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»Ich spüre genau, wie mich die anderen alle beobachten. Aasgeier, alle miteinander«, sagte er und atmete pfeifend ein, als Cabera das Tuch enger zog.

»Ist es schlimm?«, fragte Julius.

Domitius antwortete nicht, aber die Angst in seinen Augen ließ sie alle schaudern.

»Ich weiß es nicht«, knurrte Cabera auf ihr drängendes Schweigen. »Die Kniescheibe ist gebrochen, ich verstehe überhaupt nicht, wie sie ihn so lange halten konnte. Eigentlich hätte er überhaupt nicht mehr in der Lage sein sollen zu laufen, und vielleicht ist auch das Gelenk ... wer weiß? Ich werde mein Bestes tun.«

»Er braucht es, Cabera«, sagte Julius leise.

Der alte Heiler schnaubte verächtlich. »Was spielt es denn für eine Rolle, ob er noch einmal da draußen kämpft. Es ist doch nicht ...«

»Nein, nicht deswegen. Er ist einer von uns. Er hat einen Pfad, dem er folgen muss«, sagte Julius eindringlicher. Wenn es sein musste, würde er den alten Mann anflehen.

Cabera erstarrte und setzte sich auf die Fersen. »Du weißt nicht, was du da von mir verlangst, mein Freund. Die Gabe, die ich besitze, ist nicht dafür da, jeden Kratzer oder gebrochenen Knochen zu heilen.« Er blickte zu Julius auf und schien vor Müdigkeit in sich zusammenzusinken. »Soll ich sie wegen einer Laune verlieren? Der Trancezustand ist ... eine Höllenqual, die ich dir nicht einmal annähernd beschreiben kann. Und jedes Mal weiß ich nicht, ob ich den Schmerz umsonst erleide, oder ob es Götter gibt, die meine Hände führen.«

Alle schwiegen, nur Julius sah ihm weiter in die Augen, um ihn mit reiner Willenskraft dazu zu bewegen, es trotzdem zu versuchen. Einer der letzten 32 Kämpfer räusperte sich, als er näher trat, und Julius drehte sich zu dem Mann um. Er erkannte ihn als einen derjenigen, die er sich wegen ihrer Geschicklichkeit gemerkt hatte. Sein Gesicht hatte die Farbe von altem Teakholz, und als Einziger trug er nicht die Rüstung, die man ihm gegeben hatte, sondern bevorzugte die Freiheit eines einfachen Gewandes.

»Mein Name ist Salomin«, sagte er und machte eine Pause, als müssten sie seinen Namen kennen. Als sie nicht reagierten, zuckte er die Achseln. »Du hast gut gekämpft«, sagte er zu Domitius. »Kannst du weitermachen?«

Domitius zwang sich zu einem Lächeln. »Ich muss mich ein wenig ausruhen, dann sehen wir weiter.«

»Du musst kalte Tücher gegen die Schwellung darauf legen, mein Freund. So kalt, wie du sie bei dieser Hitze kriegen kannst. Ich hoffe, du bist bereit, wenn wir aufgerufen werden. Ich würde nicht gern gegen einen verletzten Mann kämpfen.«

»Ich schon«, erwiderte Domitius.

Salomin sah verwirrt aus, als Brutus auflachte, und fragte sich, was für ein Witz hier wohl gemacht wurde. Er verbeugte sich vor ihnen und ging davon. Domitius betrachtete sein Knie, das ausgestreckt vor ihm lag.

»Ich bin erledigt, wenn ich nicht mehr marschieren kann«, sagte er beinahe flüsternd.

Cabera massierte mit den Fingern Flüssigkeit vom Gelenk weg. Seine Züge waren wie versteinert. Das Schweigen zog sich in die Länge, und ein Schweißtropfen rann dem alten Mann vom Haaransatz bis zur Nasenspitze, wo er zitternd und unbeachtet hängen blieb.

Keiner von ihnen hörte, als Brutus zum ersten Mal aufgerufen wurde. Der Mann, der gegen ihn kämpfen sollte, schritt an ihnen vorbei hinaus in die Sonne, ohne sich noch einmal umzudrehen, aber Salomin trat zu ihnen und riss den Römer mit einem freundschaftlichen Stoß aus seiner Konzentration.

»Du bist dran«, sagte Salomin, dessen große Augen sogar im Vergleich zu seiner Haut dunkel waren.

»Ich beeile mich«, antwortete Brutus, zog sein Schwert und folgte seinem Gegner hinaus.

Salomin schüttelte verblüfft den Kopf und hielt die Hand über die Augen, als er an den Rand des Schattens trat, um sich den Kampf anzusehen.

Julius spürte, dass Cabera nicht in Trance verfallen würde, während er ihn anstarrte, und nutzte die Gelegenheit, um ihn mit Domitius allein zu lassen.

»Lass ihnen etwas Platz, Octavian«, sagte er und gab Renius ein Zeichen, ihm zu folgen.

Octavian verstand den Wink und verschwand mit besorgtem Gesicht. Auch er schützte seine Augen mit der Hand gegen die Sonne und blickte zu Brutus hinaus, der ungeduldig auf das Zeichen der Hörner wartete.

Unter der Tribüne hörte Julius das laute Klagen der Cornicen und eilte weiter. Ehe er und Renius auch nur ein paar Schritte weit gekommen waren, verstummte der Jubel des Publikums jäh, und ein gespenstisches Schweigen breitete sich aus. Julius rannte los und erreichte keuchend die Konsulloge.

Auch dort waren alle vor Überraschung erstarrt. Brutus marschierte schon wieder zum Bereich der Kämpfer zurück und ließ eine im Sand ausgestreckte Gestalt zurück.

»Was ist passiert?«, verlangte Julius zu wissen.

Pompeius schüttelte erstaunt den Kopf. »Es ging so schnell, Julius. So etwas habe ich noch nie gesehen.«

Von allen schien einzig Crassus ungerührt. »Dein Mann ist einfach ganz ruhig stehen geblieben und zwei Hieben ausgewichen, ohne die Füße zu bewegen, und dann hat er seinen Gegner niedergeschlagen und ihm ins Bein geschnitten. Hat er überhaupt gewonnen? Das schien mir kein gerechter Schlagabtausch zu sein.«

Pompeius, der an die große Summe dachte, die er auf Brutus gesetzt hatte, antwortete schnell. »Brutus hat ihm das erste Blut fließen lassen. Das zählt, auch wenn der Mann ohnmächtig war.«

Das Schweigen der Menge löste sich, als sich die Leute überall die gleiche Frage stellten. Viele Gesichter blickten Rat suchend zur Loge der Konsuln, und Julius schickte einen Läufer zu den Cornicen, um den Sieg zu bestätigen.

Diejenigen, die gegen den jungen Römer gewettet hatten, murrten, aber die Mehrheit des Publikums schien mit der Entscheidung zufrieden zu sein. Julius sah, wie sie lachend den Schlag nachahmten. Zwei Soldaten der Zehnten weckten den gefallenen Kämpfer mit einem Klaps auf die Wange und halfen ihm aus der Arena. Als er sein Bewusstsein wiedererlangte, wehrte er sich gegen ihren Griff und protestierte wütend gegen das Ergebnis. Die Soldaten blieben davon vollkommen ungerührt und führten ihn in den Schatten der Sonnensegel und aus dem Blickfeld der Loge.

Der Nachmittag verging mit den restlichen Kämpfen des Sechzehntelfinales. Octavian besiegte seinen Gegner mit einem Treffer am Oberschenkel, als dieser einem Hieb nach außen auswich. Die Menge litt unter der Sonne, wollte jedoch keinen Augenblick verpassen.

Die sechzehn Sieger traten am Ende noch einmal in voller Rüstung in die Arena und ließen sich vom Publikum bejubeln. Die nächste Runde sollte bei Sonnenuntergang im Fackellicht beginnen, um die Zahl der Teilnehmer vor dem Finaltag weiter zu verringern, ehe die Sieger die Gelegenheit erhielten, sich über Nacht zu erholen. Münzen regneten vor ihren Füßen in den Sand, als sie ihre Schwerter hoben, und Blumen, die man seit dem Morgen aufgehoben hatte, flogen als Farbtupfer herab. Julius sah genau hin, als Domitius aufgerufen wurde, und sein Herz machte einen Sprung, als dieser sich genauso geschmeidig und sicher bewegte wie immer. Es waren keine Worte nötig, aber er sah, wie Renius’ Fingerknöchel am Geländer weiß wurden, während sie in die Arena hinausblickten und ebenso laut jubelten wie alle anderen.

16

Am letzten Tag des Turniers gesellte sich Servilia in der Loge zu ihnen. Sie trug ein weit geschnittenes Kleid aus weißer Seide, das am Hals offen stand. Julius amüsierte sich über die anderen Männer, die von dem tiefen Dekolleté völlig fasziniert zu sein schienen, das sich ihnen offenbarte, als Servilia aufstand, um den Männern der Zehnten zuzujubeln, die es bis unter die letzten sechzehn geschafft hatten.

Octavian bekam im letzten Kampf des Achtelfinales einen Schnitt auf der Wange ab. Er verlor gegen Salomin, der gemeinsam mit Domitius, Brutus und fünf anderen, die Julius bis auf seine Notizen nicht kannte, siegreich in die Runde der letzten acht einzog. Wenn Unbekannte im Ring standen, diktierte Julius Adàn Briefe in schneller Abfolge und verstummte nur, wenn ein Kampf kurz vor der Entscheidung stand und der junge Spanier seinen Blick nicht von den Männern in der Arena losreißen konnte. Adàn war von dem Schauspiel wie gebannt und staunte über die gewaltige Zahl der anwesenden Menschen. Die ständig steigenden Summen, die Julius und Pompeius setzten, ließen ihn in stiller Verwunderung den Kopf schütteln, auch wenn er sich Mühe gab, nach außen hin ebenso gelassen zu wirken wie die anderen Zuschauer in der Loge.