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Brutus erreichte hinter ihnen die Plattform und ließ Cabera von seinem Rücken gleiten, damit er sich mit seinem gesunden Arm an der hölzernen Brüstung festhalten und das Geschehen beobachten konnte. Brutus salutierte, als er auf Julius zutrat, wobei er vor dem Neuling mehr als sonst auf den Anschein von Disziplin achtete. Er mochte Marcus Antonius nicht besonders. Irgendetwas an der Art und Weise, wie er mit Julius’ Zielen und Ambitionen so vollkommen übereinstimmte, kam Brutus seltsam vor, aber er hatte nichts gesagt, weil er nicht eifersüchtig erscheinen wollte. Dabei verspürte er gerade jetzt einen Anflug von Eifersucht, als er die beiden Männer sich wie alte Freunde unterhalten sah, während sie die Armee der Helvetier am anderen Ufer beobachteten. Brutus zog eine finstere Miene, als Marcus Antonius eine witzige Bemerkung über die riesige Streitmacht von sich gab. Er und Julius schienen sich gegenseitig bei der Demonstration ihrer Gelassenheit übertreffen zu wollen.

Dass Marcus Antonius ein so kräftiger, herzlicher Mann von der Sorte war, die Julius zum Lachen bringen konnte, machte es nicht einfacher. Brutus wusste, wie sehr Julius das schallende Gelächter und den Mut von Männern vom Schlage seines Onkels Marius schätzte, und Marcus Antonius entsprach diesem Bild, als hätte er Marius persönlich gekannt. Er war einen Kopf größer als Julius, und seine Nase verkündete der ganzen Welt, dass er von altem römischen Blut war. Sie beherrschte sein Gesicht unter den dichten Augenbrauen, und wenn er nicht gerade lachte, wirkte er auf natürliche Art ernst und würdevoll. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit erwähnte er seine Familienabstammung, und Marcus Antonius schien sein adliges Blut allein durch die Anzahl der Ahnen, die er aufzählen konnte, beweisen zu wollen.

Sulla hätte diesen Mann ohne Zweifel gemocht, dachte Brutus gereizt. Marcus Antonius war voller Ideen, die jetzt, nach Julius’ Ankunft, in die Tat umgesetzt werden konnten, aber irgendwie hatte er nichts davon alleine zuwege gebracht. Brutus fragte sich, ob diesem edlen Römer wohl klar war, was Julius an seiner Stelle erreicht hätte, auch mit nur einer Legion.

Er schob diese Gedanken beiseite und lehnte sich ebenfalls gegen die Brüstung. Jetzt sah er, wie sich das Boot dem römischen Ufer näherte und die Ruderer ins seichte Wasser sprangen, um es an Land zu ziehen. Sie standen im Schatten der Mauer, die die Römer errichtet hatten, um sie aufzuhalten. Brutus glaubte nicht, dass sie versuchen würden, die römischen Linien zu durchbrechen, trotz ihrer Überzahl.

»Die müssen doch sehen, dass wir jedes Boot mit Speeren und Steinen versenken könnten, ehe sie landen. Ein Angriff wäre glatter Selbstmord«, sagte Julius.

»Und wenn sie friedlich abziehen?«, fragte Marcus Antonius, ohne den Blick von den Boten abzuwenden, die unten standen, ein Stück abseits von den Ruderern.

Julius zuckte die Achseln. »Dann habe ich sie trotzdem die römische Autorität spüren lassen. So oder so werde ich Fuß in diesem Land gefasst haben.«

Brutus und Cabera drehten sich gleichzeitig um und sahen den Mann an, den sie kannten. Sie bemerkten eine wilde Freude in seinem Gesicht, als er so stolz und aufrecht auf der Sperrmauer stand, um die Worte der Helvetier anzuhören.

Einen ähnlichen Gesichtsausdruck hatten sie schon einmal bei ihm gesehen, als Marcus Antonius vor einigen Monaten zum ersten Mal vor den versammelten Heerführern gesprochen hatte.

»Ich freue mich, dass ihr hier seid, meine Herren«, hatte Marcus Antonius gesagt. »Wir stehen kurz davor, überrannt zu werden.«

Julius hatte beabsichtigt, ein wildes Land zu erobern, dachte Brutus. Die Helvetier waren nur einer von vielen Stämmen in diesem Gebiet, ganz zu schweigen von dem gesamten unerforschten Land, das Julius für Rom in Besitz nehmen wollte. Es war kaum vorstellbar, in welch finstere Stimmungen er in Spanien verfallen war, wenn man den Mann betrachtete, der neben ihnen auf der Brustwehr stand. Sie alle konnten es spüren, und Cabera schloss die Augen, als seine Sinne sich gegen seinen Willen die Pfade in die Zukunft hinabstürzten.

Der alte Mann sackte in sich zusammen und wäre gefallen, wenn ihn Brutus nicht aufgefangen hätte. Niemand bewegte sich, während die Boten sprachen, und Julius wandte sich an seinen Übersetzer, der die Worte in holpriges Latein übertrug. Ohne dass ihn die Krieger unten sehen konnten, grinste er vor sich hin, bevor er sich ihnen wieder zuwandte und beide Hände auf die breite Brüstung legte.

»Nein!«, rief er hinunter. »Ihr dürft nicht passieren!« Julius sah Marcus Antonius an.

»Wenn sie entlang der Rhone nach Westen ziehen, ehe sie sich nach Süden wenden, welche Stämme liegen dann auf ihrem Weg?«

»Die Haeduer siedeln direkt westlich von uns, deshalb würden sie am meisten zu leiden haben, obwohl die Ambarrer und die Allobroger ... «, fing Marcus Antonius an.

»Welcher Stamm ist der reichste von ihnen?«, unterbrach ihn Julius.

Marcus Antonius zögerte. »Die Haeduer sollen riesige Viehherden besitzen, und ...«

»Ruf ihre Anführer zu mir, mit den schnellsten Reitern und der Zusage sicheren Geleits«, sagte Julius und blickte wieder über die Brüstung. Das Boot war schon wieder auf dem Weg zum anderen Ufer, aber er konnte trotzdem erkennen, wie wütend die Männer darin waren.

Zwei Tage später lag die kleine Festung ruhig da, obwohl Julius die Schritte hörte, als die Wachen auf den Mauern abgelöst wurden. Neue Unterkünfte waren für die Soldaten, die er aus Rom mitgebracht hatte, gebaut worden, aber die drei Legionen aus Ariminum nächtigten immer noch in ihren Zelten in befestigten Lagern. Julius hatte nicht vor, für sie etwas Dauerhaftes zu errichten. Er hoffte, dass es nicht nötig sein würde.

Ungeduldig wartete er, als seine Worte dem Häuptling der Haeduer von dem Dolmetscher, den Marcus Antonius gestellt hatte, übersetzt wurden. Der Mann schien viel länger zu reden, als es Julius für gerechtfertigt hielt, aber er hatte beschlossen, ihnen nicht zu verraten, dass Adàn ihre Sprache sprach, um daraus womöglich einen geheimen Nutzen zu ziehen. Sein spanischer Schreiber hatte sich bei den ersten Worten der Gallier überrascht gezeigt. Sein Volk sprach eine Variante der gleichen Sprache, zumindest ähnlich genug, um den größten Teil der Unterhaltungen verstehen zu können. Julius fragte sich, ob sie vielleicht in der fernen Vergangenheit ein Volk gewesen seien, ein Nomadenstamm, der Gallien und Spanien besiedelt hatte, als Rom noch ein kleines Dorf zwischen sieben Hügeln gewesen war.

Adàn wohnte danach jedem Treffen bei, wobei er fleißig die von Julius diktierten Botschaften und Briefe kopierte, um nicht als Zuhörer aufzufallen. Wenn sie alleine waren, fragte ihn Julius aus, und sein Gedächtnis erwies sich meistens als fehlerlos. Julius warf dem eifrigen jungen Spanier einen kurzen Blick zu, während der Dolmetscher die Gefahren, die von den Helvetiern ausgingen, in endlosen Details wiederholte. Der Stammesführer der Haeduer war ein typischer Vertreter seiner Rasse, ein dunkelhaariger Mann mit schwarzen Augen und energischem, hageren Gesicht, das zum Teil unter einem ölglänzenden Bart verborgen war. Die Haeduer behaupteten, keinen König zu haben, aber Mhorbaine war ihr oberster Richter, durch eine Wahl bestimmt, nicht Kraft seiner Geburt.

Julius trommelte mit den Fingern einer Hand auf den Rücken der anderen, als Mhorbaine antwortete und der Dolmetscher überlegte, wie er seine Worte übersetzen sollte.

»Die Haeduer sind gewillt, deine Hilfe anzunehmen, um die Helvetier von ihren Grenzen zurückzuschlagen«, sagte der Mann dann endlich.

Julius lachte laut auf, und Mhorbaine zuckte zusammen.

»Sind gewillt?«, sagte er spöttisch. »Sag ihm, ich werde sein Volk vor der Vernichtung retten, wenn sie mich dafür mit Getreide und Fleisch bezahlen. Meine Männer müssen essen. Für dreißigtausend Mann müssen jeden Tag mindestens zweihundert Rinder geschlachtet werden. Ich akzeptiere auch die gleiche Menge an Wild oder Hammelfleisch, dazu Getreide, Brot, Öl, Fisch und Gewürze. Ohne Verpflegung rühren wir uns nicht von der Stelle.«