichter fehlten nach den Aufständen in ihren Reihen, und nicht einer der Anwesenden unterschätzte den Ernst der Lage.

Pompeius räusperte sich und rieb kurz die Gänsehaut auf seinen nackten Armen. Das Theater war nicht beheizt, und er konnte sehen, wie der Atem seiner schweigend lauschenden Zuhörer in kleinen Wölkchen aufstieg.

»So nahe wie gestern Nacht ist Rom seinem Ende noch nie gewesen«, fing er an.

Sie saßen starr wie Statuen und hörten ihm zu. Pompeius sah Entschlossenheit in ihren Augen. All die lächerlichen Rivalitäten waren angesichts der Vorfälle der vergangenen Nacht vergessen, und er wusste, dass sie ihm alles zugestehen würden, wenn er nur den Frieden in der Stadt wiederherstellte, ehe sich abermals die Nacht über sie senkte.

»Ihr habt alle vernommen, dass Clodius bei den Kämpfen umgekommen ist und seine Leiche in der Curia verbrannt wurde. Die Curia selbst ist niedergebrannt worden. Große Teile der Stadt sind ebenfalls vom Feuer verhehrt worden, in jeder Straße, in jeder Gosse liegen Leichen. Chaos herrscht in der Stadt, ganze Viertel sind ohne Lebensmittel und Wasser. Bis heute Abend dürfte ein Großteil der Menschen hungrig sein, und dann fängt die Gewalt wieder von vorn an.«

Er machte eine Pause, doch die Stille war vollkommen.

»Meine Soldaten haben Senator Milo bei Tagesanbruch gefangen genommen, als er versucht hat, aus der Stadt zu fliehen. Ich habe vor, das Tageslicht zu nutzen, um den Rest seiner Befehlshaber aufzuspüren, aber Gerichtsprozesse würden ihren Anhängern lediglich Zeit verschaffen, sich neu zu formieren und wieder zu bewaffnen. Ich habe nicht vor, ihnen eine zweite Chance zu geben, meine Herren.« Er holte tief Luft. »Ich habe euch hierher bestellt, damit ihr mir die Vollmachten eines Diktators gewährt. Wenn ich an unsere Gesetze gebunden bleibe, kann ich heute Nacht nicht für den Frieden in unserer Stadt garantieren – oder in irgendeiner anderen Nacht. Ich bitte euch darum, aufzustehen und meine Ernennung zu bestätigen.«

Fast wie ein Mann erhoben sich die 1000 Mitglieder der herrschenden Klasse. Einige standen schneller auf als andere, aber am Ende nickte Pompeius mit grimmiger Entschlossenheit und hieß sie mit einem Wink, wieder Platz zu nehmen.

»Ich stehe vor euch als Diktator. Nun verhänge ich das Kriegsrecht über ganz Rom. Eine neue Ausgangssperre wird jeden Abend bei Sonnenuntergang in Kraft treten, und wer danach auf der Straße angetroffen wird, wird augenblicklich hingerichtet. Meine Legion wird die Anführer ausfindig machen, die Folter wird uns die Rädelsführer der Straßenbanden liefern. Ich erkläre dieses Gebäude zum Regierungssitz, bis das Haus des Senats neu errichtet ist. Lebensmittel werden jeden Morgen auf dem Forum sowie an den Nord- und Südtoren der Stadt ausgeteilt, bis der Ausnahmezustand aufgehoben wird.«

Er ließ den Blick über die Reihen der Anwesenden gleiten und lächelte mit schmalen Lippen. Jetzt würde es ein bisschen wehtun.

»Jeder von euch wird einen Zehnten von hunderttausend Sesterze oder wahlweise ein Zehntel seines Vermögens abliefern, je nachdem, welcher Betrag größer ist. Die Schatzkammer des Senats ist geplündert worden, und wir brauchen die nötigen Mittel, um die Stadt wieder auf die Beine zu bringen. Sobald die Truhen wieder gefüllt sind, wird euch alles zurückerstattet, aber bis dahin ist das eine unabdingbare Maßnahme.«

Das erste besorgte Gemurmel war in der hallenden Kammer zu vernehmen, aber die Murrer waren in der Minderheit. Der Rest von ihnen war gezwungen worden, der Zerbrechlichkeit all dessen, wofür sie gekämpft hatten, ins Auge zu sehen, und zauderten nicht, für ihre Sicherheit zu zahlen. Pompeius bedauerte es, dass Crassus nicht anwesend war. Er hätte den alten Mann um eine gewaltige Summe erleichtert. Einen Bittbrief zu schicken hatte nicht die gleiche Wucht, wie das Geld persönlich einzufordern, aber das war nicht zu ändern.

Nach einem kurzen Blick auf seine Notizen fuhr Pompeius fort.

»Ich rufe eine Legion aus Griechenland zurück, aber bis sie die Stadt erreicht hat, brauchen wir jeden Mann, der einen Gladius führen kann. Diejenigen von euch, die Leibwächter in ihren Diensten haben, geben den Schreibern die genaue Anzahl an. Ich muss wissen, mit wie vielen wir rechnen können, falls es abermals zu einem Aufstand kommt. Meine Legion hat vergangene Nacht schwere Verluste erlitten, und diese Männer müssen als Erstes ersetzt werden, wenn wir den Pöbel zermalmen wollen, bevor er wieder zu Kräften kommt. Die Anhänger von Milo und Clodius werde ich ohne Umstände und ohne öffentliche Verkündung hinrichten lassen.

Die heutige Nacht wird die schwerste, meine Herren. Wenn wir sie überstehen, wird die Ordnung nach und nach wiederhergestellt werden. Später werde ich sämtlichen Bürgern auf römischem Land eine Steuer zum Wiederaufbau der Stadt auferlegen.«

Er sah immer noch benommene Angst in vielen Gesichtern vor sich, doch auf anderen leuchtete bei seinen Worten erste Hoffnung auf. Er bat um Wortmeldungen, und viele von ihnen erhoben sich, um sich nach den Einzelheiten der neuen Regierung zu erkundigen. Pompeius versuchte, alle Fragen zu beantworten und wurde dabei selbst immer ruhiger. Schon wich der entsetzte Ausdruck aus ihren Gesichtern und machte der Routine des alten Senats Platz. Es machte ihm Hoffnung für sie alle.

37

Brutus ließ sich auf dem Stumpf der alten Eiche nieder, die er damals mit Tubruk gefällt hatte, und legte den Stock neben sich. In den grünen Wäldern fiel es ihm leicht, sich an das Lächeln des alten Gladiators zu erinnern, als dieser ihn zu Hause willkommen geheißen hatte.