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»Das waren nur Senonen, Bruder«, höhnte Madoc. »Die Arverner sind Männer. Wenn sie kommen, um uns zu behelligen, reiten wir sie nieder.«

»Siehst du denn nicht weiter als bis dahin?«, fauchte Cingeto. »Du bist genauso blind wie es die Senonen waren. Ich werde die Arverner zu einer Fackel in der Finsternis machen, um die sich die anderen Stämme scharen können. Ich werde sie gegen diese Römer führen, bis wir sie aus Gallien vertrieben haben. Wir können allein gegen sie nicht mehr Stand halten.«

»Du hast zu viel Angst vor ihnen, um König zu sein, kleiner Bruder«, sagte Madoc und fletschte die Zähne.

Cingeto schlug Madoc mit der Hand über den Mund und zwang ihn, einen Schritt zurückzuweichen.

»Ich werde nicht zusehen, wie mein Volk von dir ins Verderben gestürzt wird. Wenn du mir nicht Platz machst, werde ich die Krone eben fordern!«

Madoc fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und schmeckte Blut. Seine Augen wurden hart.

»Wie du willst, kleiner Bruder. Feuer, und die Götter sehen zu. So soll es sein.«

Beide Männer wandten sich zu dem Priester um. Er nickte.

»Bringt die Eisen. Es soll im Feuer entschieden werden.«

Der Priester flehte die Götter an, dass sie dem richtigen Mann den Mut verliehen, die Arverner durch die dunklen Tage zu führen, die vor ihnen lagen.

Julius führte keuchend sein Pferd über den Gebirgspass. Die Luft hier oben war viel dünner, und obwohl der Frühling in den Tälern bereits Einzug gehalten hatte, schmerzte die Luft auf den Gipfeln immer noch in der Lunge und machte sogar den Gesündesten unter ihnen zu schaffen. Julius sah sich nach Brutus um, der weit hinter der Zenturie der Zehnten humpelte. Er hatte bei der Genesung von seinen Wunden viel von seiner Ausdauer eingebüßt, und manchmal dachte Julius, sie würden ihn irgendwo zurücklassen müssen, damit er später nachkam. Trotzdem folgte er ihnen hartnäckig und schwang sich in den Sattel, sobald der Pfad etwas ebener wurde.

Als er den staubigen Reiter in Ariminum hatte ankommen sehen, war Julius ganz versessen auf die neuesten Nachrichten aus der Stadt gewesen. Die kalte Nüchternheit des Berichts, den er erhielt, verwirrte ihn. Er hätte den Mann, der da ins Haus gehumpelt kam und so unbeteiligt von seinen Erlebnissen berichtete, am liebsten geschüttelt. Beim Zuhören war der alte Zorn wieder in ihm aufgewallt, aber er hatte ihm nicht nachgegeben. Servilia war abgereist, nun lag es an ihm, die Kluft zwischen ihnen beiden zu schließen.

Julius konnte sich an 1000 Gelegenheiten erinnern, bei denen er mit ein paar Worten oder einem Kompliment oder nur einem kurzen Nicken die Männer um ihn herum aufgerichtet hatte. Er empfand nichts als tiefe Traurigkeit, als ihm klar wurde, dass auch sein ältester Freund die gleichen harmlosen Lügen nötig hatte. Es war eine Sache, einem Soldaten auf den Rücken zu klopfen und zu sehen, wie er ein wenig aufrechter dastand. Es war etwas völlig anderes, die Ehrlichkeit seiner ältesten Freundschaft aufzugeben, und bislang hatte Julius seinen Entschluss noch nicht in die Tat umgesetzt. Nach Brutus’ erstem Bericht hatten sie kaum miteinander geredet.

Julius’ Gedanken kehrten zu Regulus zurück, der neben ihm durch den Schnee trottete. Er war einer derjenigen, die den Kern der Legion ausmachten. Einige wurden in den Legionen Roms nur wenig besser als Tiere, aber Männer wie Regulus schienen diesen letzten Rest von Menschlichkeit niemals zu verlieren. Sie konnten einer Frau oder einem Kind gegenüber Güte zeigen, und dann in die Schlacht ziehen und ihr Leben für etwas hingeben, das mehr war als sie selbst. Es gab Senatoren, die sie nur als Mordwerkzeuge betrachteten, nicht als die Menschen, die sie wirklich waren, die tatsächlich begriffen, was Rom eigentlich bedeutete. Die Legionäre machten stets von ihrem Wahlrecht Gebrauch, wenn sie die Gelegenheit dazu hatten. Sie schrieben nach Hause und fluchten und pissten in den Schnee wie jeder andere auch, und Julius verstand, wie sehr Marius sie geliebt hatte.

Solche Männer anzuführen war eine Verantwortung, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen konnte. Sie erwarteten von ihm Verpflegung und Unterkunft, eine Ordnung in ihrem Leben. Ihr Respekt war schwer zu erringen und in einem einzigen Augenblick der Feigheit oder Unentschlossenheit wieder verspielt. Aber er wollte es nicht anders haben.

»Sollen wir rennen, Regulus?«, fragte Julius zwischen zwei rauen Atemzügen.

Der Zenturio lächelte steif. In Ariminum hatten sie sich alle wieder das Rasieren angewöhnt, und Julius sah, dass das Gesicht des Mannes vom Wind gerötet und wund war.

»Es ist besser, wenn wir die Pferde nicht zurücklassen, Herr«, erwiderte Regulus.

Julius schlug ihm auf den Rücken und gönnte sich einen kurzen Blick auf die Berge ringsum. Sie marschierten durch eine Landschaft von tödlicher Schönheit. Das blendende Weiß der hohen Gipfel leuchtete in der Sonne, und hinter ihnen mühte sich Brutus, sie nicht aus den Augen zu verlieren.

Regulus bemerkte, dass Julius den gewundenen Pfad hinabschaute.

»Soll ich zu ihm gehen, Herr? Der General hinkt immer stärker.« »Nun gut. Sag ihm, wir laufen um die Wette nach Gallien. Er weiß schon, was ich damit meine.«

Die langen Eisen wurden in Kohlenbecken erhitzt, bis die Spitzen rot glühten. Madoc und Cingeto hatten die Oberkörper freigemacht und standen jetzt schwitzend auf dem Marmorboden des Tempels. Alle Familien waren gekommen, um zuzusehen, und keiner von ihnen zeigte auch nur einen Hauch von Angst, als der Priester die Eisen immer wieder überprüfte, bis er zufrieden war. Die Haare auf dem Rücken seiner rechten Hand kräuselten sich, als er sie über die Eisenschale hielt.

Schließlich drehte sich der Priester zu den beiden Brüdern um. Ihre Brustkörbe waren blasser als ihre Arme und ihre Gesichter. Madoc war muskelbepackt, ein Bulle, wie sein Vater es einst gewesen war. Cingeto hatte eine gedrungenere Gestalt, aber auch an ihm war kein überflüssiges Fleisch. Der alte Priester richtete sich auf, um zu den schweigenden Familien der Arverner zu sprechen.

»Ein König muss Stärke beweisen, aber er muss auch von großer Entschlossenheit sein. Alle Menschen kennen die Furcht – er aber muss sie besiegen, wenn die Not am größten ist.« Er unterbrach sich einen Augenblick und kostete die Worte des Rituals aus. Sein alter Meister hatte einen langen Stock benutzt, um ein falsches Aufsagen sofort zu korrigieren. Er hatte ihn damals gehasst, inzwischen jedoch benutzte er den gleichen Rohrstock für die Lehrlinge im Tempel. Die Worte waren wichtig.

»Durch das Recht des Blutes haben diese Männer das Urteil des Feuers gewählt. Einer wird die Krone nehmen, der andere wird aus dem Land der Arverner verbannt werden. So will es das Gesetz. Doch der Mann, der uns führen wird, sollte nicht nur ein scharfes Schwert, sondern auch einen scharfen Verstand besitzen. Er sollte ebenso gerissen wie mutig sein. Geben die Götter, dass wir hier und heute einen solchen Mann vor uns haben.«

Während seiner Worte standen die beiden Brüder völlig still und bereiteten sich innerlich auf das vor, was ihnen bevorstand. Der Priester nahm das erste Eisen zur Hand und zog es heraus. Sogar das dunkle Ende, das er gepackt hielt, ließ seine Finger erstarren.

»An den Ältesten geht die Erste«, sagte er, den Blick auf die glühende Spitze gerichtet.

Madoc streckte die Hand aus und nahm das Eisenstück entgegen. Seine Augen loderten vor Bosheit, als er sich zu Cingeto umdrehte.

»Wollen wir herausfinden, auf wem von uns der Segen der Götter ruht?«, flüsterte er.

Cingeto antwortete nicht. Der Schweiß rann ihm aus allen Poren. Madoc brachte das Eisen immer näher an die Brust seines Bruders, bis die blonden Haare zu knistern anfingen und einen kräftigen Geruch von sich gaben. Dann legte er die Spitze auf die Haut des Bruders und drückte sie tief in dessen Fleisch.