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»Sag, was du zu sagen hast«, forderte Marwen ihn auf.

Die Augen des Königs blitzten, und der gelbe Bart teilte sich, als er grinste. Er sah, wie sich Marwens Finger fester um den Griff seines Gladius’ legten.

»Würdest du deinen König töten?«, fragte Vercingetorix.

Marwen ließ verwirrt die Hand sinken. Er schaute in die ruhigen Augen des Mannes, der ihm mit solchem Mut gegenübergetreten war, und schauderte.

»Nein. Das würde ich nicht«, erwiderte er.

»Dann folge mir«, sagte Vercingetorix.

Marwen blickte nach links und rechts zu den Männern, die er befehligte, und sah sie nicken. Wieder schaute er Vercingetorix an, und ohne den Blick abzuwenden, sank er langsam im Schlamm auf die Knie. Wie in einem Traum spürte er die Hand des Königs auf der Schulter.

»Wie heißt du?«

Marwen zögerte. Die Worte, die seinen Rang und seine Einheit bezeichneten, blieben ihm im Hals stecken.

»Ich bin Marwen Ridderin von den Nerviern«, sagte er schließlich.

»Die Nervier sind auf meiner Seite. Gallien ist auf meiner Seite. Steh auf.«

Marwen erhob sich und merkte, dass seine Hände zitterten. Durch seine wild durcheinander stürzenden Gedanken hörte er, dass Vercingetorix noch etwas sagte.

»Und jetzt verbrenn das Getreide in diesen Karren«, sagte der König.

»Wir haben ein paar Römer bei uns. Wir sind nicht alle aus Gallien«, sagte Marwen plötzlich.

Die hellen Augen des Königs richteten sich auf ihn. »Willst du, dass sie am Leben bleiben?«

Marwens Gesicht wurde hart. »Es wäre richtig«, sagte er und hob trotzig den Kopf.

Vercingetorix lächelte und schlug ihm auf die Schulter. »Dann lass sie ziehen, Nervier. Nimm ihre Schwerter und Schilde und lass sie ziehen.«

Als die gallischen Hilfstruppen hinter ihrem König anmarschiert kamen, hoben die Reiter ihre Schwerter zum Gruß und jubelten laut. Hinter ihnen waren Karren und Wagen voll kostbarem Getreide in prasselnden Flammen verborgen.

Als Julius in der geschützten Bucht von Portius Itius an der Küste Galliens landete, sah er die gewaltigen braunen Rauchsäulen in der Ferne. Sogar die Luft schmeckte nach Kampf, und bei dem Gedanken an eine weitere Rebellion gegen ihn stieg gewaltiger Zorn in ihm auf.

Er hatte bei der Überfahrt keine Zeit verschwendet und war bereits mit Plänen und Befehlen beschäftigt, die ausgeführt werden mussten, ehe der Winter die Berge unpassierbar machte. Die Nachricht von seinem zweiten Angriff gegen die Britannier nach Rom zu bringen würde sich als Wettrennen gegen die Zeit erweisen, aber er brauchte das Wohlwollen, das sie in den Straßen Roms hervorrufen würde. In diesem Jahr, in dem er jede Münze benötigte, um die Stämme unter Vercingetorix zu zerschlagen, konnte er dem Senat keine Abgaben entrichten. Der Name des Königs war auf den Lippen selbst des niedersten Tagelöhners, und Julius konnte sich kaum mehr an den zornigen jungen Mann erinnern, der damals, vor acht Jahren, bei seinem ersten Treffen mit den Häuptlingen aus dem Zelt gestürmt war. Keiner von ihnen war noch so jung wie damals. Cingeto war zu einem König herangewachsen, und Julius wusste, dass er ihn nicht am Leben lassen durfte. Seit jenen Anfängen hatten beide einen langen Weg zurückgelegt, und die Jahre waren von Blut und Krieg erfüllt gewesen.

Als Julius auf den Kai trat, war er bereits in ein Gespräch mit Brutus vertieft, das er nur unterbrach, um Adàn, der neben ihm stand, etwas zu diktieren. Extraordinarii auf schnellen Pferden waren ausgesandt worden, um Bericus zu holen. Sobald er eingetroffen war, würde Julius seinen Rat zusammenrufen und den Feldzug planen. Ein flüchtiger Blick auf den braunen Rauch am Horizont reichte aus, um seinen Entschluss zu festigen. Das hier war sein Land, und er würde nicht nachgeben, selbst wenn jeder Mann in Gallien die Waffen gegen ihn erhob.

Die zurückgekehrten Legionen besetzten den Hafen und errichteten routinemäßig ihre Lager, obwohl in den Reihen eine fast greifbare Anspannung und Erschöpfung herrschte. Auch sie hatten schon seit Jahren unter Julius gekämpft, und nicht wenigen setzte der Gedanke an ein weiteres Kriegsjahr oder sogar noch mehr heftig zu. Selbst die Härtesten unter ihnen fragten sich, wann das alles endlich vorbei sein und man ihnen erlauben würde, den Lohn einzustreichen, den man ihnen versprochen hatte.

Am dritten Tag rief Julius seinen Rat in der Küstenfestung zusammen, die sie gebaut hatten, Teil einer Kette von Festungen, die einmal die Küste Galliens beherrschen würden.

Domitius kam als Erster herein. Er trug die silberne Rüstung, die er damals in Rom gewonnen hatte. Dunkle Stoppeln bedeckten seine Wangen, und sein Panzer hatte viel von seinem ehemaligen Glanz verloren. Insbesondere die Brustplatte war ein ramponiertes Zeugnis der Kriege, die er für Julius ausgetragen hatte. Wortlos ergriff er Julius’ Hand und Unterarm zum Legionärsgruß, bevor er sich setzte.

Marcus Antonius umarmte seinen Feldherrn, als sie sich begegneten. Julius hatte allen Grund, mit ihm zufrieden zu sein, als er die Bücher ihrer Kriegskasse sah. Sie hatten gewaltige Summen an Gold und Silber in Reserve, obwohl es jeden Tag, an dem die Städte und Dörfer Galliens abwarteten, ob der Aufstand erfolgreich verlaufen würde, weniger wurde. Schon war die Lebensmittelversorgung kritisch, und Julius war froh, dass ihm Marcus Antonius einen Teil dieser Last abgenommen hatte. Tausende von Legionären mussten verpflegt werden, bevor sie kämpfen konnten, und bereits jetzt war klar, dass Vercingetorix alles daran setzte, ihren Nachschub zu kappen. Bei den Rauchfahnen handelte es sich ausnahmslos um brennende Gehöfte, und wenn die Extraordinarii zu ihnen hinausgaloppierten, fanden sie sie geplündert und verlassen vor. Julius verspürte eine widerwillige Bewunderung für die Skrupellosigkeit des neuen Königs. Vercingetorix hatte eine Entscheidung getroffen, die auch die Dörfer und Städte derjenigen auslöschen würde, die treu zu den Legionen standen. Tausende seiner eigenen Leute würden ihres Bündnisses wegen sterben, und noch mehr, wenn es den Legionen nicht gelang, den Aufstand rasch niederzuschlagen. Es war ein hoher Preis, aber der Hunger würde die römischen Legionen ebenso sicher vernichten wie Schwerter.

Julius hatte für ihr Zusammentreffen einen Raum mit Blick aufs Meer ausgesucht, und draußen, über den grauen Felsen, kreisten kreischende Vögel. Er begrüßte jeden Ankömmling mit aufrichtiger Freude. Bericus hatte beim ersten Aufeinandertreffen mit Vercingetorix eine Wunde davongetragen, Schulter und Brust waren bandagiert. Obwohl der Heerführer aus Ariminum müde aussah, musste er Julius’ Lächeln unwillkürlich erwidern. Julius wies ihm einen Platz an und drückte ihm einen Becher Wein in die gesunde Hand. Octavian kam mit Brutus und Renius herein, in eine Diskussion über gewisse Taktiken für die Kavallerie vertieft. Alle drei begrüßten Julius, und er musste angesichts ihrer Zuversicht lächeln. Sie schienen seine Zweifel und Sorgen nicht zu teilen, andererseits waren sie es auch gewohnt, dass er da war und sämtliche Entscheidungen für sie traf. Er hatte niemanden.

Als sie einer nach dem anderen eintraten, fühlte sich Julius von ihrer Stimmung erhoben. Die langen Kriegsjahre hatten seine Freunde nicht gebrochen. Wenn sie von der jüngsten Rebellion sprachen, dann mit Zorn und Tatendrang, nicht mit dem Gedanken an eine Niederlage. Ein jeder von ihnen hatte viele Jahre in dieses feindselige Land investiert, und jeder hier war zornig darüber, ihre Zukunft bedroht zu sehen. Obwohl sich alle unterhielten, sahen sie immer wieder zu Julius hinüber, ob dieser zeigte, dass er anfangen wollte. Er war das Herzstück von allem. Wenn er abwesend war, schien es fast so, als hätte man ihnen den reinsten Teil ihres Antriebs und ihrer Energie geraubt. Er band Männer aneinander, die unter anderen Umständen die Gesellschaft des anderen nicht ertragen hätten. Es war ein derart enges Bündnis, dass sie nicht einmal darüber nachdachten, als sie zur Ruhe kamen und er sie anblickte. Er war einfach da, und sie waren ein bisschen lebendiger als zuvor.