Cingeto stieß die angehaltene Luft in einem heftigen Schwall aus. Jeder Muskel seines Körpers versteifte sich vor Schmerz, aber er gab keinen Laut von sich. Madoc drehte das Eisen hin und her, bis die Hitze nachließ, dann spannte sich sein eigenes Gesicht an, als er den Stab zurück ins Feuer legte.
Cingeto sah auf den braunen Striemen hinab, der sich auf seiner Haut abzeichnete. Als er tief Luft holte und sich wieder sammelte, tropfte eine helle Flüssigkeit daraus hervor. Ohne ein Wort griff er nach dem anderen Eisen, und Madocs Atem ging schneller und schneller.
Als das Metall ihn berührte, ächzte Madoc, und wutentbrannt riss er ein anderes aus der Schale. Tadelnd berührte der Priester seine Hand, und er ließ es sinken; sein Mund öffnete sich, und er atmete keuchend.
Die Feuerprobe hatte begonnen.
Gegen Ende des zweiten Tages in den Bergen neigte sich der zerklüftete Pfad plötzlich hinunter nach Gallien. An dieser Stelle machte Julius an einen Stein gelehnt Rast. Als er aufblickte, sah er die Hochebene des Passes über sich liegen und staunte, wie weit sie sie bereits hinter sich gelassen hatten. Sie alle verlangte es nach Essen und Schlaf, und Julius empfand eine eigenartige Klarheit, als hätten Hunger und Wind alle seine Sinne geschärft. Unter ihm erstreckte sich Gallien in einem satteren Grün, als er es jemals für möglich gehalten hätte. Als er aus schierer Freude, an einem solchen Ort am Leben zu sein, kräftig Luft holte, fühlte sich seine Lunge in der Brust riesengroß an.
Brutus kam es vor, als hätte er sich schon sein ganzes Leben lang durch die Berge geschleppt. Sein schwaches Bein pochte jedes Mal, wenn er das Gewicht darauf verlagerte, und hätte er sich nicht an dem Pferd festhalten können, wäre er wohl schon längst gestürzt. Als die Zenturie anhielt, kam er mit Regulus durch die Marschkolonne bis ganz nach vorne gestolpert. Julius hörte einige seiner Männer jubeln und den Ankömmling ermutigen. Er drehte sich um und musste lächeln, als er sah, wie die beiden auf die Rufe reagierten und sich weiterschleppten. Die Kraft der Brüderlichkeit unter seinen Soldaten erfüllte ihn immer wieder mit Stolz. Er sah, wie Brutus und Regulus bei den Aufmunterungen und Anfeuerungen grinsten und gemeinsam lachten, als Regulus eine Antwort murmelte.
Julius wandte sich wieder um. Unter ihm lag Gallien, erstreckte sich bis zum Horizont und sah so trügerisch friedlich aus, fast so, als bedürfe es nur eines Schrittes, um ihn mitten ins das Herz des Landes zu bringen. Er hoffte, dass eines Tages ein Reisender, der über die Pässe kam, auf Städte hinabblicken würde, so groß wie Rom. Hinter dem Land lag das Meer, das ihn rief, und vor seinem inneren Auge sah er bereits die Flotte, die die Zehnte und die Dritte über die Wogen tragen würde. Die Stämme würden ihr Gold als Steuern abgeben, die er wiederum dazu benutzen würde zu erkunden, was sich jenseits der verschwommenen weißen Klippen befand. Er würde Rom bis an den äußersten Rand der Welt tragen, an Orte, die nicht einmal Alexander vor ihm gesehen hatte.
Brutus trat neben ihn, und Julius sah die dunklen Ringe unter seinen Augen. Der Aufstieg hatte seinem Freund sehr zugesetzt, aber die Erschöpfung schien ihm etwas von der Kälte genommen zu haben, die er aus Rom mitgebracht hatte. Als sich ihre Blicke trafen, zeigte Julius auf das Land unter ihnen.
»Hast du jemals etwas so Schönes gesehen?«
Brutus nahm die Wasserflasche von Regulus entgegen und setzte sie an die aufgesprungenen Lippen.
»Laufen wir jetzt um die Wette oder nicht?«, sagte er. »Ich warte nicht auf dich.«
Er wankte den Hang hinunter, und Julius sah ihm voller Zuneigung nach. Regulus zögerte an Julius’ Seite, unsicher, ob er ihm folgen sollte.
»Mach schon, bleib bei ihm«, sagte Julius. »Ich komme gleich nach.«
Im Tempel hing der beißende Geruch von Feuer und verbranntem Fleisch. Beide Männer bluteten, ihre Haut platzte bei jeder Berührung der Eisen an einer anderen Stelle auf. Elfmal schon hatten sie dem Schmerz widerstanden, und jetzt schwankte Cingeto, und seine Zähne hoben sich weiß von der Haut ab, bereit für das zwölfte Mal. Er beobachtete seinen Bruder genau. Die Prüfung forderte den Geist ebenso wie den Körper, und jeder der beiden wusste, dass er nur damit enden konnte, dass einer sich weigerte, den anderen zu berühren. Mit jeder hinzugefügten Brandwunde setzte sich der Verursacher selbst der nächsten aus, und dieses Wissen nagte an ihnen, während ihre Kräfte schwanden.
Madoc zögerte, als er die Finger um das schwarze Eisen legte. Wenn er seinen jüngeren Bruder damit verbrannte, musste er selbst eine weitere Wunde in Kauf nehmen. Er wusste nicht, ob er das konnte, obwohl der Wunsch, Cingeto zu demütigen, immer noch hellwach in ihm brannte.
Die Prüfung war eine grausame Prüfung. Zwischen den Wogen des Schmerzes war der einzige Trost das Wissen, dass der Verursacher gleich dasselbe fühlen würde. Entschlossenheit und Stärke fielen angesichts derartiger Qualen in sich zusammen, und Cingeto spürte neue Hoffnung in sich aufkeimen, als er seinen Bruder zaudern sah. War es seine Grausamkeit, die ihn den Augenblick hinauszögern ließ, oder hatte er endlich den Geschmack an den Eisen verloren?
»Mögen mir die Götter die Kraft für ein weiteres Mal geben«, hörte er Madoc flüstern, und er hätte fast laut aufgeschrien, als die rotglühende Metallspitze wieder aus den Flammen auftauchte. Er sah, wie Madoc sie hob, und schloss die Augen in banger Erwartung. Sein ganzer Körper wollte vor der Berührung zurückweichen, und die Angst, dass er nicht mehr den Willen aufbringen würde, sobald er wieder an der Reihe wäre, war allzeit gegenwärtig. Der Geist entschied über den Sieger der Feuerprüfung, niemals das Fleisch, was Cingeto jetzt auf eine Art und Weise verstand, wie es ihm ohne diese Erfahrung am eigenen Leib niemals möglich gewesen wäre.
Ein Klirren hallte durch den Tempel, und Cingeto riss erstaunt die Augen auf. Madoc hatte das Eisen hingeworfen und stand nun mit vor Schmerz und Erschöpfung verzerrtem Gesicht vor ihm.
»Genug, kleiner Bruder«, sagte Madoc und wäre beinahe gefallen.
Cingeto streckte die Hand aus, um ihn zu stützen, und zuckte zusammen, als der Schmerz seiner eigenen Brandwunden bei der Bewegung aufloderte.
Der Priester lächelte erfreut, als die beiden Männer sich zu ihm umdrehten. Er dachte bereits daran, wie er die Geschichte des Stammes fortführen wollte. Elf Eisen hatten die Prinzen der Arverner widerstanden! Er konnte sich an nicht mehr als neun erinnern, und sogar der große Ailpein hatte nur sieben aushalten müssen, bevor er vor dreihundert Jahren König geworden war. Es war ein gutes Omen, und er spürte, wie schon jetzt einige der düsteren Sorgen von ihm wichen.
»Einer wird König, einer muss weichen«, sagte er laut und wiederholte den Satz vor den versammelten Familien. Er machte einen Schritt auf Cingeto zu, setzte ihm die Krone auf und legte den Reif um die angespannten Sehnen seines Halses.
»Nein«, sagte Cingeto und richtete den Blick auf Madoc. »Ich werde dich nach der heutigen Nacht nicht verlieren, mein Bruder. Willst du bleiben und mit mir gegen sie kämpfen? Ich werde dich brauchen.«
Der Priester sah sie erschrocken an. »Das Gesetz ...«
Cingeto hob die Hand und kämpfte gegen Schmerzen, die ihn zu überwältigen drohten.
»Ich brauche dich, Madoc. Wirst du mir folgen?«
Sein Bruder richtete sich auf und zuckte zusammen, als frisches Blut über seine Brust rann.
»Das werde ich, mein Bruder. Ich folge dir.«
»Dann müssen wir die Stämme zusammenrufen.«
Julia ging zur ersten Stufe des alten Senatsgebäudes und schauderte angesichts des leeren Platzes, der dahinter freigeräumt worden war. Noch immer hing ein leiser Rauchgeruch in der Luft, und man konnte sich gut vorstellen, wie die Unruhen sogar diesen Ort heimgesucht hatten. Doch das neue Gebäude wurde bereits errichtet, das Lärmen der Menge wurde vom Hämmern und Rufen der Arbeiter begleitet.