An diesem Abend traf ein Sommerunwetter auf die Küste. 40 der römischen Galeeren wurden Ruder und Masten ausgerissen, woraufhin sie hilflos auf die Klippen getrieben und dort zerschmettert wurden. Viele andere rissen sich von ihren Ankern und trieben hinaus aufs Meer, wo sie in der Dunkelheit hin und hergeworfen wurden. Ihre schiere Anzahl machte das Ganze zu einer Nacht des Grauens, in der die verzweifelten Besatzungen mit langen Stangen über den Relingen hingen, um die anderen Schiffe abzuwehren, bevor sie sich gegenseitig zermalmten.
Hunderte kamen bei Zusammenstößen um oder ertranken, und als der Wind erst kurz vor Tagesanbruch abflaute, bot die Flotte, die schwer angeschlagen an den Kiesstrand zurückkehrte, ein erbärmliches Bild. Diejenigen, die schon bei der ersten blutigen Landung dabei gewesen waren, stöhnten vor Entsetzen angesichts des dunklen Streifens aus Treibholz und Leichen, der sich am Küstenstreifen dahinzog.
Im ersten Tageslicht bemühten sich die verbliebenen Offiziere, die Ordnung wiederherzustellen. Galeeren wurden aneinander gebunden, und die metallenen Holme der Belagerungsmaschinen fanden Verwendung als Behelfsanker, um sie an Ort und Stelle zu halten. Unmengen von Landungsbooten waren über Bord gerissen worden, aber die restlichen verkehrten den ganzen Morgen über zwischen den Schiffen und tauschten die verbliebenen Vorräte an Süßwasser und Werkzeugen aus. Die dunklen Laderäume dreier Galeeren wurden mit den Verwundeten belegt, deren Schreie man durch den Wind hören konnte.
Als sie gegessen und die römischen Kapitäne ihre Lage besprochen hatten, stimmten einige dafür, sofort nach Gallien zurückzukehren. Diejenigen, die Julius besser kannten, weigerten sich strikt, auch nur ein einziges Ruder ins Wasser zu tauchen, bevor sie keine entsprechenden Befehle erhalten hatten. Angesichts dieses Widerstands wurden Boten an Julius an Land gebracht, und die Flotte wartete ab.
Marcus Antonius empfing die Boten als Erster, als sie ins Landesinnere vordrangen. Die Gewalt des Unwetters hatte sich ein paar Meilen landeinwärts erschöpft, so dass er nicht mehr als einen heftigen Sturm erlebt hatte, obwohl ihn mehr als einmal flackernde Blitze aus dem Schlaf gerissen hatten. Er las die Schadensberichte mit wachsendem Entsetzen, bevor er seine wild durcheinander wirbelnden Gedanken wieder unter Kontrolle bekam. Julius hatte nicht mit einem weiteren Sturm gerechnet, der seine Flotte beschädigte, aber wenn er noch vor Ort gewesen wäre, hätte er denselben Befehl erteilt. Die Galeeren durften nicht für die Dauer des gesamten Feldzugs den Gewalten von Wind und Wetter ausgesetzt bleiben, bis sie allesamt zu Treibholz zerschlagen waren.
Marcus Antonius wollte gerade die Rückfahrt nach Gallien befehlen, als ihn der Gedanke an Julius’ Zorn die Worte zurückhalten ließ.
»Ich habe hier fünftausend Mann«, sagte er, während sich eine Idee formte. »Mit Tauen und Gespannen könnten wir die Galeeren eine nach der anderen hereinbringen und für sie einen Binnenhafen bauen. Ich habe das Unwetter hier kaum gespürt, aber so weit ins Land hinein müssen wir uns gar nicht zurückziehen. Eine halbe Meile, dazu eine Schutzmauer, damit müsste die Flotte geschützt sein – und bereit, wenn Cäsar zurückkehrt.«
Die Boten sahen ihn verständnislos an.
»Herr, wir haben Hunderte von Schiffen. Selbst wenn wir die Rudersklaven als Arbeitskräfte hinzuziehen, würde es Monate dauern, so viele Schiffe zu verlegen.«
Marcus Antonius lächelte verkniffen.
»Die Rudersklaven werden für ihre eigenen Schiffe verantwortlich sein. Wir haben genug Taue und Männer, um es zu schaffen. Ich denke, zwei Wochen müssten reichen, danach können die Stürme wüten, solange sie wollen.«
Der römische Feldherr schob die Seeleute aus seinem Zelt und rief seine Offiziere zusammen. Unwillkürlich fragte er sich, ob schon jemals irgendjemand etwas Derartiges versucht hatte. Er jedenfalls hatte nicht davon gehört, obwohl in jedem Hafen ein oder zwei große Schiffe im Trockendock lagen. Sein Vorhaben konnte doch nicht mehr sein, als eine Vervielfältigung dieser Aufgabe. Mit diesem Gedanken verschwanden seine Zweifel, und er verlor sich alsbald in Berechnungen. Als seine Offiziere zur Lagebesprechung eintrafen, hatte Marcus Antonius bereits eine ganze Reihe Befehle für sie parat.
40
Die Ähnlichkeit mit den Galliern war verblüffend. Die britannischen Stämme aus dem Landesinneren, gegen die Julius seine Legionen in die Schlacht führte, hatten keine blaue Haut, aber sie benutzten ebenfalls einige der uralten Namen, die Julius zum ersten Mal in Gallien gehört hatte. Seine Kundschafter hatten ihm einen Stamm im Westen gemeldet, der sich Belger nannte und womöglich aus dem gleichen Geschlecht stammte wie diejenigen, die er auf der anderen Seite des Meeres besiegt hatte.
Das Land, das die Legionen unter Pfeil- und Speerbeschuss erklommen, war von einem lang gezogenen Halbrund aus Hügeln eingefasst. Die römischen Schilde erwiesen sich als wirksamer Schutz, und die Legionäre schritten unerbittlich voran. Sie hatten im Schweiße ihres Angesichts die schweren Wurfmaschinen die Hügel hinaufgezerrt, aber sie hatten ihren Wert abermals bewiesen, als die Britannier versuchten, das Plateau zu halten und lernten, Respekt vor den großen Ballistae zu haben. Sie hatten der schieren Gewalt der Skorpionbögen nichts entgegenzusetzen; alle ihre Angriffe waren abgewehrt und zerschlagen worden, und die Legionen marschierten auf die nächsten Hügel zu. Julius wusste, dass ihr Vorteil nicht zuletzt in der Geschwindigkeit lag, mit der sie offenes Gelände überquerten, und die unter Cassivellaunus versammelten Stämme zogen sich immer weiter zurück, während eine Stellung nach der anderen eingenommen wurde und die römischen Reihen weiter vorrückten.
Trotz des Widerstands konnte sich Julius des Verdachts nicht erwehren, dass die Stämme sie an einen bestimmten Ort lockten.
Ihm blieb nichts anderes übrig, als das Tempo beizubehalten, immer kurz davor, sie vernichtend zu schlagen. Immer wieder ließ er den zurückweichenden Feind von den Extraordinarii unter Octavian und Brutus blitzartig angreifen. Der Boden, über den die Legionen marschierten, war mit Speeren und Pfeilen übersät, aber nur wenige hatten ein Ziel gefunden, und der Vormarsch kam während der langen Tage kein einziges Mal ins Stocken.
Am zweiten Morgen war ihre Flanke zweimal von Männern angegriffen worden, die das Heer der Britannier zurückgelassen hatten. Die Manipel hatten sie ohne Panik aufgehalten, und die Extraordinarii hatten sie niedergeritten, wie sie es gelernt hatten, indem sie im vollen Galopp durch die verzweifelten Stammeskrieger hindurchgeprescht waren.
Am Abend hatte Julius die Cornicen zum Aufbauen des Lagers blasen lassen, und die Nachschubkolonnen brachten Essen und Wasser für die Männer heran. Die Nächte waren unangenehmer, denn die Stämme brüllten unaufhörlich und machten einen solchen Lärm, dass an Schlaf fast zu nicht denken war. Die Extraordinarii ritten abwechselnd in Gruppen um die Lager, um Angriffe abzuwehren, wobei mehr von ihnen durch Pfeile aus der Dunkelheit fielen als zu jeder anderen Zeit. Trotzdem wurden auch in diesem feindlichen Land die Routinen fortgesetzt. Die Schmiede reparierten Waffen und Schilde, und die Feldschere kümmerten sich so gut es ging um die Verwundeten. Julius war dankbar für diejenigen, die Cabera ausgebildet hatte, obwohl er seinen alten Freund vermisste. Die Krankheit, die ihn nach seiner Heilung des Domitius niedergestreckt hatte, war etwas Schreckliches, ein Dieb, der ihm heimlich nach und nach den Verstand raubte. Cabera war nicht in der Lage gewesen, die zweite Überfahrt mitzumachen, und Julius hoffte nur, dass er lange genug am Leben blieb, um sie alle wieder zurückkehren zu sehen.
Zuerst hatte Julius geglaubt, er könnte die Stämme bis zum Fluss vor sich hertreiben und dort aufreiben, so wie er es vor Jahren mit den Sueben getan hatte, damals am Rhein. Aber der König der Catuvellauni hatte die Brücken in Brand gesetzt, bevor die Legionen sie erreichen konnten, und die Tage dann dazu genutzt, seine Armee mit Kriegern aus den umliegenden Gebieten zu verstärken.