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Adàn schaute weg, als Julius ihn anlächelte. Je mehr Zeit er in der Gesellschaft des römischen Feldherrn verbrachte, desto verwirrter fühlte er sich. Manchmal, wenn Julius ihm die Befangenheit nehmen wollte, spürte Adàn den immensen persönlichen Charme des Mannes und verstand, weshalb ihm andere bedingungslos zu folgen bereit waren. Dann wiederum gab es Zeiten, in denen er die Gefühllosigkeit und Abgebrühtheit der Heerführer, mit der sie bei ihren Versammlungen über das Schicksal von Millionen entschieden, kaum fassen konnte. Er wusste nie genau, ob Julius genauso skrupellos war wie Renius und seinesgleichen, oder ob er wirklich daran glaubte, dass es für die Stämme besser war, Rom nach Gallien zu bringen, als sie sich selbst zu überlassen. Das war für den jungen Mann entscheidend. Wenn er dachte, dass Julius seinen eigenen Worten hinsichtlich der Segnungen der Zivilisation glaubte, dann konnte Adàn den Respekt rechtfertigen, den er ihm gegenüber empfand. Wenn aber alles nur ein Spiel war oder ein Vorwand für Eroberungen, dann hatte Adàn den größten Fehler seines Lebens begangen, als er Spanien verlassen hatte, um ihm zu folgen.

»Ariovist hat meine Boten abermals verhöhnt«, sagte Julius zu seinen Heerführern. Blicke wurden gewechselt. »Obwohl Marcus Antonius den Wunsch deutlich gemacht hat, dass ich seinen Titel als Freund aufrechterhalte, kann ich über die fortgesetzte Arroganz dieses Königs nicht mehr tatenlos hinwegsehen. Die Kundschafter berichten von einer großen Armee, die sich zu weiteren Eroberungen an seiner Grenze sammelt, und ich habe mich bereit erklärt, das Land der Haeduer mit unseren Legionen zu schützen.«

Julius warf Marcus Antonius einen kurzen Blick zu, der die Augen jedoch auf den langen Tisch gerichtet hielt.

»Mhorbaines Kavallerie wird die Extraordinarii begleiten, wofür ich ihm meinen Dank ausspreche«, fuhr Julius fort. Mhorbaine verneigte sich mit einem schiefen Lächeln.

»Da dieser Ariovist Rom in der Vergangenheit gute Dienste erwiesen hat, werde ich auch während unseres Vormarsches weiterhin Boten an ihn entsenden. Er kann jederzeit mit mir zusammentreffen und eine friedliche Lösung aushandeln. Ich habe den Senat von meinen Handlungen unterrichtet und warte auf eine Antwort, auch wenn diese womöglich nicht vor unserem Abmarsch eintrifft.«

Alle Blicke ruhten auf Julius, der eine auf dünnstes Pergament gemalte Karte ausrollte und sie an allen vier Ecken mit Bleigewichten beschwerte. Die Männer erhoben sich von ihren Stühlen, um auf das Land zu blicken, das er vor ihnen ausgebreitet hatte.

»Meine Herren, die Kundschafter haben diese Berge für uns eingezeichnet. Die Region nennt sich Alsatia und befindet sich ungefähr dreihundert Meilen nordwestlich von hier.«

»Sie grenzt an das Land der Helvetier«, murmelte Brutus und musterte die Karte, die Mhorbaine ihnen überlassen hatte. Sie war wenig mehr als eine Ansammlung bunter farbiger Gebiete, ohne Einzelheiten, doch keiner der anwesenden Römer hatte diesen Teil Galliens schon einmal gesehen, und alle waren fasziniert.

»Wenn wir die Sueben nicht über den Rhein zurückschicken, werden die Helvetier den nächsten Sommer nicht überleben«, sagte Julius. »Und danach wendet sich Ariovist womöglich unserer eigenen Provinz weiter im Süden zu. Es ist unsere Pflicht, den Rhein als natürliche Grenze Galliens festzulegen. Wir werden jeder Versuchung widerstehen, ihn zu überqueren, egal aus welchem Anlass. Falls notwendig, baue ich eine Brücke und führe Bestrafungsfeldzüge tief in ihr eigenes Land. Dieser Ariovist ist arrogant geworden, meine Herren. Der Senat hat ihn viel zu lange an der langen Leine streunen lassen.«

Er ging nicht darauf ein, dass Marcus Antonius bei seinen Worten zusammenzuckte.

»Jetzt wollen wir über die Marschordnung reden. Obwohl ich immer noch auf Frieden hoffe, müssen wir uns auf den Krieg vorbereiten.«

27

Nach der Eile, mit der sie den Helvetiern entgegengeeilt waren und sie zur Umkehr gezwungen hatten, kam den erfahrenen Legionären der eher routinemäßige Marsch auf der neuen Straße beinahe erholsam vor. Obwohl die Tage noch drückend heiß waren, fingen die ersten Bäume schon an, sich zu verfärben; ihre Blätter zeigten vielfältige Schattierungen aus Rot und Braun. Aufgeregt kreischende Krähen stiegen aus den Wäldern auf, wenn die Soldaten vorübermarschierten. In den leeren Ebenen fiel es den Legionären nicht schwer, sich vorzustellen, dass sie im Umkreis von 1000 Meilen die einzigen Menschen wären.

Julius hielt die Zehnte und die Extraordinarii an der Spitze der Kolonne. Die Reiter der Haeduer waren der Obhut von Domitius und Octavian übergeben worden und erlernten allmählich die Disziplin, die Julius seinen Verbündeten abverlangte. Obwohl er Mhorbaine für die zusätzliche Streitmacht dankbar war, hatte er deutlich gemacht, dass sie lernen mussten, seinen Befehlen zu gehorchen und sich nach römischem Muster aufzustellen. Die Extraordinarii hatten mit den gallischen Reitern alle Hände voll zu tun, die bis auf den letzten Mann Individualisten zu sein schienen und an keinerlei organisierte Angriffsstrategie gewöhnt waren.

Diesmal wurden auch die großen Kriegsmaschinen mitgeführt. Unterwegs waren sie sicher festgezurrt, doch ihre Bedienungsmannschaften hielten sich stets in ihrer Nähe auf. Jede der schweren Wurfmaschinen hatte einen eigenen Namen, der in die groben Buchenblöcke eingeschnitzt war, und jede Legion zog es vor, die eigene Maschine zu benutzen, wobei sie getreulich davon überzeugt war, dass die ihre weiter schleuderte und genauer traf als alle anderen. Bevor man sie zusammengebaut hatte, sahen die Skorpion- bögen aus, als seien sie nicht viel mehr als ein paar Karrenladungen voller Balken, Latten und Eisen. Drei Mann mussten die schweren Arme nach jedem Schuss wieder in Stellung bringen, aber der abgefeuerte Bolzen eines Skorpions konnte ein Pferd durchbohren und noch ein zweites dahinter töten. Es waren hoch- geschätzte Waffen, und die Legionäre, die in ihre Nähe kamen, streckten oft die Hand aus und berührten das Metall wie einen Glücksbringer.

Die sechs Legionen erstreckten sich über zehn Meilen auf der Straße durch die helvetische Ebene, allerdings würde sich die Länge halbieren, sobald Julius im offenen Terrain eine breitere Formation anordnete. So nahe er bereits dem Land der Haeduer war, befürchtete er keinen Angriff, aber er war sich der Verwundbarkeit der lang gezogenen Kolonne sowie des gewaltigen Aufgebots an Ausrüstung und Gepäck, das sie begleitete, schmerzhaft bewusst. Es gab schwache Glieder in der Kette aus der Provinz, doch bei ersten Anzeichen von Gefahr könnten sich die Legionen zu breiten, schützenden Blockformationen aufstellen, ein wirksames Mittel gegen alles, was ihm bislang in Gallien begegnet war. Julius wusste, dass er die Männer und die Heerführer hatte, die er benötigte. Falls er versagte, war die Schmach einzig und allein ihm zuzuschreiben.

Mhorbaine hatte der Verlockung widerstanden, gemeinsam mit ihnen gegen seinen Feind zu ziehen. Obwohl es ihn fast zerrissen hätte, sah er doch ein, dass kein Anführer der Haeduer es sich leisten konnte, seinem Volk so lange fernzubleiben, ohne dass Thronräuber die Hand nach seiner Regentschaft ausstrecken würden. Julius hatte sich an der Grenze der römischen Provinz von ihm verabschiedet, die schimmernden Legionen in einer endlosen Kolonne hinter sich, scharf und wachsam wie Jagdhunde.

Mhorbaine hatte den Blick über die ruhig auf ihren Feldherrn wartenden Reihen schweifen lassen und angesichts ihrer Disziplin den Kopf geschüttelt. Seine eigenen Krieger wären vor einem Feldzug ziellos durcheinander gerannt, und im Vergleich dazu fand er die Römer zugleich erbärmlich und Furcht einflößend. Als sich Julius von ihm abwandte, rief ihm Mhorbaine die Frage zu, die ihn beschäftigte, seit er gesehen hatte, was für eine Streitmacht gegen Ariovist ins Feld ziehen sollte.