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»Es wäre besser gewesen, sie hätten die Sklaven selbst abgewehrt«, murmelte Julius. »Dann könnten sie stolz und aufrecht dastehen, statt sich wie jetzt dabei zu überschlagen, Pompeius die Füße zu küssen. Es ist besser, sein eigenes Essen anzubauen, statt nach Männern wie Pompeius zu schreien, die einen füttern sollen. Es steckt wie eine Krankheit in uns, verstehst du? Wir bringen immer wieder unwürdige Männer an die Macht, damit sie uns regieren.«

Er rang nach Worten. Servilia blieb stehen und drehte sich zu ihm um. An einem so heißen Tag hatte sie eine Stola aus dünnem Leinen gewählt und ihr Haar mit einem silbernen Band zurückgebunden, das ihren Nacken freigab. Jeder Tag, den er mit ihr verbrachte, schien eine neue Facette ihres Wesens zum Vorschein zu bringen. Er verspürte das Verlangen, ihren Nacken zu küssen.

»Er hat die Piraten vernichtet, Julius. Du vor allen anderen solltest dich besonders darüber freuen.«

»Darüber freue ich mich ja auch«, sagte er mit bitterem Unterton, »nur hätte ich diese Aufgabe gerne selbst übernommen. Pompeius träumt nicht, Servilia. Es gibt viele neue Länder, voller Perlen und Gold, aber er ruht sich aus und veranstaltet Spiele für das Volk. Sie hungern auf den Feldern, während er ihnen neue Tempel baut, damit sie für Wohlstand beten können.«

»Würdest du denn mehr tun?«, fragte sie und hakte ihn unter. Ihre Hand lag warm auf seinem Arm, und unter dem plötzlichen Ansturm von Leidenschaft, der ihn selbst überraschte, entschwanden sämtliche Gedanken aus seinem Kopf. Er fragte sich, ob sie es ihm wohl ansah und stammelte eine Antwort.

»Ja, das würde ich. Es gibt genug Gold, um auch die Ärmsten in Rom durchzubringen. Die Möglichkeiten sind da, wir müssen sie nur ergreifen. Nichts auf der ganzen Welt gleicht unserer Stadt. Man sagt, Ägypten sei reicher, aber wir sind immer noch jung genug, um unsere Hände zu füllen. Pompeius schläft, wenn er glaubt, die Grenzen seien mit den paar Legionen, die wir haben, wirklich sicher. Wir müssen mehr Legionen ausheben und sie mit Gold und neuen Ländereien entlohnen.«

Servilia ließ ihre Hand von seinem Arm fallen. Sie spürte einen Schauer des Verlangens, bei dem sich die weichen Härchen auf ihrer Haut aufstellten. In ihm steckte eine solch unbändige Kraft..., wenn sie nicht gerade tief unter Trauer und Verzweiflung begraben lag. Mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Vergnügen sah sie zu, wie sich die dunklen Schatten von seiner Seele hinweghoben. Dieser Mann, der sie nur durch eine einfache Berührung schon dermaßen erregte, war nicht mehr derselbe, der sie am Tor der Festung begrüßt hatte. Sie fragte sich, was dieses Wiedererwachen wohl noch alles auslösen mochte.

Zunächst hatte es sie ein wenig erschreckt, sie sogar mit Angst erfüllt, als sie spürte, wie sehr sie sich nach ihm sehnte. So hätte es nicht sein sollen. Die Männer, die sie liebten, berührten nie mehr als die Haut, nach der es sie verlangte. Selbst wenn sie sich in ihr verströmten, löste das bei ihr kaum mehr als den Hauch einer Reaktion aus. Wenn hingegen dieser eigenartige junge Mann sie mit seinen blauen Augen ansah, war sie abgrundtief verwirrt. So seltsame Augen, mit dieser einen dunklen Pupille, die ihm bei hellem Licht Schmerzen bereitete ... Sie schienen ihre kleinen Tricks und Listen sofort zu durchschauen und drangen durch ihre äußerliche Gewandtheit bis in ihr Innerstes vor.

Sie gingen weiter, und Servilia seufzte leise. Sie benahm sich töricht. Dies war wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, ihr Herz an einen Mann im Alter ihres Sohnes zu hängen. Unbewusst strich sie mit der Hand über ihr hochgebundenes Haar. Sicher, das Alter sah man ihr nicht an, denn sie ölte ihren Körper jeden Abend ein und aß bewusst und gut. Man hatte ihr schon mehrmals gesagt, dass ein Mann sie anstatt der neununddreißig Jahre, die sie zugab, leicht für dreißig halten könnte. Sie war zweiundvierzig, doch besonders in der Stadt, wenn Crassus zu ihr kam, kam sie sich manchmal viel älter vor. Dann und wann fing sie sogar ohne Grund zu weinen an, und die schlechte Stimmung verflog dann ebenso rasch wieder, wie sie gekommen war. Sie wusste genau, dass der junge Mann an ihrer Seite jedes der Mädchen aus der Stadt hätte haben können. Er würde keine Frau wollen, die so viele Male trug, auch wenn sie für andere unsichtbar blieben.

Sie verschränkte die Arme und zerdrückte dabei fast den gewundenen Blütenkranz. Keinen Augenblick zweifelte sie daran, dass sie ein leidenschaftliches Feuer in ihm erwecken konnte, wenn sie es darauf anlegte, denn verglichen mit ihr war er noch jung und unschuldig. Es wäre leicht, und ihr wurde klar, dass ein Teil von ihr danach verlangte. In dem hohen Gras der Wiese hätte sie sich ihm gern hingegeben, seine Hände auf ihrer Haut gespürt. Versonnen schüttelte sie den Kopf. Dummes Mädchen! Hättest ihn niemals küssen dürfen.

Schnell sprach sie weiter, um die lange Gesprächpause zu überspielen. Ob er ihre Verwirrung oder die Röte auf ihren Wangen wohl bemerkt hatte?

»Du hast Rom schon eine Weile nicht mehr gesehen, Julius. Die Armut hat noch zugenommen. Die Sklavenarmee hat fast niemanden zurückgelassen, der auf den Feldern arbeiten könnte, und es gibt jetzt ebenso viele Bettler wie Fliegen. Aber auch wenn ihre Bäuche leer bleiben, so vermittelt ihnen Pompeius wenigstens einen Geschmack von Größe. Aus lauter Angst, der Pöbel könnte sich erheben und sie alle verschlingen, würden es die Senatsmitglieder gar nicht wagen, ihm irgendetwas zu verweigern. Es war ein sehr zerbrechlicher Friede, als ich fortging, und ich bezweifle, dass sich seitdem etwas zum Besseren gewendet hat. Du hast keine Vorstellung davon, wie nahe sie am Rande des vollständigen Chaos stehen. Der Senat lebt in ständiger Angst vor einem weiteren Aufstand, der sich mit den Schlachten gegen Spartakus messen könnte, und jeder, der es sich leisten kann, hat Wachen angeheuert. In den Straßen bringen sich die Armen gegenseitig um, und niemand tut etwas dagegen. Nein, es ist wirklich keine einfache Zeit, Julius.«

»Dann sollte ich vielleicht zurückkehren. Ich habe meine Tochter seit vier Jahren nicht mehr gesehen, und Pompeius schuldet mir noch einiges. Vielleicht ist es ja wirklich an der Zeit, ein paar alte Schulden einzufordern und klar zu machen, dass ich wieder mitspiele.«

Die alte Leidenschaft flammte kurz in seinem Gesicht auf. Servilia schöpfte Hoffnung, denn vor ihrem inneren Auge sah sie ihn wieder in der Verhandlung damals vor sich. Seine flammenden Worte, als er von seinen Feinden Gerechtigkeit einforderte, hatten den Senat völlig verstummen lassen. Doch dann war diese Kraft genauso schnell wieder versiegt, wie sie gekommen war, und er stieß gereizt den Atem durch die halb geöffneten Lippen.

»Bevor das alles passiert ist, hatte ich eine Frau, mit der ich alles teilen konnte. Ich hatte Tubruk, der mir mehr Vater als Freund war, und ich hatte ein Zuhause. Damals habe ich mit ... Zuversicht in die Zukunft geblickt. Jetzt habe ich lediglich neue Schwerter und Minen. Es ist alles so sinnlos. Das alles würde ich geben, wenn Tubruk noch einmal einen Becher Wein mit mir trinken würde, und wenn auch nur für eine einzige Stunde. Oder wenn ich Cornelia nur für einen Augenblick wiedersehen könnte. Wenigstens lange genug, um ihr zu sagen, wie Leid es mir tut, dass ich mein Versprechen ihr gegenüber nicht gehalten habe.«

Bevor er weiterging, rieb er sich mit der Hand über die Augen. Servilia hätte ihm beinahe wieder über das Gesicht gestreichelt, weil sie wusste, dass ihre Berührung ihm gut tat. Es kostete sie beinahe unmenschliche Kraft, der Versuchung zu widerstehen. Die Berührung würde unweigerlich zu mehr führen, und obwohl sie sich ihrerseits danach sehnte, in den Arm genommen zu werden, hatte sie doch die Kraft, das Spiel, das sie so meisterlich beherrschte, weil sie es schon ihr ganzes Leben lang gespielt hatte, dieses eine Mal nicht zu spielen. Eine jüngere Frau hätte sich ihn in diesem Moment, da er so schwach und wehrlos vor ihr stand, sicherlich ohne Scham genommen, doch dazu besaß Servilia zu viel Erfahrung. Es würden noch andere Tage kommen.