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»Wo ist dieser Stein?«, fragte Julius und kniff nachdenklich die Augen zusammen.

»Drei Tagesmärsche nach Norden. Felsenfinger sitzen auf der Spitze. Du wirst ihn erkennen. Dort erwartet er dich.«

»Und wenn ich nicht auf seine Bedingungen eingehe?«

Der Krieger zuckte die Achseln. »Dann wird er nicht dort sein und sich als verraten ansehen. Dann kannst du Krieg von uns erwarten, bis unsere Armeen vernichtet sind.«

Das höhnische Grinsen, mit dem er die römischen Offiziere bedachte, ließ keinen Zweifel an seiner Einschätzung des Ergebnisses aufkommen. Redulf warf einen Blick auf Cabera, der soeben eintraf und langsam an einem Stock und am Arm des Botschafters ging. Der alte Heiler war von den Entbehrungen des Marsches ausgezehrt, aber seine blauen Augen betrachteten trotzdem fasziniert den ungewöhnlichen Schädel des Kriegers.

»Richte deinem Herrn aus, dass ich ihn an der genannten Stelle treffen werde, Redulf«, sagte Julius. »Ich halte die Freundschaft, die ihm meine Stadt verliehen hat, in Ehren und treffe mich mit ihm in Frieden bei dem Stein, den du uns beschrieben hast. Lauf jetzt zu ihm zurück und berichte ihm, was du gesehen und gehört hast.«

Redulf nahm seine Entlassung mit wütender Miene entgegen, beschied sich jedoch mit einem weiteren höhnischen Blick über die Reihen der Römer, bevor er zu seinem Pferd zurückmarschierte. Julius sah, dass Brutus die Extraordinarii ein breites Spalier hatte bilden lassen, durch das der Mann zu reiten gezwungen war. Er schaute weder nach links noch nach rechts, als er an ihnen vorbeiritt, dann verschwand er rasch nach Norden in der Ferne.

Brutus trabte heran und stieg aus dem Sattel.

»Beim Mars, was für ein eigenartiger Kauz«, sagte er und sah, dass ein Soldat der Zehnten nicht weit von ihm entfernt mit den Fingern ein Abwehrzeichen machte. Stirnrunzelnd überlegte er, wie der Fremde wohl auf die abergläubischeren Männer unter seinem Kommando gewirkt haben mochte.

» Cabera? Hast du ihn gesehen?«, fragte Julius. »War das ein Geburtsfehler?«

Cabera sah dem in der Ferne entschwindenden Reiter immer noch nach.

»Ich habe noch nie eine so regelmäßig ausgebildete Verformung gesehen, als sei sie absichtlich herbeigeführt worden. Aber ich weiß es nicht. Vielleicht wenn ich ihn etwas genauer untersuchen könnte ... Ich denke darüber nach.«

»Ich vermute, dieser Ariovist bittet uns nicht um Frieden und erspart uns die Mühe, uns mit seinen hässlichen Männern herumschlagen zu müssen?«, fragte Brutus den Julius.

»Noch nicht. Jetzt, da wir so nahe an ihn herangerückt sind, hat er plötzlich beschlossen, sich mit mir zu treffen. Seltsam, wie doch die römischen Legionen die Ansichten eines Mannes beeinflussen«, antwortete Julius. Sein Lächeln verschwand, als er an den Rest der Botschaft des Königs dachte.

»Er will, dass ich nur mit Berittenen zum Treffen erscheine, Brutus.«

»Was? Ich hoffe, du hast das abgelehnt. Ich lasse dich nicht in den Händen unserer gallischen Reiter, Julius. Niemals! Du darfst ihm keine Gelegenheit geben, dich in eine Falle zu locken, Freund Roms hin oder her.« Schon bei der Vorstellung sah Brutus entsetzt aus, doch dann ergriff Julius wieder das Wort.

»Rom beobachtet uns genau, Brutus. In dieser Hinsicht hat Marcus Antonius Recht. Wir müssen Ariovist mit Respekt behandeln.«

»Mhorbaine sagt, seine Leute leben im Sattel«, erwiderte Brutus. »Hast du gesehen, wie dieser hässliche Gnom geritten ist? Wenn die alle so sind wie der, solltest du dich nicht alleine mit den Haeduern und einer Handvoll Extraordinarii von ihnen erwischen lassen.«

»Ach, so weit wird es nicht kommen«, sagte Julius. Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. »Schick die Haeduer zu mir, Brutus.«

»Was hast du vor«, wollte Brutus wissen. Der plötzliche Stimmungswechsel seines Feldherrn verwirrte ihn.

Julius grinste wie ein kleiner Junge. »Ich werde die Zehnte aufs Pferd setzen, Brutus. Dreitausend meiner Veteranen und dazu die Extraordinarii dürften ausreichen, um ihm die Flügel zu stutzen, meinst du nicht auch?«

Pompeius beendete seine Rede vor dem Senat und bat um Wortmeldungen, bevor es zur Abstimmung kam. Obwohl unter den 300 Männern der Curia eine gereizte Spannung herrschte, war zumindest die Androhung von Gewalt aus ihren Debatten gewichen – wenn auch nicht draußen auf der Straße. Bei diesem Gedanken schaute Pompeius zu Clodius hinüber, einem Bullen von einem Mann mit glatt rasiertem Schädel, der in der Gosse der Stadt geboren wurde und seinen Aufstieg allein der Tatsache verdankte, dass er rücksichtsloser vorgegangen war als alle seine Konkurrenten. Nachdem Crassus den Handel der Stadt in seinem Würgegriff hatte, hätte Clodius sich in aller Ruhe zurückziehen können, aber stattdessen hatte er seine Verluste abgeschrieben und sich zur Wahl für den Senat gestellt. Beim Anblick seiner brutalen, platten Gesichtszüge erschauerte Pompeius. Einige der Dinge, die ihm zu Ohren gekommen waren, mochten übertrieben sein, sagte er sich. Wenn sie jedoch der Wahrheit entsprachen, würde das bedeuten, dass es innerhalb Roms noch eine zweite, verborgene Stadt gab, womöglich eine, die von Clodius regiert wurde. Die bullige Gestalt tauchte bei jeder Senatssitzung auf, und wenn er sich dort mit seinen Ansichten nicht durchsetzen konnte, wüteten Raptores in den Straßen der Stadt und verschwanden im Labyrinth der Gassen, sobald sie von den Legionswachen verfolgt wurden. Clodius war gerissen genug, sich in der Öffentlichkeit von den Banden zu distanzieren und erstaunt die Hände zu heben, wenn ihre Gewalttätigkeit zufällig mit einem Einspruch gegen seine ehrgeizigen Ziele zusammenfiel.

Dass die Posten der Tribunen wieder zur Wahl gestellt worden waren, hatte Clodius’ öffentlicher Unterstützung einen Teil ihrer Basis geraubt. Nach der schändlichen Beerdigungsprozession vor zwei Monaten war Pompeius dem Rat des Crassus gefolgt. Zu seiner großen Freude war nur einer der ehemaligen Posteninhaber in den Senat zurückgewählt worden. Die unberechenbare Öffentlichkeit hatte als zweiten einen Fremden gewählt, und obwohl ihn Pompeius’ Feinde auf geradezu unerhörte Weise hofierten, hatte er bislang noch keine besonderen Loyalitäten erklärt. Es war durchaus möglich, dass Clodius seine Hand bei der Wahl dieses Mannes nicht im Spiel gehabt hatte, obwohl Pompeius daran zweifelte. Der Mann schreckte nicht davor zurück, ganze Familien zu bedrohen, um seine Ziele zu erreichen, und Pompeius hatte schon einmal eine Abstimmung erlebt, bei der sich rechtschaffene Männer ohne erkennbaren Grund gegen ihn gewandt hatten. Sie waren sogar seinen Blicken ausgewichen, als sie sich Clodius angeschlossen hatten, und Pompeius hatte seinen Zorn angesichts des eiskalten Triumphs des Kaufmanns nur mit Mühe zügeln können. Das Resultat war, dass das kostenlose Getreide, das an die Bürger verteilt wurde, inzwischen ein Fünftel der städtischen Ausgaben ausmachte und jeden Monat Tausende mehr in die Stadt geströmt kamen und darauf Anspruch erhoben. Pompeius wusste, dass Clodius seine rücksichtslosesten Anhänger unter jenen wurzellosen Aasfressern fand, die zuhauf in die Stadt fluteten. Er konnte es nicht beweisen, aber er war überzeugt davon, dass ein gutes Zehntel dieses Getreides die hungrigsten Mäuler nicht erreichte, sondern stattdessen in jenem dunkleren Rom verschwand, in dem Clodius und Männer wie er ebenso leicht Leben kauften, wie sie Getreide verschacherten.

Pompeius erteilte Suetonius das Wort und setzte sich, als der junge Römer sich erhob und vernehmlich räusperte. Auf Pompeius’ Gesicht zeigte sich nichts von seiner Abneigung, obwohl er jeden Mann verabscheute, der anderen wie ein Hund folgte, um ein paar Brocken abzubekommen. Suetonius’ Selbstvertrauen war in dem Maße gewachsen, in dem Clodius ihn mit Lob und Geld überhäufte. Er sprach gut genug, um die Aufmerksamkeit des Senats in Anspruch zu nehmen, und seine Verbindung mit Clodius hatte ihm zu einem Status aus zweiter Hand verholfen, den er sichtlich genoss.