Gerade als die Helvetier nichts ahnend auf ihre Positionen zumarschierten, ging die Sonne über den Bergen auf. Brutus spürte, wie die Erregung in ihm aufstieg, während er darauf wartete, dass ihre Krieger die Soldaten der Zehnten und Dritten entdeckten, die auf sie herabblickten. Er grinste in Erwartung der ersten Lichtstrahlen und lachte bei ihrem Anblick laut auf, als es so weit war.
Die Sonne, die hinter den Gipfeln hervorkam, tauchte sie in strahlendes Licht. 10000 Helme und Rüstungen verwandelten sich innerhalb von Minuten von mattem Grau in glänzendes Gold. Die gelben Rosshaarbüsche der Zenturios schienen zu leuchten, und die Kolonne der Helvetier unten in der Ebene geriet ins Stocken, als einzelne Männer auf sie zeigten und Warnrufe ausstießen.
Dem Stamm musste es so vorgekommen sein, als wären sie aus dem Nichts aufgetaucht, aber sie waren mutig. Sobald der erste Schreck verflogen war, erkannten sie die kleine Armee, die dort am Hang stand, und fast wie ein Mann brüllten sie ihren Trotz heraus. Sie erstreckten sich fast über das gesamte Tal.
»Beim Mars«, sagte Brutus leise. »Das muss eine halbe Million sein, ich schwöre es.«
Er sah, wie die Phalanxen nach vorne schwärmten, ein Wald von Speeren, als sie immer schneller über das Gelände zwischen den beiden Armeen vorrückten. Die ersten Reihen trugen breite Schilde, mit denen sie den Feind rammen sollten, aber ihre Formation würde das unebene Terrain des Hügels niemals überstehen. Sie rannten wie Wölfe über loses Geröll, und Brutus schüttelte den Kopf, als er sah, wie viele auf ihn zustürmten.
»Bogenschützen ... Reichweite ermitteln!«, schrie Brutus. Dann beobachtete er, wie vier Pfeile in hohem Bogen durch die Luft flogen und die maximale Reichweite markierten. Er hatte nur 300 Mann der Legionen aus Ariminum dabei und wusste nicht, wie gut sie waren. Gegen ungeschützte Gegner konnte ihr Feuer vernichtend sein, aber er bezweifelte, dass sie mehr ausrichten konnten, als die Helvetier unter ihren Schilden zu ärgern.
»Speere bereit machen!«, brüllte er.
Die Zehnte nahm ihre vier Speere auf und überprüfte die Spitzen ein letztes Mal. Sie würden sie nicht gezielt werfen, sondern die Waffen mit den schweren Eisenköpfen hoch in die Luft schleudern, damit sie im Augenblick des Auftreffens fast senkrecht herabfielen. Das erforderte viel Geschicklichkeit, aber so hatten sie es gelernt. Sie waren Experten darin.
»Reichweite!«, rief Brutus.
Er sah zu, wie Ciro ein rotes Tuch um den Schaft eines seiner Speere band und ihn mit einem Ächzen hoch in die Luft schleuderte. Keiner von ihnen kam auf eine ähnliche Weite wie der große Mann, und als der Speer sich zitternd in den Erdboden bohrte, hatte Brutus eine Markierung für die weiteste Distanz, 50 Schritte kürzer als die der Pfeile, die weiter unten am felsigen Hang steckten. Sobald die Helvetier diese Linie überschritten, würden sie durch einen Hagel von Geschossen rennen müssen. Wenn sie an Ciros Speer vorbeikamen, würden 40000 weitere in weniger als zehn Herzschlägen auf sie geschleudert werden.
Die Helvetier brüllten, als sie den Hang hinaufzustampfen begannen, und eine Morgenbrise fegte über den Abhang und wehte den Staub aus der Ebene auf.
»Bogenschützen!«, rief Brutus, und zehn Reihen weiter hinten feuerten die Schützen mit Ruhe und Geschick, bis ihre Köcher leer waren. Brutus sah, wie die Salve auf die schreienden Männer unter ihnen niederging, die sich immer noch außerhalb der Reichweite der weitaus tödlicheren Speere befanden. Viele Pfeile prallten von den Schilden ab, die die Stammeskrieger schützend hochhoben, während sie weiterrannten. Nur wenige blieben tot oder verwundet liegen. Das erste Blut war geflossen. Brutus hoffte, dass Julius bereit war.
Julius saß im Sattel, als er den Stamm brüllen hörte. Er riss sein Pferd herum und suchte nach dem Kundschafter, der ihm die Nachricht überbracht hatte.
»Wo ist der Mann, der mir erzählt hat, der Feind befände sich auf dem Hügel?«, rief er, während sich sein Magen zusammen- krampfte.
Der Ruf wurde weitergegeben, und der Kundschafter kam auf seinem Pferd herangetrabt. Er war sehr jung, seine Wangen waren von der Kälte des Morgens gerötet. Julius, der einen schlimmen Verdacht hegte, funkelte ihn finster an.
»Der Feind, den du gemeldet hast. Berichte mir, was du gesehen hast«, sagte Julius.
Der junge Mann stammelte nervös, während ihn sein General anstarrte. »Auf dem Hügel waren Tausende, Herr. Im Dunkeln konnte ich ihre genaue Anzahl nicht erkennen, aber es waren viele, Herr. Ein Hinterhalt.«
Julius schloss einen Augenblick die Augen.
»Verhaftet diesen Mann und haltet ihn fest, bis er bestraft wird. Das waren unsere Legionen, du blöder Idiot!«
Julius riss sein Pferd herum und dachte verzweifelt nach. Sie waren erst ein paar Meilen von der Ebene entfernt. Vielleicht war es noch nicht zu spät. Er löste den Helm vom Sattelhorn, setzte ihn auf und sah die versammelten Männer durch die eiserne Maske hindurch an.
»Die Zehnte und die Dritte Gallica brauchen unsere Unterstützung. Wir werden im schnellsten Eiltempo marschieren und die Helvetier angreifen. Mitten hinein, meine Herren. Mitten hinein.«
Als die Helvetier an der Speermarkierung vorbeiströmten, wartete Brutus, bis sie nicht mehr zu sehen war. Wenn er den Befehl zu früh gab, warf die Dritte hinter ihnen vielleicht zu kurz. Wenn er zu lange wartete, wurde der vernichtende Eindruck, die ersten Reihen des Angriffs niedergemäht zu sehen, verfehlt, weil die Wurfgeschosse über sie hinwegflogen.
»Speere!«, rief Brutus, so laut er konnte, und schleuderte seinen eigenen hoch in die Luft.
10000 Soldaten rissen die Arme nach vorne und griffen dann gleich nach dem nächsten Speer, der vor ihren Füßen lag. Noch ehe die erste Salve landete, das wusste Brutus, würde die Zehnte schon zwei weitere in der Luft haben. Die Dritte Gallica schleuderte ihre Speere langsamer, aber nicht viel, angestachelt vom Vorbild der Veteranen und der Angst vor dem Angriff.
Er hatte den Zeitpunkt perfekt gewählt. Die verschiedenen Reihen der Zehnten und Dritten schickten ihre Speere wie einen Teppich aus pfeifendem Eisen auf den Feind. Nicht nur die erste Reihe, sondern die ersten zehn Reihen verwandelten sich innerhalb von Sekunden von rennenden Kriegern in blutige Leichen. Hunderte starben durch die erste Welle, und die Überlebenden sahen bereits die schwarze Wolke der zweiten Salve auf sich zukommen, während sie sich gegenseitig weitertrieben.
Dem Tod von oben konnte niemand ausweichen. Die Speere fielen in Gruppen oder weit auseinander aus der Luft. Ein einzelner Mann konnte von mehreren zugleich durchbohrt oder eine ganze Reihe niedergestreckt werden, in der ein Einziger wie durch ein Wunder unversehrt blieb. Obwohl sich die Helvetier unter ihren Schilden bargen, bohrten sich die schweren Eisenköpfe durch Holz und Knochen gleichermaßen in den weichen Erdboden unter ihnen. Brutus sah, wie viele Stammeskrieger verzweifelt versuchten, ihre Schilde voneinander zu lösen, die zum Teil mit denen anderer fest zusammengeheftet waren. Viele lebten noch, konnten aber nicht mehr aufstehen, während das Blut aus ihnen herausströmte.
Brutus sah, wie der Angriff ins Stocken kam. Die dritte Welle richtete weniger Schaden an, und noch vor der letzten zogen sie sich zurück und rannten in wilder Flucht vor den Männern auf dem Hügel davon. Die Zehnte brach in Jubel aus, als die Gallier die Flucht ergriffen, und Brutus blickte nach Osten und hielt nach Julius Ausschau. Wenn er seine Legionen in diesem Augenblick angreifen ließe, hätten sie die Helvetier leicht in Panik versetzen und ihnen eine vernichtende Niederlage beibringen können. Doch es war nichts von ihm zu sehen.
Die Helvetier formierten sich außerhalb ihrer Reichweite neu und schickten sich an, über die Leichen ihrer besten Krieger hinweg vorzurücken.
»Diese Männer haben noch nie gegen die Legionen Roms gekämpft!«, rief Brutus den Männern um sich herum zu.