Die erste Runde des Tages war lang und heiß gewesen, und das Tempo der Kämpfe hatte stetig abgenommen. Jeder, der jetzt noch im Ring stand, war ein Meister seines Fachs. Schnelle Siege gab es nicht mehr. Auch die Stimmung im Publikum hatte sich verändert. Inzwischen wurde fast nur noch über Technik und Stil diskutiert, während man den Kämpfen zusah und die besseren Schläge bejubelte.
Salomin geriet schwer unter Druck, als er sich bemühte, unter die letzten vier zu kommen, die am Abend den Höhepunkt bestreiten sollten. Trotz seiner Arbeitsbelastung unterbrach Julius das Diktat, nachdem Adàn bereits zum zweiten Mal den Faden verloren hatte. Die Entscheidung, ohne die silberne Rüstung zu kämpfen, hob Salomin von allen anderen Kämpfern ab; schon jetzt war er ein Liebling der Menge. Sein Stil bezeugte die Weisheit seiner Entscheidung. Der kleine Mann kämpfte wie ein Akrobat und stand niemals still. Er bewegte sich, immer wieder unerwartete Hiebe austeilend, so elegant hin und her, dass seine Gegner im Vergleich unbeholfen wirkten.
Aber der Mann, mit dem er um den Einzug ins Halbfinale kämpfte, war kein Anfänger, der sich zu Dummheiten hinreißen ließ. Renius nickte zustimmend, als er dessen Beinarbeit sah, die gut genug war, um dem rastlosen Salomin keine Lücke in der Verteidigung zu bieten.
»Salomin muss bald müde sein«, meinte Crassus.
Niemand antwortete, weil alle gebannt das Schauspiel verfolgten. Salomins Schwert war ein gutes Stück länger als die Gladii, die die anderen benutzten, was ihm beim Ausfall eine Furcht einflößende Reichweite verlieh.
Diese zusätzliche Länge der Klinge entschied schließlich den Kampf, nachdem die Sonne in der Nachmittagshitze schon einen halben Spann am Himmel weitergezogen war. Beiden Männern rann der Schweiß in Strömen herab, und Salomin verschätzte sich bei einem geraden Stoß, den er mit einer Körpertäuschung getarnt hatte. Der andere Mann sah das Schwert gar nicht, als es in seine Kehle drang. Er brach zusammen und verströmte sein Blut in den Sand.
Da sie in unmittelbarer Nähe saßen, konnte Julius sehen, dass Salomin keinen tödlichen Streich hatte führen wollen. Der kleine Mann beugte sich entsetzt und mit zitternden Händen über seinen gefallenen Gegner. Dann kniete er neben dem Leichnam nieder und senkte den Kopf.
Die Menge erhob sich, um ihm zuzujubeln, aber der Lärm schien erst nach einer Weile bis zu ihm durchzudringen. Salomin sah die grölenden Bürgern wütend an. Ohne sein Schwert wie üblich zum Gruß zu heben, wischte er seine Klinge mit Finger und Daumen sauber und stapfte in die schattige Einfriedung zurück.
»Das ist eindeutig keiner von uns«, fällte Pompeius amüsiert sein Urteil. Er hatte wieder eine große Wette gewonnen, und nichts konnte ihm seine gute Laune verderben, auch wenn ein paar Leute aus der Menge abfällig zu brüllen begannen, als sie merkten, dass es keine Ehrenbezeugung für die Konsuln geben würde. Der Leichnam wurde weggeschleift und der nächste Kampf rasch aufgerufen, ehe die Unruhe in der Menge noch weiter um sich greifen konnte.
»Aber er hat sich einen Platz unter den letzten vier gesichert«, sagte Julius.
Domitius hatte sich mühsam durch das Viertelfinale gekämpft, aber auch er würde sich in einem der letzten beiden Paare des Wettbewerbs wiederfinden. Jetzt war nur noch ein Platz im Halbfinale zu erringen, und Brutus würde darum kämpfen. Mittlerweile hatte das Publikum sie alle schon seit Tagen beobachtet, und ganz Rom verfolgte den Verlauf der Kämpfe, indem Läufer denen, die keine Plätze bekommen hatten, die Neuigkeiten überbrachten. Weniger als einen Monat vor der Wahl wurde Julius behandelt, als hätte er bereits einen Sitz als Konsul errungen. Pompeius war ihm gegenüber inzwischen deutlich freundlicher geworden. Julius hatte Treffen mit beiden Männern, bei denen sie mit ihm über die Zukunft reden wollten, strikt abgelehnt. Er wollte das Schicksal nicht herausfordern, ehe sein Volk nicht gewählt hatte, aber in ruhigen Augenblicken träumte er schon davon, als einer der Führer Roms vor dem Senat Reden zu halten.
Bibulus hatte sich erst am letzten Tag gemeldet, und Julius fragte sich, aus welchem Grund er wohl im Rennen um das Konsulsamt blieb. Viele der ursprünglichen Kandidaten hatten sich zurückgezogen, als der Wahltermin näher rückte, nachdem sie ihren Kollegen gegenüber vorübergehend an Ansehen gewonnen hatten. Bibulus jedoch schien seine Kandidatur nicht zurückziehen zu wollen. Trotz seiner offensichtlichen Hartnäckigkeit war er ein schlechter Redner, und der Versuch, einen wegen Diebstahls angeklagten Mann zu verteidigen, hatte als lächerliches Debakel geendet. Trotzdem zogen seine Klienten mit seinem Namen auf den Lippen durch die Stadt, und Roms Jugend schien ihn als Maskottchen adoptiert zu haben. Es war durchaus möglich, dass der alte Geldadel Roms Julius einen der ihren vorzog, deshalb durfte man Bibulus keineswegs außer Acht lassen.
Während Julius darauf wartete, dass Brutus zum Kampf aufgerufen wurde, machte er sich Sorgen wegen der Kosten seines Wahlkampfes. Mehr als 1000 Männer holten sich jeden Morgen in dem Haus am Fuße des Esquilin ihren Lohn ab. Julius war sich nicht sicher, was sie wirklich bei einer geheimen Wahl erreichen konnten, aber er hatte Servilias Argument nachvollziehen können, dass seine Parteigänger auf den Straßen zu sehen sein mussten. Es war ein gefährliches Spiel, denn bei einer zu großen Anhängerschaft blieben womöglich viele Römer in dem Glauben, ihr Kandidat könne ohnehin nicht verlieren, am Wahltag zu Hause. Dass die Freien Roms in Zenturien abstimmten, war ein Fehler im System. Wenn nur einige wenige aus der benannten Gruppe anwesend waren, konnten sie die Stimmen für alle abgeben. Bibulus konnte von solch einem unangebrachten Vertrauen profitieren, oder auch Senator Prandus, der ebenso viele Männer zu bezahlen schien wie Julius.
Trotzdem, seine Rolle bei dem glorreichen Sieg über Catilina sprach sich allmählich herum, und sogar seine Gegner mussten eingestehen, dass das Schwertturnier ein Erfolg war. Außerdem hatte Julius mit Wetten auf seine Männer genug gewonnen, um einen Teil seiner Wahlkampfschulden zurückzahlen zu können. Adàn führte genau Buch, und mit jedem Tag nahm das spanische Gold ab und zwang ihn, Kredite aufzunehmen. Manchmal bereiteten ihm die Schulden Kopfzerbrechen, aber sobald er Konsul war, würde das alles keine Rolle mehr spielen.
»Mein Sohn!«, sagte Servilia plötzlich, als Brutus zusammen mit Aulus, einem schlanken Kämpfer von den Hängen des Vesuvs im Süden, die Arena betrat.
Beide Männer waren in ihren silbernen Rüstungen prachtvoll anzusehen, und Julius lächelte Brutus zu, der zur Konsulloge hinaufgrüßte und seiner Mutter zuzwinkerte, ehe er sich umdrehte und sein Schwert für das Publikum emporriss.
Die Leute antworteten mit zustimmendem Gebrüll, und die beiden Männer gingen leichten Schrittes zu ihren Markierungen in der Mitte. Renius schnaubte leise vor sich hin, aber Julius sah ihm die Anspannung an, als er sich nach vorne beugte, damit ihm auch ja nichts entging.
Julius hoffte, dass Brutus eine Niederlage genauso gut verkraften würde wie seine Siege. Schon das Erreichen der Runde der letzten acht war eine Leistung, von der er seinen Enkeln erzählen konnte, aber Brutus hatte von Anfang an gesagt, er würde im Finale stehen. Selbst Julius hatte davor zurückgeschreckt, zu behaupten, dass Brutus das Turnier gewinnen würde, aber sein Selbstvertrauen war ihm deutlich anzusehen.