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»Genau darin liegt das Problem«, sagte Julius und rieb sich die müden Augen. »Oder besser gesagt hier.« Er hob eine schwere Rolle aus Tierhaut hoch und zeigte ihnen den Anfang, auf dem winzige Schriftzeichen geschrieben standen.

»Adàn sagt, das sei eine Liste ihrer Leute. Er hat schon Stunden gebraucht, um eine grobe Schätzung anzustellen.«

»Wie viele sind es?«, fragte Marcus Antonius. Alle blickten Julius an und warteten.

»Neunzigtausend Männer im Kriegeralter, und noch dreimal so viel Frauen, Kinder und Alte.«

Die Zahlen verschlugen allen die Sprache. Octavian fand sie als Erster wieder und sagte mit weit aufgerissenen Augen: »Und wie viele Männer haben wir gefangen genommen?«

»Ungefähr zwanzigtausend«, erwiderte Julius. Sein Gesicht blieb unbewegt, während die anderen vor Staunen lachten und sich gegenseitig auf den Rücken schlugen. Octavian pfiff leise.

»Siebzigtausend Tote. Wir haben eine ganze Stadt umgebracht.«

Seine Worte ernüchterten die anderen, die an die Berge von Toten auf der Ebene und dem Hügel dachten.

»Und unsere eigenen Toten?«, fraget Renius.

Julius nannte die Zahlen ohne Zögern.

»Achthundert Legionäre, darunter vierundzwanzig Offiziere. Ungefähr die gleiche Anzahl Verwundete. Viele von ihnen werden wieder kämpfen können, wenn wir sie zusammengeflickt haben.«

Renius schüttelte verblüfft den Kopf. »Das ist ein guter Preis.«

»Möge es immer so sein«, sagte Julius und hob den Becher des Königs. Die anderen tranken mit ihm.

»Aber wir haben immer noch eine Viertelmillion Menschen am Hals«, erinnerte Marcus Antonius. »Wir sind hier in der Ebene ungeschützt, und die Haeduer sind eilends im Anmarsch, um einen Anteil an der Beute zu fordern. Machen wir uns nichts vor, meine Herren. Morgen Mittag wird hier eine weitere Armee auftauchen, die von uns einen Teil der Reichtümer der Helvetier verlangt.«

»Sie gehören von Rechts wegen uns, soweit es überhaupt welche gibt«, erwiderte Renius. »Ich persönlich habe außer diesen Bechern keine großen Reichtümer gesehen.«

»Nein, es ist vielleicht geschickter, ihnen etwas davon abzugeben«, sagte Julius nachdenklich. »Sie haben ein Dorf verloren, und die Schlacht hat auf ihrem Land stattgefunden. Wir brauchen Verbündete unter diesen Völkern, und Mhorbaine ist sehr einflussreich.« Er wandte sich an Bericus, der immer noch seine blutbespritzte Rüstung trug.

»Deine Männer sollen ein Zehntel von allem nehmen, was wir hier gefunden haben, und es für die Haeduer bewachen.«

Bericus erhob sich und salutierte. Wie die anderen war er bleich vor Müdigkeit, aber er verließ schnell das Zelt, und sie alle konnten hören, wie kräftig seine Stimme wieder klang, als er seine Befehle in die Dunkelheit hinausrief.

»Und was fangen wir mit den Gefangenen an?«, fragte Brutus.

»Rom braucht Sklaven«, erwiderte Julius. »Auch wenn der Preis fallen wird, brauchen wir Geld für unseren Feldzug. Im Augenblick sind Münzen wie diese hier der einzige Reichtum, den wir besitzen. Wir haben kein Silber, um den Sold der Zehnten und Dritten zu bezahlen, und sechs Legionen verbrauchen jeden Monat ein Vermögen. Unsere Soldaten wissen, dass der Verkaufspreis der gefangenen Soldaten ihnen gehört, und viele von ihnen diskutieren schon über ihren neuen Reichtum.«

Marcus Antonius sah etwas betreten aus, als er das hörte. Seine Legion wurde von Rom bezahlt, und er hatte angenommen, dass das bei den anderen auch so war.

»Mir war nicht bewusst ... «, fing er an und hielt dann inne. »Darf ich etwas sagen?«

Julius nickte. Marcus Antonius hielt Brutus seinen Becher hin, der ihn ignorierte.

»Wenn ihr den Stamm in Rom verkauft, wird das Land der Helvetier verlassen bleiben, bis zum Rhein hinüber. Es gibt dort germanische Stämme, die den Fluss nur zu gerne überqueren und das nun schutzlose Land besetzen würden. Die Gallier verehren starke Krieger, aber von den Männern auf der anderen Seite des Flusses haben sie keine gute Meinung. Solche Burschen würdest du nicht an den Grenzen der römischen Provinz haben wollen.«

»Wir könnten das Land selbst besetzen«, warf Brutus ein. Marcus Antonius schüttelte den Kopf.

»Wenn wir das Rheinufer von ein paar Legionen bewachen lassen, verlieren wir damit die Hälfte unserer Streitkräfte, ohne etwas zu gewinnen. Das Land besteht im Augenblick aus wertloser Asche. Man müsste Lebensmittel einführen, bis die Felder wieder bestellt sind, und wer soll die Feldarbeit machen? Unsere Legionäre? Nein, es wäre viel besser, die Helvetier in ihr Land zurückzuschicken. Sollen sie doch den Norden für uns bewachen. Sie haben schließlich mehr zu verlieren.«

»Würden sie nicht von den wilden Stämmen überrannt werden, die du erwähnt hast?«, fragte Julius.

»Sie haben immer noch zwanzigtausend Krieger. Das ist keine geringe Zahl. Und was noch wichtiger ist, sie würden bis zum Letzten kämpfen, um neue Eindringlinge abzuwehren. Sie haben gesehen, wozu die Legionen in der Lage sind, und wenn sie nicht nach Süden wandern können, müssen sie bleiben und um ihre Felder und Häuser kämpfen. Gib mir noch etwas von dem Wein, Brutus.«

Brutus sah Marcus Antonius widerwillig an, als dieser ihm den Becher hinhielt, nachdem er es offensichtlich gar nicht bemerkt hatte, dass ihm der Wein schon einmal verweigert worden war.

»Nun gut«, sagte Julius. »Obwohl den Männern das nicht gefallen wird, werden wir den Helvetiern genug Vorräte lassen, um nach Hause zu ziehen, und den Rest für uns behalten. Ich werde jedem Zehnten eine Waffe geben, damit sie ihr Volk beschützen können. Alles andere nehmen wir mit, abzüglich des Anteils für die Haeduer. Vielen Dank, Marcus Antonius. Das ist ein guter Rat.«

Julius blickte die Männer im Zelt nacheinander an.

»Ich lasse Rom wissen, was wir hier erreicht haben. Mein Schreiber kopiert in diesem Augenblick die Berichte. Und jetzt hoffe ich, dass ihr nicht zu müde seid, denn die Kolonne soll sich beim ersten Tageslicht in Bewegung setzen.« Die Männer stöhnten kaum hörbar, und Julius lächelte.

»Wir bleiben hier, um den Haeduern ihren Anteil zu übergeben und dann in gemächlichem Tempo in die Provinz zurückzumarschieren, wo wir übermorgen ankommen werden.« Er gähnte und löste damit bei dem einen oder anderen ein Echo aus. »Dann können wir schlafen.« Er stand auf, und die anderen erhoben sich mit ihm. »Kommt jetzt, im Sommer sind die Nächte kurz.«

Am nächsten Tag nötigten die Organisationskünste der Helvetier Julius widerwilligen Respekt ab. So viele Menschen abmarschbereit zu machen war schon schwierig genug, aber das Abwiegen der Nahrungsmittel, die sie auf dem Weg nach Hause am Leben erhalten würden, dauerte viele Stunden. Diese Aufgabe war der Zehnten zugefallen, und schon bald hatten sich lange Schlangen vor den Soldaten mit den Messbechern und Säcken gebildet, die allen überlebenden Stammesangehörigen ihren Proviant zuteilten.

Die Helvetier waren noch immer vollkommen verblüfft von der plötzlichen Wendung, die das Schicksal für sie genommen hatte. Die Haeduer, die sie als Gefangene mitgenommen hatten, mussten mit Gewalt herausgeholt werden, nachdem es am Morgen zu zwei Messerstechereien gekommen war. Die Frauen der Haeduer hatten sich mit einer Brutalität an ihren Entführern gerächt, die selbst die abgehärteten Soldaten entsetzte. Julius ließ zwei von ihnen hängen, danach gab es keine weiteren Vorfälle dieser Art.

Die Armee der Haeduer war kurz vor der Mittagsstunde zwischen den Bäumen hervorgekommen, als sich Julius gerade fragte, ob es ihnen jemals gelingen würde, den riesigen Tross in Bewegung zu setzen. Kaum hatte er sie in der Ferne entdeckt, schickte Julius einen Kundschafter mit einer Botschaft zu ihnen, die aus nur einem Wort bestand: »Wartet!« Das Chaos würde durch mehrere Tausend wütender Kämpfer, die darauf brannten, auf den geschlagenen Feind loszugehen, nur noch wachsen. Um ihre Geduld zu belohnen, ließ Julius nach einer Stunde einen Tross mit Ochsen folgen, die mit Waffen und Wertgegenständen der Helvetier beladen waren. Die Gefangenen, die er befreit hatte, schickte er mit, und Julius war froh, sie los zu sein. Er verhielt sich den Haeduern gegenüber sehr großzügig, obwohl Marcus Antonius meinte, dass sie gewiss argwöhnen würden, er hätte die besten Stücke für sich behalten, was immer er ihnen auch schickte. Tatsächlich hatte er die goldenen Becher behalten und unter den Heerführern seiner Legion aufgeteilt.