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Endlich öffnete das Sklavenmädchen die Tür und verbeugte sich vor ihm. Julius sah ein amüsiertes Glitzern in ihren Augen, als sie an ihm vorbei in den Gang hinaustrat, aber als sich die Tür hinter ihm schloss, hatte er sie bereits vergessen.

Servilia trug ein einfaches weißes Kleid und hatte das Haar im Nacken aufgedreht. Ein Teil von ihm fragte sich, wann sie die Zeit gefunden hatte, die Farben und Öle auf ihr Gesicht aufzutragen, doch er eilte auf sie zu.

»Die Jahre, die uns trennen, sind mir egal. Haben sie in Spanien eine Rolle gespielt?«, fragte er eindringlich. Ehe er sie berühren konnte, hob sie die Hand, den Rücken gestreckt wie eine Königin.

»Du verstehst überhaupt nichts, Julius, und das ist die schlichte Wahrheit.«

Er versuchte zu widersprechen, aber sie übertönte ihn mit lauter Stimme und blitzenden Augen.

»Ich wusste schon in Spanien, dass es unmöglich ist, aber dort war alles anders. Ich kann es nicht erklären ... es war, als wäre Rom ganz weit weg, und du warst das Einzige, was zählte. Wenn ich hier bin, spüre ich die Jahre, die Jahrzehnte, Julius. Uns trennen Jahrzehnte. Gestern war mein dreiundvierzigster Geburtstag. Wenn du vierzig bist, bin ich eine alte Frau mit grauen Haaren. Ich habe jetzt schon welche, aber verborgen unter den besten Färbemitteln aus Ägypten. Lass mich gehen, Julius. Wir können nicht mehr zusammen sein.«

»Das ist mir egal!«, platzte Julius heraus. »Du bist immer noch wunderschön ...«

Servilia lachte unfreundlich. »Immer noch wunderschön, Julius? Ja, es ist ein Wunder, dass ich immer noch so gut aussehe, auch wenn du keine Ahnung hast, wie viel Arbeit es erfordert, der Welt ein glattes Gesicht zu präsentieren.«

Einen Augenblick wurden ihre Augen faltig, und sie kämpfte gegen die Tränen an. Als sie weitersprach, war ihre Stimme von einer grenzenlosen Müdigkeit gezeichnet.

»Ich werde nicht zulassen, dass du mich alt werden siehst, Julius. Du nicht. Geh zu deinen Freunden, ehe ich die Tavernenwache rufe und dich hinauswerfen lasse. Lass mich allein, damit ich mich zu Ende anziehen kann.«

Julius öffnete die Hand und zeigte ihr die Perle. Er wusste, dass es falsch war, aber er hatte die Geste den ganzen Weg vom Campus hierher geplant, und jetzt war es, als bewege sich sein Arm ohne seinen Willen. Sie schüttelte ungläubig den Kopf.

»Soll ich mich jetzt in deine Arme werfen, Julius? Soll ich weinen und mich bei dir entschuldigen, weil ich dich für einen Knaben gehalten habe?«

Mit einer trotzigen, schnellen Bewegung schnappte sie sich die Perle und warf sie nach ihm. Sie traf ihn an der Stirn und ließ ihn zusammenzucken. Er hörte, wie das Kleinod in eine Zimmerecke rollte, das Geräusch schien nicht enden zu wollen.

Sie sprach langsam, wie zu jemandem, der nicht richtig bei Verstand ist: »Und jetzt verschwinde.«

Als sich die Tür hinter ihm schloss, wischte sie sich wütend die Augen und stand auf, um nach der Perle zu suchen. Nachdem ihre Finger sie ertastet hatten, hielt sie sie ins Licht der Lampe, und einen Augenblick lang wurden ihre Züge weich. Trotz ihrer Schönheit fühlte sich die Perle in ihrer Hand kalt und hart an, ganz so wie Servilia selbst nach außen hin zu sein vorgab.

Servilia strich mit den Kuppen ihrer langen Finger über die Perle und dachte an Julius. Er war noch keine 30 Jahre alt. Auch wenn er es jetzt noch nicht wahrhaben wollte, würde er eine Frau wollen, die ihm Söhne schenken konnte. Tränen glitzerten auf ihren Wimpern, als sie an ihren welkenden Schoß dachte. Seit drei Monaten hatte sie nicht mehr geblutet, und sie spürte kein Leben in sich. Eine Weile hatte sie auf ein Kind gehofft, aber als eine weitere Periode ausgeblieben war, wusste sie, dass ihre Jugend endgültig hinter ihr lag. Von ihr würde er keinen Sohn bekommen, und es war besser, ihn jetzt fortzuschicken, ehe er an Kinder dachte, die sie ihm nicht schenken konnte. Besser, als darauf zu warten, von ihm verstoßen zu werden. Er trug seine Stärke mit solcher Selbstverständlichkeit, dass er ihre Furcht niemals würde verstehen können. Sie holte tief Luft, um sich zu beruhigen. Er würde darüber hinwegkommen, bei jungen Männern war das immer so.

Als Brutus und Sung um Mitternacht die Arena betraten, waren die Fackeln mit Öl nachgefüllt worden, und der Ring leuchtete in der Dunkelheit des Campus. Die Wettsklaven hatten sich diskret zurückgezogen; jetzt wurde kein Geld mehr angenommen. Viele Bürger hatten den ganzen Nachmittag über stetig getrunken, um sich auf den Höhepunkt vorzubereiten, und Julius sandte Läufer aus, die noch mehr Soldaten der Zehnten herbeiholen sollten, falls es am Ende zu Ausschreitungen kam. Trotz der Müdigkeit, die sich seiner Seele bemächtigt hatte, verspürte er Stolz, als er sah, wie Brutus zum letzten Mal eines von Cavallos Schwertern empor- streckte. Die Geste hatte eine persönliche, schmerzvolle Bedeutung für alle, die sie verstanden.

Ohne nachzudenken streckte Julius die Hand aus, um Servilias zu ergreifen, und ließ sie dann wieder sinken.

Ihre Stimmung würde sich ändern, wenn Brutus gewann, da war er sich fast sicher.

Die schmale Sichel des Mondes hing über dem Fackelkreis. Obwohl es schon spät war, hatte die Nachricht von den beiden Finalisten schnell die Runde durch die Stadt gemacht. Ganz Rom war wach und wartete auf das Ergebnis. Falls er den Sieg davontrug, würde Brutus berühmt sein, und Julius kam der ironische Gedanke, dass sein Freund dann mit größter Wahrscheinlichkeit zum Konsul gewählt werden würde, falls er sich zu einer Kandidatur entschließen sollte.

Beim Klang der Cornicen griff Sung ohne Vorwarnung an, um die Partie gleich im ersten Augenblick für sich zu entscheiden. Sein Schwert fuhr zischend auf Brutus’ Beine zu, und der junge Römer schlug es mit einem metallischen Klirren nach unten. Er konterte nicht, und einen Augenblick geriet Sung aus dem Gleichgewicht. Die schmalen Schlitze seiner Augen verrieten nichts, als er die Achseln zuckte und erneut angriff, wobei sein langes Schwert einen weiten Bogen in die Luft zog.

Wieder schlug Brutus die Klinge zur Seite, und das Scheppern des Metalls war wie der Klang einer Glocke, die über dem schweigenden Publikum ertönte. Alle sahen vollkommen fasziniert dem Kampf zu, der so ganz anders war als alle vorangegangenen.

Julius konnte noch immer rote Zornesflecken auf Brutus’ Gesicht und Hals erkennen, und er fragte sich, ob er Sung töten oder selbst getötet werden würde, weil seine Gedanken immer noch dem ungerechten Sieg gegen Salomin nachhingen.

Der Kampf entwickelte sich zu einer Abfolge von Schlägen und scheppernder Abwehr, aber Brutus war noch keinen Schritt von seiner Markierung gewichen. Wenn Sungs Klinge ihm zu nahe kam, blockte er sie mit einer kurzen Bewegung seines Gladius’ ab. War der Streich nur eine Finte, ignorierte er ihn, selbst wenn das Metall dicht genug an ihm vorbeistrich, dass er es durch die Luft zischen hörte. Sung atmete schwer. Bei jedem seiner Angriffe schrie das Publikum auf, verstummte bei dem ausgeführten Schlag und atmete zischend wieder aus, was wie Hohn klang. Wahrscheinlich dachten sie, Brutus würde Sung eine Lektion erteilen.

Als Julius ihm zusah, begriff er, dass Brutus ganz alleine gegen sich selbst kämpfte. Er wünschte sich geradezu verzweifelt den Sieg, aber die Scham über die Behandlung Salomins nagte an ihm, also hielt er sich Sung lediglich vom Leib, während er nachdachte. Julius wurde klar, dass er Zeuge der Vorführung eines perfekten Schwertkämpfers wurde. Es war eine unglaubliche Feststellung, aber der Junge, den er gekannt hatte, war zu einem Meister geworden, besser als Renius oder jeder andere.

Auch Sung wusste dies, der Schweiß brannte ihm in den Augen, und der Römer stand immer noch vor ihm. In Sungs Gesicht spiegelten sich Wut und Verzweiflung. Er stöhnte nun bei jedem Hieb laut, und ohne eine bewusste Entscheidung getroffen zu haben, schlug er nun nicht länger zu, um den Gegner eine Wunde beizubringen, sondern um ihn zu töten.