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Als langsam Ruhe einkehrte, blickte Julius zu Octavian hinüber, dem Einzigen am Tisch, mit dem er durch Blutsbande verbunden war. Es schmerzte ihn zu sehen, wie bedingungslos ihn der junge Mann verehrte, wenn er dabei an die grauen Jahre dachte, die auf Niederlage und Verbannung folgen würden. Ob Octavian dann mit Bitterkeit auf diesen Wahlkampf zurückblicken würde?

»Wir sind sehr weit gekommen«, sagte er zu ihnen. »Einige von euch sind fast von Anfang an bei mir gewesen. Ich kann mich schon gar nicht mehr an eine Zeit ohne Renius oder ohne Cabera erinnern. Mein Vater wäre sehr stolz darauf, seinen Sohn im Kreise solcher Freunden zu sehen.«

»Was meinst du, ob er mich auch noch erwähnt?«, sagte Brutus zu Alexandria.

Julius lächelte sanft. Er hatte einen einfachen Trinkspruch auf die ausbringen wollen, die an dem Schwertturnier teilnahmen, aber die Hinrichtungen vom Vormittag waren ihm den ganzen Tag über nicht aus dem Kopf gegangen und hatten einen grauen Schleier über seine Stimmung gelegt.

»Ich wünschte, andere säßen mit an diesem Tisch«, sagte Julius. »Marius zum Beispiel. Wenn ich zurückblicke, verlieren sich die guten Erinnerungen im trüben Rest. Aber ich habe große Männer gekannt.« Julius spürte, wie ihm bei diesen Worten das Herz in der Brust hämmerte.

»Mein Leben ist nie einem geraden Weg gefolgt. Ich stand an Marius’ Seite, als wir durch Rom fuhren und Münzen in die Menge warfen. Die Luft war voller Blütenblätter und Jubel, und ich hörte den Sklaven, dessen Aufgabe es war, ihm ins Ohr zu flüstern: ›Bedenke, du bist sterblich.‹« Julius seufzte, als er sich an die Farben und die Begeisterung jenes Tages erinnerte.

»Ich stand so kurz vor dem Tod, dass mich Cabera schon aufgegeben hatte. Ich habe Freunde verloren, und ich habe die Hoffnung verloren, und ich habe Könige fallen sehen, und wie sich Cato auf dem Forum selbst die Kehle durchgeschnitten hat. Ich war so vom Tod durchdrungen, dass ich dachte, ich könnte nie wieder lachen oder etwas für jemanden empfinden.«

Sie starrten ihn über die Teller auf dem Tisch hinweg an, aber sein Blick war irgendwo in die Ferne gerichtet; er nahm die Wirkung seiner Worte nicht einmal wahr.

»Ich habe Tubruk sterben sehen, ich habe Cornelias Leichnam gesehen, so weiß, dass sie nur noch unwirklich aussah, bis ich sie berührte.« Seine Stimme wurde zu einem Flüstern, und Brutus blickte zu seiner Mutter hinüber. Sie war blass geworden und hielt eine Hand vor den Mund, während Julius sprach.

»Ich sage euch, was ich gesehen habe, wünsche ich niemandem«, murmelte Julius. Er schien wieder zu ihnen zurückzukehren und der Kälte im Raum gewahr zu werden.

»Aber ich bin immer noch hier. Ich ehre die Toten, aber ich werde meine Zeit nutzen. Rom hat erst den Anfang meines Kampfes erlebt. Ich habe die Verzweiflung kennen gelernt und fürchte mich nicht mehr vor ihr. Das hier ist meine Stadt, mein Sommer. Ich habe ihr meine Jugend geschenkt, und ich würde ihr diese Jahre erneut schenken, wenn ich die Möglichkeit dazu hätte.«

Er hob seinen Becher vor der sprachlosen Tischgesellschaft.

»Wenn ich euch ansehe, kann ich mir keine Macht auf Erden vorstellen, die uns aufhalten könnte«, sagte er. »Trinkt auf die Freundschaft und die Liebe, denn alles andere ist bloßer Tand.«

Sie standen langsam auf, hoben die Becher und tranken den blutroten Wein.

15

Der Anblick 20000 römischer Bürger, die sich von ihren Sitzreihen erhoben hatten, würde ihm noch lange in Erinnerung bleiben, dachte Julius, als er den Blick über sie wandern ließ. An allen Tagen des Schwertturniers waren sämtliche Plätze besetzt gewesen, und die Tonmarken, die den Zuschauern Eintritt zum Sechzehntel- finale gewährten, wechselten immer noch jeden Morgen für ständig steigende Summen den Besitzer. Zu Anfang war Julius überrascht gewesen, an allen vier Eingangstoren zum Zirkus Männer zu sehen, die der Menge lauthals anboten, ihnen die Marken abzukaufen. Nach den ersten Runden gingen nur noch wenige auf die Offerte ein.

Die Loge der Konsuln befand sich im kühlen Schatten eines Baldachins aus hellem Leinen, der zwischen schlanken Säulen gespannt worden war. Von dort aus hatte man den besten Blick auf den Ring, und keiner der Männer, die Julius eingeladen hatte, hatte das Angebot abgelehnt. Alle Kandidaten waren mitsamt ihren Familien gekommen, und Julius hatte mit Vergnügen beobachtet, wie schwer es Suetonius und seinem Vater gefallen war, seine großzügige Einladung anzunehmen.

Die Hitze hatte den ganzen Vormittag über zugenommen, und bis zum Mittag würde der Sand so heiß sein, dass er auf der nackten Haut brannte. Viele in der Menge hatten Wasser und Wein mitgebracht, trotzdem glaubte Julius, mit den Getränken und Speisen, die seine Klienten für ihn verkauften, einen anständigen Ertrag erzielen zu können. Ein Mietkissen für den ganzen Tag kostete nur wenige Kupfermünzen, und die Vorräte waren schnell vergriffen.

Pompeius hatte die Einladung wohlwollend angenommen, und als er und Crassus ihre Plätze eingenommen hatten, war die Menge respektvoll aufgestanden, bis die Hörner die ersten Kämpfe ankündigten.

Auch Renius war da, und Julius hatte Läufer in seiner Nähe postiert, falls es Ärger in der Kaserne geben sollte. Er hatte es nicht übers Herz gebracht, dem alten Gladiator einen Platz zu verweigern. Da aber Brutus, ebenso wie Octavian und Domitius, immer noch unter den letzten 32 Kämpfern war, hoffte er, die neuen Rekruten und ehemaligen Söldner würden keine Probleme machen. Dies eingedenk, hatte er dem größten Teil der Zehnten den Besuch der Kämpfe verwehren müssen, obwohl er die Wachen im Stadion dreimal am Tag wechseln ließ, damit möglichst viele etwas davon miterleben konnten. In Ausübung seiner neuen Autorität hatte Brutus auch zehn der vielversprechendsten neuen Männer als Wachen eingeteilt. Julius hielt das für verfrüht, aber er hatte seinen Willen nicht durchgesetzt, weil er andererseits wusste, wie wichtig es war, dass sie sahen, wie sich ihr General auszeichnete. Obwohl sich die Männer in ihren Legionärsuniformen augenscheinlich unbehaglich fühlten, schienen sie fügsam zu sein.

Beim Wetten ging es wie immer hoch her. Sein Volk liebte es zu wetten, und Julius zweifelte nicht daran, dass Vermögen gewonnen und verloren werden würden, ehe die letzten Kämpfe beendet waren. Selbst Crassus hatte auf Julius’ Wort hin eine Handvoll Silber auf Brutus gesetzt. Soweit Julius wusste, hatte Brutus alles, was er besaß, auf seinen eigenen Sieg im Finale gesetzt. Falls er gewann, war er, was die Versorgung seiner Truppe betraf, weniger abhängig von Julius und den Gläubigern. Sein Freund hatte die Runde der letzten 32 ohne Probleme erreicht, aber der Standard war hoch, und ein wenig Pech konnte auch die besten Chancen zunichte machen.

Unterhalb der Loge der Konsuln traten die letzten Kämpfer aus den Unterkünften hinaus auf den brennenden Sand. Ihre silbernen Rüstungen strahlten beinahe weiß in der Sonne, und dem Publikum stockte bei ihrem Anblick der Atem, ehe sie ihren Favoriten zujubelten. Alexandria hatte sich mit dem Glanz des Metalls, das sie trugen, selbst übertroffen. Julius war überzeugt, dass die hohe Qualität der Finalisten zum Teil an dem Versprechen lag, nach dem Ende der Kämpfe die Rüstung behalten zu dürfen. Rein vom Gewicht her konnte sich jeder Mann einen kleinen Hof davon leisten, wenn er sie verkaufte, und wenn sich der Ruhm des Turniers verbreitete, konnte sie sogar noch mehr einbringen. Julius versuchte, nicht daran zu denken, wie viel die Rüstungen ihn gekostet hatten. Ganz Rom hatte über seine Großzügigkeit gesprochen, und im Sonnenschein sahen sie wirklich herrlich aus.

Einige der Kämpfer hatten blaue Flecken aus den ersten Runden. Es war in diesen ersten Tagen sehr zivilisiert zugegangen. Nur vier Männer waren umgekommen, und auch sie nur durch unglückliche Treffer in der Hitze des Gefechts. Das erste Blut beendete jeden Kampf, sonst gab es keine Begrenzung, außer der Erschöpfung. Der längste Kampf vor der Finalrunde hatte fast eine Stunde gedauert, und am Ende hatten beide Männer kaum noch stehen können, als das Duell durch einen ungeschickten Treffer an der Rückseite eines Oberschenkels entschieden wurde. Das Publikum hatte den Verlierer ebenso laut gefeiert wie den Mann, der in die nächste Runde eingezogen war.