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»Hast du Schmerzen?«, erkundigte sich Brutus.

Cabera zuckte die Achseln, so gut er es vermochte, und ließ die Hand fallen. Ein Augenlid hing herunter, als er den Blick erwiderte, und hin und wieder tupfte er sich den linken Mundwinkel ab, um den Speichel zu entfernen, ehe er heruntertropfte. Die Handbewegung war zu einem Teil seines Lebens geworden.

»Es ging mir nie besser, geliebter Heerführer Roms, den ich schon als rotznäsigen kleinen Jungen gekannt habe. Nie besser, obwohl ich gerne einmal den Ausblick von oben genießen würde und jemand brauchen könnte, der mich hinaufträgt. Die Schwäche hat mich gepackt, und der Aufstieg erfordert ein Paar kräftige Beine.«

Brutus stand auf. »Ich wollte sowieso hinauf, jetzt, wo sich die Helvetier am anderen Ufer versammeln. Wenn sie hören, dass Julius sie nicht durch unsere kleine Provinz ziehen lässt, könnte es ganz interessant werden. Hoch mit dir, alter Mann. Ihr Götter, du wiegst ja überhaupt nichts!«

Cabera ließ sich auf Brutus’ Rücken ziehen, wo die kräftigen Arme des Generals seine Beine umfassten, während er sich selbst mit dem rechten Arm festhielt. Der andere hing nutzlos herab.

»Es ist die Qualität deiner Last, die du in Betracht ziehen musst, Brutus, nicht ihr Gewicht«, sagte er, und obwohl die Worte durch die Krankheit undeutlich waren, verstand Brutus sie und lächelte.

Julius stand an der Brustwehr und blickte über das schnell dahinfließende Wasser der Rhone hinweg, auf dem sich an manchen Stellen durch die Gewalt des Frühlingshochwassers weiße Schaumkronen zeigten. Das andere Ufer des breiten Flusses war bis zum Horizont mit Menschen bedeckt, Männer, Frauen und Kinder. Manche saßen da und ließen die Füße im Wasser baumeln, als hätten sie nichts weiter geplant als einen vergnüglichen Nachmittag. Die Kinder und die Alten trugen einfache Gewänder, die von einem Gürtel oder einer Kordel zusammengehalten wurden. Unter ihnen sah er auch gelbe oder rote Haarschöpfe neben dem häufigeren Braun. Sie führten Ochsen und Esel mit sich, die die riesigen Mengen an Lebensmitteln und Vorräten schleppten, die man brauchte, um eine so große Armee unterwegs zu versorgen. Julius hatte Verständnis für ihre Schwierigkeiten, weil er wusste, wie schwer es war, die Legionen unter seinem Kommando zu ernähren. Bei so vielen hungrigen Mäulern war es einfach nicht möglich, lange an einem Ort zu bleiben, und die Länder, durch die sie zogen, würden aller Lebewesen beraubt, der Viehbestand für Generationen dezimiert werden. Die Helvetier ließen auf ihrem Weg Armut hinter sich zurück.

Die Soldaten waren an einer Art Rüstung aus dunklem Leder zu erkennen. Sie schritten durch die Menge und ermahnten diejenigen, die zu nah ans Wasser gingen. Julius beobachtete einen dabei, wie er sein Schwert zog und mit der flachen Seite Raum für ein Boot schaffte, das herbeigetragen wurde. Es war eine chaotische Szene, und Julius konnte die Töne eines Liedes hören, die durch die kalte Luft hinüberwehten; der Musiker war in der Menge nicht auszumachen.

Die Helvetier ließen das Boot unter rhythmischem Sprechgesang in den Fluss hinunter und hielten es im seichten Wasser fest, bis eine Mannschaft von Ruderern ihre Plätze eingenommen hatte. Selbst mit drei Mann auf jeder Seite würden sie es schwer haben, gegen die reißende Strömung anzukämpfen. Der Gedanke an eine folgende Massenüberquerung war absurd, und die Römer, die sie beobachteten, blieben vollkommen gelassen.

Selbst eine grobe Schätzung nach Zenturien war unmöglich. Julius war berichtet worden, dass die Helvetier das Land hinter sich verbrannt hatten, ehe sie nach Süden aufgebrochen waren. Er zweifelte nicht daran. Der riesige Stamm hatte seine Heimat bis auf den letzten Mann verlassen, und wenn es den Römern nicht gelang, sie aufzuhalten, würde sie ihr Weg direkt durch die schmale römische Provinz am Fuß der Alpen führen.

»Eine solche Völkerwanderung habe ich noch nie gesehen«, sagte Julius wie zu sich selbst. Der römische Offizier neben ihm sah ihn an. Er hatte die Legionen, die Julius mitgebracht hatte, begrüßt, vor allem die Veteranen der Zehnten. Einige Leute im Handelsposten hatten sich über den Wechsel der Amtsgewalt geärgert, für andere jedoch war es wie ein plötzliches Bad in der Energie ihrer alten Heimatstadt gewesen. Wenn sie sich jetzt unterhielten, taten sie es mit kaum verhohlener Fröhlichkeit und einem neuen Selbstbewusstsein. Nie wieder würden sie die Verachtung der gallischen Händler zu spüren bekommen, die ihnen immer das Gefühl gegeben hatten, geduldet, aber niemals akzeptiert zu sein. Mit nur einer Legion war der Außenposten von Rom kaum anerkannt gewesen, und ohne den Weinhandel hätte man die Provinz womöglich schon längst aufgegeben. Diejenigen, die immer noch an Beförderungen und eine Karriere dachten, hießen Cäsar mit offenen Armen willkommen, und niemand mehr als ihr Befehlshaber Marcus Antonius.

Als Julius ihm den Befehl des Senats gezeigt hatte, hatte er das breite Grinsen, das sich auf sein Gesicht stahl, nicht unterdrücken können.

»Dann werden wir hier wohl bald was erleben«, hatte er zu Julius gesagt. »Ich habe schon so viele Briefe geschrieben, dass ich die Hoffnung fast aufgegeben hatte.«

Julius hatte mit Entsetzen gerechnet, sogar mit drohender Befehlsverweigerung. Er war mit finsterem Gesicht in die römische Stadt eingeritten, um seine Entschlossenheit kundzutun, aber bei dieser Reaktion war jegliche Anspannung von ihm gewichen, und er hatte laut über Marcus Antonius’ offene Fröhlichkeit gelacht. Sie schätzten einander ab und fanden beide etwas am anderen, das ihnen gefiel. Julius hatte dem Befehlshaber fasziniert zugehört, als er ihm Bericht über die Region und den brüchigen Frieden mit den Stämmen der Gegend erstattete. Marcus Antonius hatte die Probleme, denen sie sich gegenübersahen, nicht verheimlicht, aber seine Worte hatten von einem tiefen Verständnis gezeugt, woraufhin Julius ihn sofort an seinen Beratungen beteiligt hatte.

Falls die anderen sich über den schnellen Aufstieg des neuen Mannes ärgerten, ließen sie es sich nicht anmerken. Marcus Antonius war schon seit vier Jahren in der Provinz und konnte ein detailliertes Bild des Netzes von Bündnissen und Fehden zeichnen, das ein großes Hindernis für den Handel darstellte und eine effiziente Verwaltung unmöglich machte.

»Es ist eigentlich weniger eine Völkerwanderung als ein Eroberungsfeldzug, Herr«, sagte Marcus Antonius. »Alle kleineren Stämme werden ihre Frauen verlieren, ihre Getreidevorräte, einfach alles.« Er hatte große Ehrfurcht vor dem Mann, den Rom gesandt hatte, aber ihm war aufgetragen worden, offen zu reden, und er genoss den neuen Status, den er dadurch erworben hatte, vor allem bei seinen eigenen Männern.

»Dann lassen sie sich wohl nicht zur Umkehr bewegen?«, fragte Julius und beobachtete dabei die Massen am anderen Ufer.

Marcus Antonius blickte von der Brustwehr zu den Legionen hinab, die dort in voller Schlachtordnung aufgestellt waren. Ein angenehmer Schauer lief ihm über den Rücken bei dem Gedanken an die Stärke, die diese Quadrate darstellten. Neben den 10000 Mann, die Julius mitgebracht hatte, waren drei weitere Legionen aus Norditalien herbeigerufen worden. Die Tatsache, dass er lediglich Reiter mit seinen Befehlen aussenden musste, die dann mit 15000 Soldaten im Gewaltmarsch über die Alpen zurückkehren würden, zeigte besser als alles andere die neue Macht, die Julius verliehen worden war.

»Wenn sie umkehren, werden sie im Winter alle verhungern, Herr. Meine Kundschafter haben von 400 Dörfern berichtet, die in Flammen aufgegangen sind, mit ihrem gesamten Wintergetreide. Sie wissen, dass sie nicht umkehren können, und werden deshalb umso entschlossener kämpfen.«