Tabbic hatte an jedem Tag, den er fern von der Stadt hatte verbringen müssen, zu leiden gehabt, und jetzt, da der Tag der Rückkehr endlich gekommen war, brachte er kaum die Geduld auf, sich von allen zu verabschieden. Als Einziger aus der Gruppe war er mehrmals in die Stadt geritten, sobald er gesehen hatte, dass die Mauern wieder von den Legionären des Pompeius bemannt waren. Der Laden hatte die Brände im Viertel heil überstanden. Obwohl er geplündert worden war, hatten die gewaltigen Schmiedeessen, die das Herz des Geschäfts darstellten, keinen Schaden genommen. Tabbic plante im Geiste bereits eine neue Tür und neue Schlösser, um die alte zu ersetzen, die aufgebrochen worden war, und es waren seine Berichte von dem wieder eingekehrten Frieden, die ihrer Zeit auf dem Gut ein Ende gemacht hatten. Pompeius hatte die Anführer der Banden gnadenlos töten lassen, und allmählich war die Stadt, zumindest tagsüber, wieder einigermaßen so wie zuvor. Gerüchte machten die Runde, Crassus hätte dem Senat eine riesige Summe zukommen lassen, und Hunderte von Zimmerleuten waren eifrig damit beschäftigt, die zerstörten Gebäude wieder aufzubauen. Es würde noch eine Weile dauern, bis die Bürger der Stadt wieder an Luxusartikel wie Schmuck dachten, aber dann wollte Tabbic für sie bereit sein. Seine Arbeit würde sein Beitrag zur Erneuerung der Stadt sein, ein kleiner Beitrag nur, aber er bedeutete sehr viel.
Die verstreuten Werkzeuge wieder zusammenzusuchen war der erste Schritt, um die Schrecknisse der Unruhen hinter sich zu lassen.
Brutus hatte sein Bein noch etwas länger schonen wollen, doch Alexandria hatte sich in letzter Zeit ihm gegenüber zunehmend kälter gezeigt. Er glaubte nicht, dass sie erfahren hatte, was im Stall geschehen war, aber ab und zu ertappte er sie dabei, wie sie ihn von der Seite ansah, als fragte sie sich, wer er eigentlich war. Ohne genau zu wissen, weshalb er sich dessen so sicher sein konnte, wusste er, dass sie ihn verlassen würde, wenn er noch länger blieb.
So weit im Süden kam der Frühling zeitig, die Bäume im Wald fingen bereits zu blühen an. Zweifellos wartete Julius im Norden bereits ungeduldig auf ihn, und Brutus gestand sich widerstrebend ein, dass es höchste Zeit war, sich auf den Weg zu machen. Er würde in die raue Gesellschaft seiner Legionäre zurückkehren, doch irgendwie erfüllte ihn die Vorstellung nicht mit derselben Begeisterung wie früher. Brutus rückte den Holzblock zurecht, den er zum Aufsteigen brauchte, sah sich heimlich auf dem Hof um und ergriff die Zügel. Julia war nicht da, aber er spürte Alexandrias Blick, als er nach ihr suchte.
Ein Haussklave öffnete das schwere Tor und schob den Flügel so weit auf, dass der Weg dahinter sichtbar wurde, der hinab zur Hauptstraße und in die Stadt führte.
»Da bist du ja!«, rief Clodia. »Ich dachte schon, du verpasst ihre Abreise.«
Julia kam aus dem Haus und ging von einem zum anderen, um sich zu verabschieden und als Herrin des Hauses ihren Dank entgegenzunehmen. Brutus sah genau hin, als sie ein paar Worte mit Alexandria wechselte, aber beide Frauen lächelten, und er konnte keinerlei Spannung zwischen ihnen feststellen. Als Julia zu ihm kam, entspannte er sich ein wenig und reagierte ganz natürlich, als sie sich vorbeugte, um ihn zum Abschied zu küssen. Er spürte ihre Zunge einen winzigen Augenblick gegen seine Lippen schnellen, was ihn vor Verlegenheit erstarren ließ. Ihr Mund schmeckte nach Honig.
»Komm wieder«, flüsterte sie, als er sich in den Sattel schwang und es nicht wagte, Alexandria anzusehen. Er spürte, wie sich ihre Blicke in seinen Hinterkopf bohrten, und wusste, dass seine Wangen flammend rot waren, während er so tat, als sei nichts geschehen. Das war keine Geschichte, die Julius erfahren sollte, so viel war ihm klar.
Die Kinder riefen im Chor und winkten noch einmal, dann brachen sie zu ihrer Reise in die Stadt auf. Clodia hatte Wegzehrungen für alle eingepackt, in gekochten Paprika eingelegtes Fleisch, und der eine oder andere wühlte bereits mit fettigen Fingern in den säuberlich eingeschlagenen Päckchen. Brutus warf einen letzten Blick auf das Anwesen, das ihm als Kind so vertraut gewesen war, und prägte es sich gut ein. Wenn auch sonst alles in seinem Leben sich bis zur Unkenntlichkeit veränderte, so blieben manche Dinge doch, wie sie waren und schenkten ihm Frieden.
38
Die Fackeln zuckten auf der goldenen Krone der Arverner, als der Priester sie vor den Kriegern hochhielt. In der anderen Hand hielt er einen goldenen Halsreif, der schimmerte, und den er in den Fingern drehte.
Der Priester hatte seinen Körper mit langen Streifen aus Blut und Erde bestrichen, was ihn fast mit den Schatten im Tempel verschmelzen ließ. Seine Brust war nackt, sein Bart mit Lehm zu harten, weißen Stacheln geformt, die zitterten, wenn er sprach.
»Arverner! Der alte König ist tot. Sein Leib wird verbrannt werden, wenngleich sein Name und seine Taten bis ans Ende unserer Jahre auf unseren Lippen fortleben werden. Er war ein Mann, Arverner. Sein Vieh zählt in die Tausende, sein Schwertarm war stark bis zum Ende. Er hat seinen Samen weit gesät, um Söhne in die Welt zu setzen, und seine Weiber raufen sich das Haar und zerfetzen sich die Haut vor Kummer. Wir werden ihn nie wiedersehen.«
Der Priester musterte den Stamm, der sich dicht an dicht in den Tempel drängte. Es war ein bitterer Abend für ihn. 20 Jahre lang war er der Freund und Ratgeber des alten Königs gewesen, hatte mit ihm die Angst vor der Zukunft geteilt, als Alter und Schwäche anfingen, ihm den Atem zu rauben. Wer unter seinen Söhnen besaß die Kraft, den Stamm durch diese schweren Zeiten zu führen? Der jüngste, Brigh, war kaum mehr als ein Knabe, und der älteste war ein prahlerischer Schwätzer, zu schwach, wo ein König stark sein musste. Madoc würde nicht König sein.
Der Priester blickte in die Augen von Cingeto, der dort bei seinen Brüdern auf dem dunklen Marmor stand. Er war Krieger genug, sie zu führen; aber sein hitziges Temperament war bereits heute unter den Arvernern berüchtigt. Noch vor dem Tag seiner Mannwerdung hatte er drei Männer im Zweikampf getötet, und der alte Priester hätte alles für ein paar weitere Jahre gegeben, um zu sehen, was aus Cingeto wurde.
Die Worte mussten gesprochen werden, doch als er Atem holte, spürte der Priester eine Kälte in seinem Herzen.
»Wer von euch wird die Krone aus meiner Hand entgegennehmen? Wer von euch hat das Recht erworben, die Arverner zu führen?«
Die drei Brüder wechselten stumme Blicke, dann lächelte Brigh und schüttelte den Kopf.
»Sie ist nicht für mich«, sagte er und trat einen Schritt zurück. Cingeto und Madoc sahen einander an. Das Schweigen wurde bedrückend.
»Ich bin der älteste Sohn«, sagte Madoc schließlich, und die dunkle Farbe des Zorns zeigte sich auf seinen Wangen.
»Das wohl, aber du bist nicht der Mann, den wir jetzt brauchen«, erwiderte Cingeto leise. »Wer die Krone nimmt, muss sich zum Krieg bereit machen, oder unser Stamm wird in alle Winde zerstreut.«
Madoc grinste hämisch. Er war größer als sein Bruder und baute sich vor ihm auf, um ihn einzuschüchtern.
»Siehst du irgendwelche feindlichen Heere in unserem Land? Zeig mir, wo sie sind! Los, zeig sie mir! « Er spie die Worte seinem Bruder förmlich entgegen, aber Cingeto hatte sie schon mehr als einmal gehört.
»Sie werden kommen. Sie sind nach Norden gezogen, aber sie werden noch früh genug ins Kernland zurückkehren. Ich bin ihrem Anführer begegnet und weiß, dass er uns nicht in Frieden leben lassen wird. Seine Steuereintreiber haben bereits die Senonen ausgeplündert und Tausende als Sklaven verkauft. Sie konnten sie nicht aufhalten, und jetzt weinen ihre Weiber in den Auen. Er muss bekämpft werden, mein Bruder. Und du bist nicht Manns genug dafür.«