Obwohl Julius glaubte, die Wahrheit des gescheiterten Aufstands zu kennen, nahm er an, dass Crassus für seine Rolle darin nicht belangt werden würde. Vielleicht war es besser, der Öffentlichkeit gegenüber gewisse Geheimnisse zu wahren. Es konnte nicht schaden, den reichsten Mann Roms in seiner Schuld zu wissen.
Er warf einen Blick zu Octavian hinüber, der gerade den Hals seines Pferdes tätschelte und im vergehenden Hochgefühl der Geschwindigkeit und der Angst immer noch glühte. Endlich hatten die Extraordinarii ihre Feuertaufe erlebt. Pferde und Männer waren mit Blut und Erde bespritzt, die bei dem Angriff hochgeschleudert worden war. Brutus stand unter ihnen und sprach leise Worte der Anerkennung, während er darauf wartete, dass Julius den Befehl gab, dem Ganzen ein Ende zu bereiten. Es war kein Befehl, den er gerne gegeben hätte, aber Rom durfte keine Gnade zeigen.
Julius gab den Männern der Zehnten ein Zeichen, die Offiziere zu ihm zu bringen. Die Optios schlugen mit ihren Stöcken auf die Söldner ein und stießen einen zu Boden. Dieser schrie wütend auf und hätte sich auf sie gestürzt, wenn ihn nicht ein anderer festgehalten hätte. Julius hörte, wie sie miteinander diskutierten, aber die Sprache war ihm unbekannt.
»Habt ihr einen Heerführer?«, fragte er sie schließlich.
Die Anführer blickten sich an, und dann trat einer vor.
»Für uns Gallier war das Glavis«, sagte er. Er zeigte mit dem Daumen hinter sich auf die Leichenhaufen, die überall verstreut lagen. »Er muss dort irgendwo liegen.«
Der Mann erwiderte Julius’ kalten, abschätzenden Blick, ehe er die Augen abwandte. Er blickte voll Trauer über das Schlachtfeld, ehe er wieder Julius ansah.
»Du hast unsere Waffen, Römer. Wir sind keine Bedrohung mehr für euch. Lass uns ziehen.«
Julius schüttelte langsam den Kopf. »Ihr seid nie eine Bedrohung für uns gewesen«, sagte er und sah das Blitzen in den Augen des Gegners, bevor dieser es verbergen konnte. Er hob die Stimme, damit sie ihn alle hören konnten.
»Ihr habt die Wahl, meine Herren. Ihr könnt entweder auf ein Wort von mir sterben ...« Er zögerte. Pompeius würde einen Wutanfall bekommen, wenn er davon hörte. »Oder ihr könnt mir gegenüber den Eid der Legionäre schwören und euch unter mein Kommando begeben.«
Das wilde Stimmengewirr, das sich erhob, war nicht nur auf die Söldner beschränkt. Den Soldaten der Zehnten war bei seinen Worten der Mund offen stehen geblieben.
»Ihr werdet am ersten Tag eines jeden Monats euren Sold erhalten. Fünfundsiebzig Silbermünzen für jeden Mann, obwohl ein Teil davon einbehalten werden wird.«
»Wie viel?«, rief jemand.
Julius wandte sich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war.
»Genug für Salz, Essen, Waffen, Rüstung und einen Zehnten für die Witwen und Waisen. Zweiundvierzig bleiben jedem Mann, die er nach Belieben ausgeben kann.« Ein Gedanke durchzuckte ihn und ließ ihn zögern. Der Sold für so viele Männer würde sich auf Tausende von Münzen belaufen. Es war unglaublich kostspielig, zwei Legionen zu unterhalten, und sogar das Gold, das er aus Spanien mitgebracht hatte, würde unter diesen Bedingungen rasch dahinschwinden. Wo hatte Catilina das viele Geld hergehabt? Er schob den Verdacht beiseite und fuhr fort: »Ich werde eure Reihen mit meinen Offizieren durchsetzen und euch so ausbilden, dass ihr wie die Männer kämpft, die euch heute wie Kinder haben aussehen lassen. Ihr werdet gute Schwerter und Rüstungen bekommen, und euer Sold wird pünktlich bezahlt werden. Entweder das, oder ihr sterbt auf der Stelle. Geht zurück zu euren Männern und sagt es ihnen. Und warnt sie, falls sie vorhaben, sich davonzumachen, denn dann werde ich jeden einzelnen jagen und hängen. Diejenigen, die sich für das Leben entscheiden, werden nach Rom marschieren, aber nicht als Gefangene. Die Ausbildung wird hart, aber sie besitzen genug Mut, um es zu versuchen. Alles andere kann ihnen beigebracht werden.«
»Gibst du uns unsere Waffen wieder?«, fragte einer der Offiziere.
»Mach dich nicht lächerlich!«, erwiderte Julius. »Und jetzt bewegt euch! So oder so wird das hier bei Sonnenuntergang erledigt sein.«
Die Söldner, die seinem Blick nicht mehr standhalten konnten, gingen davon, zurück zu ihren Brüdern, die im Dreck knieten. Die Legionäre ließen sie passieren und sahen sich verblüfft an.
Während sie warteten, trat Brutus neben Julius.
»Dem Senat wird das nicht gefallen, Julius. Du hast schon genug Feinde.«
»Ich bin im Felde«, erwiderte Julius. »Und ob es ihnen nun gefällt oder nicht, im Feld spreche ich für die Stadt. Hier bin ich Rom, und die Entscheidung liegt bei mir.«
»Aber wir hatten den Befehl, sie zu vernichten«, sagte Brutus so leise, dass ihn sonst niemand hören konnte.
Julius zuckte die Achseln. »Dazu kann es immer noch kommen, mein Freund, aber du solltest hoffen, dass sie den Eid ablegen.«
»Warum sollte ich das hoffen?«, fragte Brutus argwöhnisch. Julius lächelte ihn an und klopfte ihm dann auf die Schulter. »Weil das deine Legion werden soll.«
Brutus rührte sich nicht und ließ die Worte auf sich wirken. »Sie haben gegen uns verloren, Julius. Selbst Mars könnte aus diesem Haufen keine Legion machen.«
»Es ist dir schon einmal gelungen, mit der Primigenia. Und es wird dir auch mit diesen Männern gelingen. Sag ihnen, sie hätten einen Angriff der besten Legion, die Rom jemals zu bieten hatte, überlebt, unter einem General, der gesegnet ist. Richte sie auf, Brutus, und sie werden dir folgen.«
»Sie werden mir gehören, mir allein?«, fragte Brutus.
Julius blickte ihm in die Augen. »Wenn du weiter mein Schwert sein wirst, dann schwöre ich dir, dass ich mich nicht einmische, obwohl ich selbstverständlich das Oberkommando habe, wenn wir gemeinsam kämpfen. Ansonsten wird es, wenn du meinen Weg gehst, deine eigene Entscheidung sein – so wie es immer gewesen ist.«
Jetzt kamen die Söldneroffiziere einer nach dem anderen zurück. Als sie wieder zusammentrafen, nickten sie sich knapp zu, nun sichtlich entspannt. Noch ehe ihr Sprecher auf ihn zutrat, wusste Julius, dass er sie gewonnen hatte.
»Es war keine schwere Entscheidung«, sagte er.
»Gibt es keinen, der ... anderer Meinung ist?«, fragte Julius leise. Der Gallier schüttelte den Kopf.
»Gut. Dann sollen sie aufstehen. Sobald alle den Eid abgelegt haben, zünden wir Fackeln an und marschieren die Nacht durch nach Rom zurück. Dort warten saubere Unterkünfte und eine warme Mahlzeit auf euch.« Julius wandte sich an Brutus.
»Schick die ausgeruhtesten Reiter los, um dem Senat Meldung zu machen. Sie können nicht wissen, ob wir der Feind sind oder nicht, und ich möchte nicht den Aufstand auslösen, den zu verhindern wir ausgezogen sind.«
»Wir sind der Feind«, murmelte Brutus.
»Jetzt nicht mehr, Brutus. Keiner von ihnen wird einen Schritt tun, ehe er nicht durch den Eid gebunden ist. Danach gehören sie uns, ob sie es nun wissen oder nicht.«
Als Julius mit einer ausgesuchten Leibwache aus Extraordinarii auf die Stadt zuritt, sah er, dass man die Tore vor ihnen verschlossen hatte. Das erste graue Licht des Morgens zeigte sich bereits am Horizont, und er spürte die knirschende Müdigkeit in seinen Gelenken. Doch es gab noch viel zu tun, ehe er schlafen konnte.
»Macht das Tor auf! «, rief er, während er das Pferd zum Stehen brachte und an der dunklen Masse aus Holz und Eisen hinaufblickte, die ihm den Weg versperrte.
Ein Legionär in der Rüstung des Pompeius erschien auf der Mauer und sah zu ihnen herab. Nach einem kurzen Blick auf die kleine berittene Einheit spähte er die Straße entlang, um sicherzustellen, dass dort keine Streitmacht im Hinterhalt lag, um in die Stadt zu stürmen.
»Nicht vor Tagesanbruch, Herr«, rief er hinunter, nachdem er Julius’ Rüstung erkannt hatte. »Befehl von Pompeius.«