Nun begannen ernsthaft die Verhandlungen, immer wieder von der langsamen Übersetzung behindert. Julius sehnte sich danach, den Dolmetscher zu entlassen und ihn durch Adàn mit seiner schnellen Auffassungsgabe zu ersetzen, aber er riss sich zusammen, während die Stunden zäh verrannen und der orangefarbene Mond über den Bergen hinter ihnen aufging. Mhorbaine hingegen schien langsam die Geduld zu verlieren, und als sie alle wieder auf den Übersetzer warteten, der gerade zögernd einen Satz zu Ende bringen wollte, schnitt ihm der Gallier mit einer Handbewegung das Wort ab und begann in sauberem Latein mit römischem Akzent zu sprechen.
»Ich habe genug von diesem Trottel. Ich verstehe dich gut genug, um ohne ihn auszukommen.«
Julius musste bei dieser Offenbarung laut auflachen. »Meine Sprache verhunzt er auf jeden Fall, so viel weiß ich. Wer hat dich die Sprache Roms gelehrt?«
Mhorbaine zuckte die Achseln. »Marcus Antonius hat Männer zu allen Stämmen geschickt, als er hierher kam. Die meisten wurden umgebracht und ihre Leichen zu ihm zurückgeschickt, aber ich habe den meinen bei mir behalten. Dieser erbärmliche Wicht hat die Sprache von demselben Mann gelernt, aber nur schlecht. Er hat kein Ohr für Sprachen, aber ich hatte keinen anderen.«
Danach gingen die Verhandlungen schneller voran, und Mhorbaines Versuch, seine Kenntnisse zu verbergen, erheiterte Julius. Er fragte sich, ob dieser auch Adàns Funktion bei diesem Treffen erraten hatte. Es war anzunehmen. Der Führer der Haeduer war ein sehr kluger Kopf, und Julius spürte bis zum Ende, wie ihn der andere kühl einzuschätzen versuchte.
Als sie fertig waren, stand Julius auf und packte Mhorbaine bei der Schulter. Unter dem Wollstoff spürte er Muskeln. Der Mann war wohl eher ein Kriegsherr als ein Richter, wenigstens nach dem zu urteilen, was Julius darunter verstand. Er führte Mhorbaine hinaus zu den Pferden, ging dann aber noch einmal hinein, wo Adàn auf ihn wartete.
»Nun?«, sagte Julius. »Habe ich irgendetwas Wichtiges verpasst, ehe Mhorbaine die Geduld verloren hat?«
Adàn musste über Julius’ Belustigung lächeln. »Mhorbaine hat den Übersetzer gefragt, ob du stark genug bist, um die Helvetier abzuwehren, und der hat geantwortet, dass er das für wahrscheinlich hält. Das war alles, was du nicht gehört hast. Ihnen bleibt keine andere Wahl, wenn sie ihre Herden nicht an die Helvetier verlieren wollen.«
»Perfekt. So habe ich mich von einem fremden Eroberer, der genauso gefährlich ist wie die Helvetier, in einen Römer verwandelt, der von einem Stamm in Not zu Hilfe gerufen wird. Schreib das in die Berichte für Rom. Ich will, dass mein Volk gut über das denkt, was wir hier tun.«
»Ist das wichtig?«, fragte Adàn.
Julius schnaubte verächtlich. »Du hast keine Ahnung, wie wichtig das ist. Die Bürger wollen nicht wissen, wie andere Länder gewonnen werden. Sie glauben lieber, dass sich die feindlichen Armeen unserer moralischen Überlegenheit beugen, nicht unserer Stärke. Ich muss hier sehr vorsichtig vorgehen, trotz Freiheiten, die mir der Senat zugebilligt hat. Wenn sich die Machtverhältnisse in Rom ändern, kann ich jederzeit zurückbeordert werden, und es wird immer Feinde geben, die es gerne sehen, wenn ich in Ungnade falle. Schick die Berichte mit genügend Geld los, damit sie auf jeder Straße und auf dem Forum verlesen werden. Die Menschen sollen erfahren, welche Fortschritte wir in ihrem Namen machen.«
Julius hielt inne, und seine Heiterkeit verflog, als er an die Probleme dachte, die ihm bevorstanden.
»Jetzt müssen wir nur noch die größte Armee schlagen, die ich je gesehen habe, dann können wir gute Nachrichten nach Rom schicken«, sagte er. »Ruf Brutus, Marcus Antonius, Octavian und Domitius zusammen, meinen ganzen Beraterstab. Und Renius auch, sein Rat ist immer vernünftig. Richte Brutus aus, er soll seine Kundschafter ausschwärmen lassen. Ich will wissen, wo sich die Helvetier befinden und wie sie organisiert sind. Beeil dich, mein Junge. Wir müssen eine Schlacht planen, und bei Morgengrauen will ich unterwegs sein.«
23
Julius lag auf dem Bauch und beobachtete, wie die Helvetier über die Ebene zogen. Bei aller Konzentration fiel ihm doch auf, wie üppig grün das Land war. Die Erde Roms wirkte im Vergleich dazu trocken und karg. Statt der kahlen Berge des Südens, die er kannte, an deren Hängen die Bauern unter großen Mühen ihren Lebensunterhalt verdienten, boten sich seinen Blicken hier gewaltige, weite Ebenen voller fruchtbarer Erde. Es verlangte ihn danach, mit dem primitiven Begehren eines Mannes, der selbst schon eigenes Land bestellt hatte. Gallien konnte ein ganzes Imperium ernähren.
Das Tageslicht schwand bereits, und er ballte vor Erregung die Fäuste, als der Wind die klagenden Töne von Hörnern herüber- wehte. Die riesige Marschkolonne schlug ihr Nachtlager auf. Einer seiner Kundschafter kam herbeigeeilt und warf sich keuchend neben ihn.
»Sieht so aus, als wären das alle, Herr. Ich konnte keine Nachhut oder Reserve entdecken. Sie marschieren schnell, aber sie müssen heute Nacht rasten, sonst werden sie bald anfangen, Leichen hinter sich zurückzulassen.«
Julius zog ein flaches Lederbündel unter seiner Rüstung hervor und breitete es auf dem Boden aus. Der Kundschafter sah fasziniert zu, wie sein Feldherr zwei polierte Scheiben aus Bergkristall hervorzog und sie in ein Rohr aus Leder einfügte, das er schließlich mit zwei Ringen verschloss, die beim Zuschnappen leise klickten. Das Teleskop hatte Marius gehört, und es war zu alt und zu wertvoll, um es aus der Hand zu geben. Julius musterte damit die Helvetier und nickte, als er sie erspähte.
»Sie machen Halt. Siehst du, wie sich die Soldaten zu Gruppen um den Kern herum zusammenfinden? Das sieht mir nach einer griechischen Speer-Phalanx aus. Ich frage mich, ob sie selbst darauf gekommen sind oder ob ihre Vorfahren jemals in Griechenland waren. Sobald ich Gelegenheit dazu habe, muss ich einen von ihnen dazu befragen.«
Er suchte die Ebene ab und überlegte, welche Möglichkeiten er hatte. Eine Meile hinter ihm standen 30000 Legionäre bereit, um sich auf die Helvetier zu stürzen, aber nach einem Gewaltmarsch von fast 40 Meilen, mit dem sie dem Stamm den Weg abgeschnitten hatten, waren die Männer erschöpft. Zu Julius’ großer Enttäuschung hatte er die riesigen Wurfmaschinen und Skorpione, die einen großen Anteil der Stärke der Legion ausmachten, nicht dabei. Die Ebene wäre perfekt für sie gewesen, aber bis er Straßen durch das Land gebaut hatte, mussten sie, in Einzelteile zerlegt, auf den Karren bleiben, die er aus Rom mitgebracht hatte.
»Kannst du erkennen, wie viele Krieger sie haben?«, fragte der Kundschafter, beeindruckt von der Armee, der sie gegenüberstanden. Die Helvetier waren zu weit entfernt, um sie hören zu können, aber die gewaltige Größe des Völkerzugs war erdrückend.
»Achtzigtausend, schätze ich, aber wegen der vielen anderen bin ich mir nicht sicher. Es sind mehr Menschen, als ich jemals auf einem Haufen gesehen habe«, erwiderte Julius leise.
Es waren zu viele, um die Legionen zum offenen Angriff übergehen zu lassen, selbst wenn sie nicht so erschöpft gewesen wären. »Hol Brutus her!«, befahl er.
Es dauerte nicht lange, bis er hörte, wie jemand angerannt kam, und Brutus sich neben ihn ins feuchte Laub kauerte.
Die Helvetier waren durch ein breites Tal marschiert, das in das Gebiet der Haeduer führte. Sie hatten bei der Umgehung des Flusses ein schnelles Tempo vorgelegt, und Julius war beeindruckt von ihrer Ausdauer und ihrer Organisation, als sie jetzt ihr Nachtlager vor ihren Augen in der Ebene aufschlugen. Falls sie noch tiefer in das Land der Haeduer vorstießen, würden sie in dichte Waldgebiete kommen, in denen der Vorteil der Legionen verloren wäre. Die Wälder hier waren nicht so licht wie die, die er aus Rom kannte. Dichtes Unterholz behinderte das Vorankommen der Pferde und machte jede Art von koordiniertem Kampf unmöglich. Die reine Überzahl wäre dann entscheidend, und die Helvetier hatten eine riesige Menge an Kriegern und keine andere Möglichkeit, als weiterzumarschieren.