Die Mädchen waren so züchtig gekleidet wie Töchter aus gutem Hause. Servilia hatte enormen Wert auf ihre Sicherheit gelegt, denn sie wusste, dass selbst kurze Seereisen bei Männern eine gewisse Zügellosigkeit hervorriefen, die für unnötigen Ärger gesorgt hätte. Daher waren die Gewänder der jungen Mädchen so geschnitten, dass sie die wohlgeformten Gestalten ihrer jungen Körper verhüllten, doch in den Truhen, die Servilia mitgebracht hatte, lagen gewagtere Kleider für sie bereit. Wenn das, was in Brutus’ Briefen stand, wirklich stimmte, musste es hier einen hervorragenden Markt für sie geben. Die drei Mädchen sollten die ersten in dem neuen Haus sein, das sie hier zu kaufen beabsichtigte. Die Seeleute, die unter dem Gewicht der schweren Truhen ächzten und stöhnten, wären über die Unmenge Gold, die sich darin befand, bestimmt entgeistert gewesen.
Servilias eingehende Betrachtung des Hafens wurde von Angelinas jähem Quieken unterbrochen. Ihrem schnellen Seitenblick entging weder Angelinas erfreute Empörung noch der Matrose, der eilig davonhuschte. Es war wirklich allerhöchste Zeit, dass sie an Land kamen.
Der Kapitän rief den Hafenarbeitern zu, die Haltetaue festzuzurren. Bei dem Befehl jubelte die Mannschaft, die sich bereits auf die Vergnügungen im Hafen freute. Servilia fing den Blick des Kapitäns auf, und er kam über das Deck zu ihr herüber. Ganz plötzlich war er freundlicher und aufgeschlossener, als sie es ihm zugetraut hätte.
»Wir können die Ladung erst morgen früh löschen«, sagte er. »Wenn du aber schon jetzt an Land gehen möchtest, kann ich dir ein paar Häuser empfehlen. Ich habe hier auch einen Vetter, der dir zu einem guten Preis so viele Karren vermietet, wie du willst.«
»Vielen Dank, Kapitän. Es war mir ein großes Vergnügen.« Servilia lächelte ihn an und sah erfreut, wie sich seine Wangen röteten. Zufrieden stellte sie fest, dass Angelina also nicht die Einzige mit einem Gefolge von Verehrern hier an Bord war.
Der Kapitän räusperte sich verlegen und hob das Kinn, um weiterzusprechen. Plötzlich kam er ihr sehr nervös vor.
»Ich werde später alleine zu Abend essen. Vielleicht möchtest du mir ja Gesellschaft leisten. Ich lasse frisches Obst an Bord kommen, das Abendessen wird also wesentlich schmackhafter sein als das, was wir von der Reise gewohnt sind.«
Servilia legte ihm die Hand auf den Arm und spürte die Wärme seiner Haut durch den Stoff der Tunika hindurch.
»Ich fürchte, das müssen wir ein anderes Mal nachholen. Ich möchte mich nämlich gern schon bei Tagesanbruch auf den Weg machen. Wäre es dir möglich, meine Truhen zuerst auszuladen? Ich spreche bei der Legion vor, damit man mir eine Wache abstellt, bis die Karren beladen sind.«
Der Kapitän nickte und versuchte, seine Enttäuschung zu verbergen. Sein erster Maat hatte zwar gesagt, die Frau sei eine Hure, aber ihr Geld anzubieten, um sie zum Bleiben zu bewegen, würde womöglich zu einer äußerst peinlichen Situation führen. Einen Augenblick wirkte er so schrecklich einsam, dass Servilia schon überlegte, ob vielleicht Angelina ihn aufheitern sollte. Die kleine Blonde liebte ältere Männer, denn die waren schon für die kleinsten Aufmerksamkeiten dankbar. Doch als Servilia ihn betrachtete, war sie sich fast sicher, dass er das Angebot ablehnen würde. Männer in seinem Alter wünschten sich fast ebenso oft wie rein körperliche Vergnügungen die Gesellschaft einer reiferen Frau. Angelinas derbe Direktheit wäre ihm wahrscheinlich lediglich peinlich gewesen.
»Deine Truhen werden als allererste auf dem Dock stehen, Herrin. Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite«, antwortete er und sah ihr wehmütig nach, als sie die Leiter zum Kai hinunterstieg. Ein paar Männer seiner Mannschaft drückten sich ganz in der Nähe herum, für den Fall, dass eines der jungen Mädchen beim Übersteigen der Reling strauchelte. Die Augenbrauen des Kapitäns zogen sich missmutig zusammen, als er sie abschätzend beäugte, dann folgte er Servilia jedoch nach kurzem Nachdenken. Sein Instinkt sagte ihm, dass er den Männern beim Löschen der Ladung ein wenig helfen sollte.
Julius war völlig in seine Arbeit vertieft, als die Wache an die Tür klopfte.
»Was gibt es denn?«
Der Legionär sah ungewöhnlich nervös aus und salutierte.
»Ich glaube, du kommst am besten mit hinunter zum Tor und siehst es dir selbst an, Herr.«
Julius zog erstaunt die Augenbrauen hoch, doch er folgte dem Mann die Treppe hinunter und hinaus in die heiße Nachmittagssonne. Eine seltsame Spannung herrschte unter den Soldaten, die sich um das Tor scharten. Als sie auseinander wichen, um ihm Platz zu machen, bemerkte Julius, dass ein paar der Männer nur mühsam ein Grinsen unterdrückten. Ihre offensichtliche Belustigung und die drückende Hitze schienen den inneren Groll nur noch anzufachen, der in den wachen Stunden zu seinem ständigen Begleiter geworden war.
Vor dem offenen Tor stand eine Reihe schwer beladener Karren, deren Fahrer mit dem Staub der Straße bedeckt waren. Zwanzig Männer der Zehnten hatten vor und hinter dem seltsamen Zug Aufstellung genommen. Julius’ Augen verengten sich, als er einen der Offiziere erkannte, der tags zuvor für die Aufsicht am Hafen abgestellt worden war, und seine Laune verschlechterte sich noch mehr. Auch die Legionäre waren ebenso staubig wie die Karren, was bedeutete, dass sie offensichtlich den ganzen Weg zu Fuß zurückgelegt hatten.
Julius starrte den Haufen ungläubig und fassungslos an.
»Ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, den Befehl gegeben zu haben, Handelsgüter von der Küste hierher zu eskortieren«, blaffte er wütend. »Ich hoffe, ihr habt einen wirklich guten Grund dafür, dass ihr eure Posten verlassen und meinen Befehlen zuwider gehandelt habt. Mir fällt kein guter Grund dafür ein, aber ich lasse mich gerne überraschen.«
Der Offizier erblasste unter seiner Staubschicht.
»Herr, die Dame ... «, begann er zögerlich.
»Was? Welche Dame?«, herrschte ihn Julius wütend an. Das Zögern des Mannes ließ ihn langsam die Geduld verlieren. Da erhob sich eine andere Stimme, die er sofort wiedererkannte, und er zuckte unwillkürlich zusammen.
»Ich habe deinen Männern gesagt, du könntest unmöglich etwas dagegen haben, wenn sie einer alten Freundin von dir behilflich sind«, sagte Servilia, stieg von dem Kutschbock eines Wagens herunter und kam auf ihn zu.
Einen Moment fehlten Julius die Worte. Ihr dunkles Haar stand zerzaust um ihren Kopf, und er sog ihren Anblick gierig in sich ein. Obwohl sie von Männern umgeben war, wirkte sie sehr bestimmt und souverän, und sie schien sich der Aufregung, die sie verursachte, voll und ganz bewusst zu sein. Wie eine Katze auf der Jagd setzte sie langsam und bedächtig einen Fuß vor den anderen. Ihr einfaches, braunes Gewand ließ Arme und Hals frei, und sie trug keinen Schmuck, außer einer schlichten Goldkette mit einem Anhänger, der in der Mulde zwischen ihren Brüsten kaum zu sehen war.
»Servilia. Du hättest unsere Freundschaft nicht überstrapazieren sollen«, sagte Julius steif.
Sie zuckte die Achseln und lächelte, als habe sie den Tadel in seiner Stimme gar nicht wahrgenommen.
»Ich hoffe, du bestrafst die Männer nicht dafür, General. Im Hafen kann es ohne Begleitung sehr gefährlich sein. Aber ich hatte ja niemanden, der mir beistand.«
Julius sah sie kalt an, bevor er den Blick wieder auf den Offizier richtete. Der Mann war dem Wortwechsel gefolgt und stand jetzt mit dem glasigen Blick eines Menschen da, der auf schlechte Neuigkeiten gefasst ist.
»Meine Befehle waren doch klar und eindeutig, oder?«, fragte ihn Julius.
»Ja, Herr.«
»Dann wirst du mit deinen Männern die nächsten beiden Wachen übernehmen. Durch deinen Rang trägst du mehr Verantwortung für diesen Fehler als sie. Oder nicht?«
»Doch, Herr«, erwiderte der unglückliche Soldat.
Julius nickte. »Wenn du fertig bist, meldest du dich zum Auspeitschen bei deinem Zenturio. Sag ihm, mein Befehl laute zwanzig Schläge. Außerdem soll dein Name auf die Liste der Ungehorsamen gesetzt werden. Und jetzt marschiert ihr im Laufschritt zurück!«