Auch Salomin hatte jeden von Brutus’ Kämpfen gesehen, einschließlich dem, bei dem er seinen Gegner bewusstlos geschlagen und ihm dann fast verächtlich eine blutende Wunde am Bein beigebracht hatte. Selbst in Bestform wäre er lieber gegen Domitius oder Sung, den trägen Chinesen, angetreten. Er hatte gesehen, wie der junge Römer ohne das geringste Zögern gekämpft hatte, ohne nachzudenken oder zu taktieren, als wären sein Körper und seine Muskeln dazu ausgebildet worden, ohne bewusste Anleitung zu handeln. Jetzt, da er ihm in der Arena gegenüberstand, schluckte Salomin trocken und zwang sich, sich zu konzentrieren. Verzweiflung stieg in ihm auf, während er die Schultermuskeln lockerte und die blauen Flecken und verschorften Schrammen auf dem Rücken spürte. Mit schweißnasser Stirn wartete er auf den Klang der Hörner.
Die Soldaten hatten ihn am Nachmittag in dem einfachen Gasthaus unweit der Stadtmauer aufgesucht, in dem er eine Mahlzeit zu sich genommen und sich ein wenig ausgeruht hatte. Er wusste nicht, warum sie ihn auf die Straße gezerrt, ihn dort festgehalten und so lange verprügelt hatten, bis ihre Stöcke zerbrachen. Er hatte Gänsefett auf alle Wunden geschmiert und versucht, beweglich zu bleiben, aber sämtliche Chancen auf einen Sieg waren dahin. Nur der Stolz ließ in überhaupt antreten. Leise sprach er ein kurzes Gebet in der Sprache seiner Heimat und spürte, wie es ihn beruhigte.
Als die Hörner erklangen, reagierte er instinktiv und wollte zur Seite ausweichen. Ein höllischer Schmerz fuhr ihm über den Rücken, Tränen schossen ihm in die Augen und ließen die Fackeln zu Sternen zerfließen. Fast blind riss er das Schwert hoch, und Brutus wich aus. Salomin schrie vor Schmerz und Enttäuschung auf, als seine steifen Muskeln schmerzhaft zerrten. Er versuchte, einen weiteren Schlag anzubringen, der seinen Gegner jedoch vollkommen verfehlte. Der Schweiß rann ihm in großen Tropfen vom Gesicht, als er dastand und sich zwang weiterzukämpfen.
Brutus trat verwirrt zurück und runzelte die Stirn. Er zeigte auf den Arm seines Gegners. Einen Augenblick lang wagte Salomin nicht hinzusehen, aber als er das Brennen spürte, fiel sein Blick auf eine kleine Wunde auf seiner Haut, und er nickte resigniert.
»Das ist nicht die schlimmste Wunde, die ich heute abbekommen habe, mein Freund. Ich hoffe nur, dass du mit den anderen nichts zu tun hattest«, sagte Salomin leise.
Brutus sah ihn verständnislos an, während er sein Schwert vor der Menge hob, bis ihm plötzlich bewusst wurde, wie verkrampft der normalerweise so geschmeidige kleine Mann dastand. Mit einem Mal wurde ihm alles entsetzlich klar.
»Wer war das?«
Salomin zuckte die Achseln. »Wer kann schon einen Römer vom anderen unterscheiden? Es waren Soldaten. Es ist geschehen.«
Brutus wurde bleich vor Wut, und sein Blick wanderte misstrauisch zu Julius, der ihm begeistert zujubelte. Dann stapfte er aus der Arena und hörte nicht, wie die Leute begeistert seinen Namen riefen.
Während der zwei Stunden vor dem Finale wurde der Sand säuberlich geharkt, während viele Bürger sich aufgeregt plaudernd auf den Weg machten, um sich zu waschen und etwas zu essen. Die Loge leerte sich rasch, und Julius fiel auf, dass Senator Prandus vor seinem Sohn ging, der sich gemeinsam mit Bibulus in die Menge stürzte und von seinem Vater kaum Notiz nahm, als sie ihn überholten.
Julius hörte Brutus kommen, als die wogende Menge in der Nähe der Loge ihren Helden erkannte und ihm wieder enthusiastisch zujubelte. Obwohl er vor Erregung zitterte, war Brutus doch vernünftig genug, sein Schwert wegzustecken, ehe er sich den Wachen vor der Loge näherte. Es wäre ihre Pflicht gewesen, ihn aufzuhalten, ungeachtet seines neuen Status.
Julius und Servilia gingen ihm entgegen, aber Julius’ Glückwünsche blieben ihm in der Kehle stecken, als er das Gesicht seines Freundes sah. Brutus kochte vor Wut.
»Hast du Salomin zusammenschlagen lassen?«, fuhr er Julius an. »Er konnte sich kaum auf den Beinen halten. Warst du das?«
»Ich ... «, begann Julius entsetzt. Er wurde unterbrochen, als die Soldaten des Pompeius plötzlich Haltung annahmen und der Konsul hinter dem Vorhang hervortrat.
Vor unterdrückter Erregung bebend, salutierte Brutus und stand stramm, während Pompeius ihn musterte.
»Ich habe den Befehl dazu gegeben. Ob du davon profitiert hast oder nicht, interessiert mich nicht. Ein Fremder, der die Ehrenbezeugung unterlässt, kann nichts Besseres erwarten und hätte Schlimmeres verdient. Wäre er nicht unter den letzten vier gewesen, würde er inzwischen irgendwo im Wind baumeln.«
Gleichmütig hielt er ihren erstaunten Blicken stand.
»Auch einem Fremden kann man Respekt beibringen, denke ich. Und jetzt, Brutus, ruh dich für das Finale aus.«
Beim Wegtreten konnte Brutus seinem Freund und seiner Mutter nur noch einen kurzen Blick der Entschuldigung zuwerfen.
»Vielleicht wäre es besser gewesen, damit zu warten, bis das Turnier vorbei ist«, sagte Julius, nachdem Brutus gegangen war. Etwas in Pompeius’ reptilienhaftem Blick ließ ihn seine Worte mit Bedacht wählen. Seine Arroganz war größer, als Julius es je geahnt hatte.
»Oder sollte ich es vielleicht einfach vergessen?«, erwiderte Pompeius. »Ein Konsul ist Rom, Cäsar. Er darf weder verhöhnt noch verächtlich behandelt werden. Vielleicht wirst du das eines Tages verstehen, wenn dir die Bürger die Chance geben, dort zu stehen, wo ich heute stehe.«
Julius wollte Pompeius schon fragen, ob er auf Brutus gewettet hatte, hielt sich aber gerade noch rechtzeitig zurück, ehe er seinen eigenen Untergang besiegelte. Er erinnerte sich, dass Pompeius nicht gewettet hatte; offensichtlich hatte es ihm sein seltsames Ehrgefühl verboten, von der Bestrafung zu profitieren.
Julius fühlte sich plötzlich nur noch müde und allem überdrüssig. Er nickte, als hätte er verstanden, und hielt den Vorhang auf, damit Servilia und Pompeius hindurchgehen konnten. Selbst jetzt würdigte sie ihn keines Blickes, und er seufzte verbittert, als er ihnen folgte. Wahrscheinlich erwartete sie von ihm, dass er zu ihr kam. Auch wenn ihn der Gedanke ärgerte, blieb ihm keine andere Wahl. Seine Hand wanderte zu der Perle, und er klopfte nachdenklich auf die Rundung unter dem Stoff.
Von dem scharfen Ritt immer noch außer Atem, holte Julius tief Luft, ehe er an die Tür klopfte. Der Besitzer der Taverne hatte ihm bestätigt, dass Servilia in ihr Zimmer zurückgekehrt war, und Julius konnte drinnen Wasser plätschern hören. Vor dem letzten Kampf nahm sie noch ein Bad. Trotz seiner Verärgerung verspürte Julius die ersten leisen Anzeichen des Verlangens, als er Schritte näherkommen hörte, aber die Stimme, die erklang, gehörte dem Sklavenmädchen, das die Bäder für die Gäste füllte.
»Julius«, antwortete er auf ihre Frage. Hätte er seine Titel genannt, wäre das Mädchen vielleicht etwas flinker gewesen, aber links und rechts des kleines Korridors gab es Ohren, und es war ein wenig lächerlich, wie er gleich einem liebeskranken Jüngling mit einer geschlossenen Tür sprach. Also ließ er die Finger knacken und wartete. Wenigstens befand sich die Taverne nahe genug bei der Stadtmauer, so dass er es noch rechtzeitig zurückschaffen würde. Sein Pferd fraß Heu in einem kleinen Stall, und er würde nur eine Minute brauchen, um Servilia die Perle zu geben, ihre entzückten Umarmungen über sich ergehen zu lassen und mit ihr zum Campus zurückzugaloppieren, um den letzten Kampf um Mitternacht zu sehen.