»Auf Wiedersehen, meine Herren, Servilia«, sagte Pompeius mit einem gezwungenen Lächeln. Er gab seinen Wachen ein Zeichen und verließ steif die Loge.
Julius sah ihm nach, ehe er vergnügt grinste. 5000! Mit einer einzigen Wette hatte er wieder genug Geld für seinen Wahlkampf. »Ich liebe diese Stadt«, sagte er laut.
Auch Suetonius war mit seinem Vater aufgestanden, um zu gehen, und obwohl es die Höflichkeit gebot, etwas Belangloses zu sagen, zeigte sich in seinem schmalen Gesicht keine Freude. Bibulus erhob sich gemeinsam mit ihnen und blickte nervös zu seinem Freund hinüber, als auch er seinen Dank murmelte und ihnen folgte.
Servilia blieb zurück, und in ihren Augen spiegelte sich die gleiche Erregung, die sie auch in Julius’ sah. Die Menge strömte davon, um etwas zu essen zu suchen, und die Soldaten der Zehnten konnten sie ungehindert dabei beobachten, als sie ihn voller Verlangen küsste.
»Wenn du deine Männer den Baldachin etwas verstellen und dann wegtreten lässt, wären wir hier so ungestört, dass wir uns wie ungezogene Kinder benehmen könnten, Julius.«
»Du bist zu alt, um ungezogen zu sein, meine schöne Geliebte«, erwiderte Julius und breitete die Arme aus, um sie zu umarmen. Sie erstarrte, und plötzlicher Zorn ließ ihr das Blut in die Wangen steigen.
Ihre Augen blitzten, als sie sprach, und Julius war entsetzt, wie schnell ihre Stimmung umgeschlagen war.
»Dann ein anderes Mal«, fauchte sie ihn an und rauschte an ihm vorbei.
»Servilia!«, rief er ihr nach, aber sie drehte sich nicht um. Er blieb allein in der leeren Loge zurück und ärgerte sich über seinen Ausrutscher.
17
In der Kühle des Abends schritt Julius nervös in der Loge auf und ab und wartete auf Servilia. Der Bote des Pompeius hatte ihm erst wenige Minuten, ehe er zu den letzten Kämpfen aufgebrochen war, eine Kiste voll Münzen gebracht, und dann hatte er noch mehr Zeit verloren, weil er genug Männer herbeirufen musste, um ein solches Vermögen zu bewachen. Selbst bei Menschen, denen er eigentlich vertraute, machte ihn der Gedanke nervös, dass so viel Geld offen herumstand.
Alle anderen waren schon lange vor ihm eingetroffen, und Pompeius lächelte freudlos, als er Julius die Stufen heraufeilen und mit sorgenvollem Gesicht seinen Platz einnehmen sah. Wo blieb Servilia? Sie war nicht ins Wahlhaus gekommen, aber sie würde doch bestimmt die Finalkämpfe ihres Sohnes nicht verpassen wollen? Julius hielt es nicht auf seinem Platz. Er stand auf und ging unruhig am Rande der Loge auf und ab.
Die Arena wurde von flackerndem Fackellicht erhellt. Mit dem Abend hatte sich eine kühle Brise eingefunden, die die Hitze des Tages linderte. In den Sitzreihen drängten sich die Bürger, auch sämtliche Mitglieder des Senats waren anwesend. Bis zum Ende des Turniers arbeitete in der ganzen Stadt niemand mehr, und die Spannung schien sich bis in die ärmsten Viertel ausgebreitet zu haben. Die Menschen versammelten sich in einer ungeordneten Menge auf dem Campus Martius, so wie sie es am Wahltag wieder tun würden.
Servilias Eintreffen fiel mit dem ersten Hornstoß der Cornicen zusammen, der die letzten vier Kämpfer in die Arena rief. Julius sah sie fragend an, als sie sich niederließ, aber seine Geliebte erwiderte den Blick nicht und wirkte abweisender, als er sie jemals gesehen hatte.
»Es tut mir Leid«, flüsterte er zu ihr geneigt. Sie gab nicht zu erkennen, ob sie ihn gehört hatte, und er lehnte sich verärgert zurück und schwor sich, es nicht noch einmal zu versuchen.
Die Menge erhob sich, um ihre Favoriten zu bejubeln, und die Wettsklaven warteten. Julius sah, dass Pompeius keinen von ihnen herbeiwinkte, und es bereitete ihm ein bösartiges Vergnügen, den Stimmungswandel zu beobachten, den er herbeigeführt hatte. Er blickte kurz zu Servilia hinüber, ob sie es auch bemerkt hatte, und seine Entschlossenheit verflog, als er die kalte Maske sah, die sie ihm zuwandte.
»Bedeute ich dir denn so wenig?«, flüsterte er ein wenig zu laut. Bibulus und Adàn zuckten auf ihren Sitzen zusammen, taten dann aber so, als hätten sie nichts gehört. Servilia antwortete nicht, und Julius starrte wütend und mit versteinertem Gesicht in die dunkle Arena hinaus.
Die letzten Wettstreiter traten langsam in den Schein der Fackeln hinaus. Bei ihrem Anblick erhob sich die Menge, und der Lärm war ohrenbetäubend, als 20000 Menschen wie aus einer Kehle brüllten. Brutus ging neben Domitius und versuchte, sich trotz des Lärms mit ihm zu unterhalten. Salomin ging hinter ihnen, danach folgte der letzte Kämpfer, von dem die Menge kaum Notiz nahm. Aus irgendeinem Grund hatten Sungs Stil und seine Siege keinen Anklang gefunden. Er zeigte keine Gefühle, und seine Ehrenbezeugungen waren reine Formalität. Er war größer und kräftiger gebaut als Salomin; sein plattes Gesicht und der rasierte Schädel ließen ihn abstoßend wirken, und wie er so hinter den anderen hertrottete, sah es fast so aus, als schleiche er sich an sie heran. Sung hatte das längste Schwert der vier Verbliebenen. Das war zweifellos ein Vorteil für ihn, auch wenn die anderen Kämpfer eine ebenso lange Klinge hätten benutzen können, wenn sie es gewollt hätten. Julius wusste, dass Brutus darüber nachgedacht hatte, da er einige Erfahrungen mit dem Spatha-Schwert besaß, letztendlich jedoch hatte die größere Vertrautheit mit dem Gladius doch den Ausschlag gegeben.
Julius betrachtete die vier Männer genau und achtete auf Anzeichen von Steifheit und Schonhaltungen. Vor allem Salomin schien Schmerzen zu haben und ging mit gesenktem Kopf. Alle vier waren mit Blutergüssen übersät; man sah ihnen die Erschöpfung der letzten Tage deutlich an. In gewissem Maß würde der endgültige Sieger vielleicht nicht nur von seinem kämpferischen Können, sondern auch von seinem Durchhaltevermögen bestimmt werden. Julius fragte sich, welche Paare ausgelost werden würden, und hoffte, Brutus würde gegen Domitius kämpfen, damit auf jeden Fall ein Römer das Finale erreichte. Dem Politiker in ihm war durchaus bewusst, dass das Interesse des Publikums schwinden würde, falls sich beim letzten Kampf Salomin und Sung in der Arena gegenüberstanden. Das wäre ein ungebührender Ausgang für eine aufregende Woche, und zu seiner Enttäuschung hörte er, wie die Paare ausgerufen wurden: Brutus sollte gegen Salomin antreten und Domitius gegen Sung. Sofort flammten die Wetten in einem lauten Durcheinander aus Rufen und nervösem Gelächter wieder auf. Die Spannung hing über ihnen, und Julius spürte, wie ihm trotz der Brise, die durch die Arena wehte, der Schweiß in den Achselhöhlen ausbrach.
Die vier Männer sahen gebannt zu, wie ein Ringmeister eine Münze in die Luft warf. Sung nickte, als er das Ergebnis sah, und Domitius sagte etwas zu ihm, das im Lärm der Menge unterging. Bei jeder Bewegung wurde deutlich, dass die Männer Respekt voreinander empfanden. Sie hatten sich gegenseitig ein ums andere Mal gewinnen gesehen und machten sich hinsichtlich der bevorstehenden Kämpfe keine Illusionen.
Brutus warf Domitius über die Schulter noch ein paar aufmunternde Worte zu und ging mit Salomin zurück zur Einfriedung. Er registrierte die steifen Bewegungen des anderen und fragte sich, ob er sich wohl einen Muskel gezerrt hatte. Eine solche Kleinigkeit konnte den Ausschlag geben, ob man ins Finale einzog oder mit leeren Händen dastand. Brutus sah genauer hin und fragte sich, ob ihm der kleine Mann nur etwas vormachte. Es hätte ihn nicht überrascht. In dieser Phase ließ keiner etwas unversucht, um den kleinsten Vorteil zu erzielen.
Das Publikum verstummte so schnell, dass hier und dort vereinzeltes nervöses Lachen zu hören war. Die Cornicen standen bereit, den Blick abwartend zu Julius nach oben gerichtet.
Julius wartete geduldig, während Domitius mit seinen Dehnübungen begann. Sung ignorierte den Römer, gegen den er kämpfen sollte, und starrte stattdessen ins Publikum, bis es einige bemerkten, auf ihn zeigten und den finsteren Blick erwiderten. Das alles gehörte mit zur Spannung des letzten Abends, und Julius konnte Hunderte von Kindern neben ihren Eltern sitzen sehen, die sich freuten, noch nicht ins Bett zu müssen.