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26

Pompeius lehnte sich auf die Balustrade des weißen Marmorbalkons des Jupitertempels, unter sich das weite Areal des Forums. Von der Spitze des Kapitols aus konnte er über das Herz der Stadt blicken, und was er sah, missfiel ihm gewaltig.

Crassus ließ sich nichts von seiner Belustigung anmerken, während er ebenfalls den Blick über die anschwellenden Menschenmengen schweifen ließ. Er schwieg, während Pompeius zornig vor sich hin murmelte, und sich von Zeit zu Zeit an ihn wandte, um auf irgendeinen Aspekt der Szene hinzuweisen, der ihn erneut in Raserei versetzte.

»Dort, Crassus! Siehst du sie? Diese elenden Halunken!«, rief Pompeius und zeigte mit ausgestrecktem Finger.

Crassus blickte an dem bebenden Finger vorbei, dorthin, wo sich eine lange Reihe von Männern in schwarzen Togas ihren Weg von einer Seite des Forums zum Senatsgebäude bahnte, wobei die Gestalten ab und zu stehen blieben, um Weihrauch zu verbrennen. Crassus glaubte, im Wind die Klänge ihres Totengesangs zu vernehmen, und er konnte sich gerade noch ein Lachen verkneifen, als Pompeius bei den klagenden Tönen erstarrte.

»Was denken sie sich dabei, mich auf diese Weise zu verspotten?«, rief Pompeius, der vor Zorn violett anlief. »Dass die ganze Stadt sie in ihren Trauergewändern sieht! Bei den Göttern, die Bürger werden sie nur zu gern sehen. Und was kommt dabei heraus? Ich schwöre es, Crassus, die Leute werden die Gehorsamsverweigerung des Senats als Vorwand für Ausschreitungen benutzen, und das noch heute Nacht. Dann bin ich gezwungen, wieder eine Ausgangssperre zu verhängen, und wieder werden sie mir vorwerfen, dass ich ohne sie regiere.«

Crassus räusperte sich leise und wählte seine Worte mit Bedacht. Der lange Zug der Senatoren unter ihnen blieb abermals stehen, Weihrauch quoll aus goldenen Gefäßen in den sanften Wind.

»Du wusstest doch, dass sie gegen unsere Abmachung rebellieren könnten, Pompeius. Du hast selbst gesagt, dass sie immer zänkischer werden«, sagte er.

»Das schon, aber ich habe nicht mit einer derartigen öffentlichen Zurschaustellung von Kopflosigkeit gerechnet, nach all den Schwierigkeiten, die sie mir in der Curia bereitet haben. Dahinter steckt dieser Narr Suetonius, das weiß ich. Er hofiert den Kaufmann Clodius, als wäre der etwas Besseres als der Bandenführer, der er in Wirklichkeit ist. Ich wünschte, du hättest ihm richtig das Rückgrat gebrochen, Crassus. Du solltest sehen, wie sie diskutieren und meine Gesetzgebung mit Argusaugen überwachen! Als wäre auch nur einer von ihnen schon länger als einen winzigen Augenblick Senator gewesen. Es ist unerträglich! Manchmal treiben sie mich dazu, dass ich am liebsten die Macht auf genau die Art und Weise an mich reißen würde, wie sie es mir vorwerfen. Das wäre doch etwas! Könnte ich nur sechs Monate lang Diktator sein, ich würde die Abweichler ausrotten und diese ... diese ... « Er suchte mit wild fuchtelndem Arm nach Worten. Die Prozession der Senatoren näherte sich jetzt dem Gebäude der Curia, und Crassus hörte, wie die Menge ihre Auflehnung gegen Pompeius mit lautem Jubel belohnte.

Crassus empfand kein Mitleid mit seinem Amtskollegen. Pompeius mangelte es an der Gerissenheit, seine Gegenspieler zu bearbeiten; er bediente sich lieber seiner Autorität, um den Senat zum Gehorsam zu zwingen. Persönlich stimmte Crassus mit vielen der anderen Senatoren darin überein, dass Pompeius sich schon jetzt aufführte wie ein Diktator – ein Diktator über eine Stadt, die zunehmend die Geduld mit diesem autokratischen Gebaren verlor.

In der Ferne erreichte die Prozession die Stufen zur Curia, und Crassus sah, dass sie anhielt. Die Männer spielten ein gefährliches Spiel, Pompeius derartig zu reizen. Ihr höhnischer Trauerzug anlässlich des Todes der Republik war als öffentliche Warnung gedacht, doch die letzte Glut der Demokratie könnte womöglich genau dann erstickt werden, wenn Pompeius als Reaktion darauf alle Hemmungen fahren ließ. Ganz gewiss wäre Pompeius im Recht, wenn er, falls es zu Krawallen und Aufständen kam, die Stadt unter seine Knute zwang, und wenn er sich schon einmal so weit getrieben sah, war auch die Diktatur kein allzu großer Sprung mehr für ihn. Hatte er sich einmal zu dieser Position bekannt, dann würde nur ein Krieg sie seinen Händen wieder entreißen können, darüber machte sich Crassus keine Illusionen.

»Wenn du nur einen Augenblick über deinen Zorn hinausblickst«, sagte Crassus leise, »fällt dir bestimmt auf, dass sie dich nicht weiter drängen als dorthin, wo du ohnehin schon stehst. Ist es zu viel verlangt, die Wahlen, die du unterbunden hast, doch noch zu erlauben? Du hast deine Strohmänner inzwischen als Volkstribunen eingesetzt. Könntest du nicht für zukünftige Ämter wieder die Wahl zulassen? Damit würdest du den Kundgebungen gegen dich einigen Wind aus den Segeln nehmen und zumindest etwas Zeit gewinnen.«

Pompeius antwortete nicht. Die beiden Männer sahen zu, wie die Senatoren in der Curia verschwanden und die fernen Bronzetore hinter ihnen zufielen. Zurück blieb die aufgebrachte Menge, die unter den grimmigen Blicken der Soldaten des Pompeius schreiend und pöbelnd durcheinander wimmelte. Obwohl die Beerdigungsprozession vorüber war, waren insbesondere die jüngeren Bürger von der Darbietung angesteckt worden und weigerten sich, nach Hause zu gehen. Pompeius hoffte, dass seine Zenturios genug Verstand besaßen, nicht zu brutal gegen sie vorzugehen. Bei der vorherrschenden Stimmung in Rom konnte der geringste Funke einen Aufstand entfachen.

Als Pompeius wieder das Wort ergriff, klang seine Stimme bitter.

»Sie haben mir überall nur Knüppel zwischen die Beine geworfen, Crassus. Selbst als ich den gesamten Senat hinter mir hatte, haben sich diese Hurensöhne von Tribunen erhoben und ihr Veto gegen meine Gesetzgebung eingelegt. Sie haben sich gegen mich gestellt. Warum sollte ich nicht meine eigenen Leute auf ihre Posten setzen? Zumindest muss ich mir jetzt mein Werk nicht mehr wegen irgendwelchen Nichtigkeiten oder Launen ruinieren lassen.«

Crassus betrachtete seinen Amtsbruder und sah die Veränderungen, die das vergangene Jahr in ihm hervorgerufen hatte. Unter seinen Augen zeichneten sich dunkle Ringe ab, er sah erschöpft aus. Es war keine leichte Zeit gewesen; die Bürger hatten die Stärke ihrer Anführer auf die Probe gestellt. Crassus war froh, dass er mit dem ständigen Gezerre nichts mehr zu tun hatte. Die Verantwortung hatte Pompeius altern lassen, und Crassus fragte sich, ob er den Handel, den er eingegangen war, nicht insgeheim bereute. Julius hatte Gallien, Crassus seine Flotte und seine über alles geliebte Legion. Pompeius hatte den Kampf seines Lebens, der gleich am ersten Tag im Senat begonnen hatte, als er mit Julius’ Vollmacht eine Gesetzesvorlage durchgepeitscht hatte.

Der Senat hatte den Machtwechsel zunächst mitgetragen, dann jedoch hatten sich Fraktionen gebildet, und mit neuen Männern wie den Kaufleuten Clodius und Milo war das Spiel für alle Beteiligten gefährlicher geworden. Gerüchte behaupteten, Bibulus sei ermordet oder verstümmelt worden, und zweimal hatte der Senat verlangt, dass er lebendig vorgeführt und seine Abwesenheit erklärt werden sollte. Pompeius hatte ihnen erlaubt, Briefe an den Konsul zu schicken, doch Julius hatte Wort gehalten. Bibulus war nicht erschienen, und Besucher hatten sein Haus dunkel und verrammelt vorgefunden.

Nachdem es bei zwei Debatten fast zu tätlichen Auseinandersetzungen gekommen war, hatte Pompeius ohne Rücksicht auf den Protest der Senatoren seine Soldaten zum Schutz der Sitzungen aufmarschieren lassen. Jetzt stellten die Senatoren ihre Unzufriedenheit vor dem Volk zur Schau und machten den Disput öffentlich. Obwohl Crassus den Zorn des Pompeius amüsant fand, sorgte er sich doch nicht wenig darum, was aus alldem werden sollte.

»Niemand regiert Rom allein, mein Freund«, murmelte Crassus.

Pompeius warf ihm einen stechenden Blick zu.

»Zeige mir die Gesetzte, die ich gebrochen habe! Meine Tribunen wurden nicht gewählt, sondern benannt. Es war nie vorgesehen, dass sie die Arbeit des Senats vollkommen zum Erliegen bringen, und genau das geschieht nun nicht mehr.«