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»Noch nicht. Es gibt immer noch viel zu tun, bis wir Rom wiedersehen.«

»Dann leiste ich dir Gesellschaft, wenn es dir recht ist«, sagte Brutus und unterdrückte ein Gähnen.

Julius lächelte ihn an. »Natürlich ist mir das recht. Ich brauche jemanden, der schreibt, während ich diktiere.«

6

Renius stand im ausgetrockneten Flussbett und sah zu der Brücke hinauf. Überall wimmelte es von Römern und Einheimischen, die auf dem hölzernen Skelett herumkletterten. Es schwankte und knarrte, wenn sie über die Bohlen gingen. Vom trocknen Flussbett bis zu den Brückensteinen der Straße waren es zweihundert Fuß. Wenn die Brücke einmal fertig war, würde man den weiter flussaufwärts angelegten Damm wieder einreißen. Das Wasser würde die massiven Sockel der Brückenpfeiler einschließen und die behauenen Eckpfeiler auch dann noch umspülen, wenn die Erbauer der Brücke schon längst zu Staub zerfallen waren. Schon allein im Schatten dieser gewaltigen Konstruktion zu stehen war ein seltsames Gefühl für den alten Gladiator. Wenn das Wasser zurückkehrte, würde nie wieder jemand an dieser Stelle stehen können.

Insgeheim stolz auf diesen Moment, schüttelte er nachdenklich den Kopf und lauschte den Befehlen und Rufen, mit denen die Seilwindenmannschaft einen weiteren Steinquader für den Brückenbogen hochzuhieven begann. Unter der Brücke hörte man das Echo der Männer, und Renius sah, dass sie seinen Stolz und seine Befriedigung teilten. Diese Brücke hier würde niemals einstürzen, darüber waren sich alle einig.

Die Straße dort über ihm ermöglichte von der Küste aus den direkten Zugang zu einem fruchtbaren Tal. Städte würden gebaut werden, und man würde das Straßennetz noch weiter ausbauen, um den Bedürfnissen der neuen Siedler entgegenzukommen. Sie würden wegen des guten Bodens hierher kommen, und weil sich hier Handel treiben ließ, vor allem jedoch wegen des klaren, sauberen Wassers aus dem unterirdischen Aquädukt, das in dreijähriger Bauzeit entstanden war.

Renius sah zu, wie eine Gruppe Männer mit aller Kraft an den dicken Seilen zog, um den Schlussstein des Bogens in die richtige Position zu bringen. Die Flaschenzüge quietschten, und er sah, wie Ciro sich über das Gerüstgeländer beugte, um den Stein heranzuholen und an seinen Platz zu dirigieren. Die Männer neben ihm schmierten braunen Mörtel auf die Oberflächen, und Ciro legte seine Arme darum. Auch er stimmte mit den anderen in den einlullenden Sprechgesang der Gruppe weiter unten am Gerüst ein. Renius hielt den Atem an. Obwohl keiner der Arbeiter es mit der Kraft dieses Riesen aufnehmen konnte, war auch er nicht dagegen gefeit, dass ihm durch eine unbedachte Bewegung unversehens eine Hand oder eine Schulter zerschmettert wurde. Wenn der Steinquader jetzt aus der richtigen Stellung herausschwang, konnte er leicht die Stützen durchschlagen. Dann würde er alle Männer dort oben mit sich in die Tiefe reißen.

Selbst so tief unten hörte Renius Ciro stöhnen, als er den Block vorsichtig an seinen Platz manövrierte. Der nasse Mörtel, der aus den Ritzen hervorquoll, fiel in satten Fladen ins Flussbett herunter. Renius bedeckte die Augen mit der Hand und blinzelte prüfend nach oben, ob gerade ein Mörtelklumpen herunterkam, vor dem er sich wegducken musste, wobei er über das angestrengte Schnaufen über ihm lächelte.

Er mochte den Riesen. Ciro redete zwar nie besonders viel, hielt aber, wenn es darauf ankam, auch nicht mit seiner Meinung hinter dem Berg. Allein für diesen Charakterzug schätzte Renius ihn. Anfangs hatte es ihn selbst verwundert, dass es ihm sogar Spaß machte, Ciro die Dinge beizubringen, die erfahrenere Legionäre als selbstverständlich erachteten. Eine Legion wurde nicht durch ein Tal oder ein Bergmassiv aufgehalten. Jeder Mann auf dem Gerüst wusste ganz genau, dass es auf der ganzen Welt keinen Fluss gab, den sie nicht überbrücken, keine Straße, die sie nicht bauen konnten. Überall dort, wo sie hinkamen, bauten sie Rom.

Das Wasser und die meilenlangen Tunnels, die sie angelegt hatten, um es von den Quellen hoch oben in den Bergen herabzuleiten, hatten Ciro mit Ehrfurcht erfüllt. Jetzt würden die Menschen, die sich hier in diesem Tal ansiedelten, nicht mehr jeden Sommer mit Krankheiten und Seuchen zu kämpfen haben. Ihre Brunnen würden nicht mehr austrocknen oder schal werden, und vielleicht würden sie ja dann an die Männer aus Rom denken, die sie für sie gegraben hatten.

Renius wurde von einem einsamen Reiter in leichter Rüstung, der am Ufer entlangritt und schließlich zu ihm herunter ins Flussbett kam, aus seinen friedlichen Gedanken gerissen. Der Mann schwitzte erbärmlich in der Hitze, und als er unter dem Brückenbogen hindurchritt, zog er unwillkürlich den Kopf ein und sah nach oben. Ein schwerer Hammer, der aus dieser Höhe zu Boden fiel, konnte das Pferd oder den Mann, der darauf saß, leicht töten, doch Renius grinste nur über seine Übervorsicht.

»Hast du eine Nachricht für mich?«, fragte er ihn.

Der Mann brachte sein Tier im Schatten des Brückenbogens zum Stehen und stieg ab.

»Ja, Herr. Der General wünscht deine Anwesenheit in den Unterkünften. Er hat gesagt, du sollst auch einen Legionär namens Ciro mitbringen, Herr.«

»Der letzte Bogen ist fast fertig, mein Junge.«

»Er hat aber gesagt, du sollst dich sofort auf den Weg machen, Herr.«

Renius runzelte die Stirn und blinzelte dann zu Ciro hinauf. Nur ein kompletter Narr würde einem Mann Befehle zurufen, der gerade einen so schweren Steinquader herumwuchtete. Dann sah er, wie Ciro ein Stück zurücktrat und sich mit einem Lappen den Schweiß von der Stirn wischte. Renius holte tief Luft.

»Komm runter, Ciro. Man verlangt nach uns.«

Trotz der Sonne fröstelte Octavian, als eine leichte Brise über seine Haut strich. Die fünfzig Männer, die unter seinem Kommando standen, sprengten in vollem Galopp einen der steilsten Berghänge hinunter, den er je gesehen hatte. Wenn er nicht am Morgen jeden einzelnen Meter des Geländes selbst überprüft hätte, hätte er ein solches halsbrecherisches Tempo nie zugelassen. Aber der Grasboden war einigermaßen eben; keiner der erfahrenen Reiter stürzte. Sie pressten die Schenkel fest an den Sattel, trotzdem drückte der Sattelknauf schmerzhaft im Schritt. Octavian biss die Zähne zusammen.

Brutus hatte den Hügel gemeinsam mit ihm ausgesucht, um die Wucht eines Angriffs zu demonstrieren. Er erwartete sie mit einer ganzen Zenturie der Extraordinarii am Fuße des Berges, und selbst aus dieser Entfernung konnte Octavian sehen, wie die Pferde unten unruhig wurden und instinktiv versuchten, den fünfzig herandonnernden Reitern auszuweichen.

Über den ohrenbetäubenden Lärm hinweg brüllte Octavian seinen Männern zu, sich zu einer Angriffslinie zu formieren. Doch die heranpreschende Reihe fiel ein wenig auseinander, und er musste so laut schreien, wie er nur konnte, um die zurückbleibenden Reiter in seiner Nähe auf sich aufmerksam zu machen. Die Männer bewiesen ihre Geschicklichkeit, als sie aufschlossen, ohne dass die Reihe insgesamt langsamer wurde. Octavian zog sein Schwert und klemmte wild entschlossen die Schenkel gegen den Sattel. Bei diesem steilen Gefälle schmerzten die Beine unsäglich, doch er hielt durch.

Am Fuße des Berges wurde der Untergrund wieder etwas ebener. Octavian blieb kaum Zeit, sich auszubalancieren, bevor seine fünfzig Männer schon durch die weit auseinander stehenden Reihen sprengten, die ihnen gegenüberstanden. Als sie in scheinbar nur einem einzigen Augenblick mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch die wartende Zenturie hindurch und auf der anderen Seite wieder herausrasten, verschwammen Gesichter und Pferde miteinander. Octavian sah einen Offizier kreidebleich werden, als er an ihm vorbeischoss. Hätte er sein Schwert in der Hand gehabt, hätte er ihm mit einem einzigen Schlag den Kopf abschlagen können.

Octavian brüllte aufgeregt nach links und rechts und befahl seinen Männern, umzudrehen und wieder in Formation zu gehen. Einige von ihnen lachten erleichtert auf, als sie zu Brutus stießen und die angespannten Gesichter der Männer sahen, die an diesem Tag unter seinem Befehl standen.