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Julius spürte, wie Brutus zu seiner Rechten unbehaglich im Sattel hin- und herrutschte. Das Treffen verlief nicht so wie beabsichtigt, aber Ariovists Arroganz ärgerte ihn.

»Und was tust du, Cäsar? Mit welchem Recht nimmst du den Stämmen ihr Land? Wurde es dir vielleicht von deinen griechischen Göttern geschenkt?« Mit einem verächtlichen Schnauben hob Ariovist die Hände und zeigte auf die blühende Landschaft ringsum.

»Du hast deine Antwort erhalten, als ich deine Boten mit leeren Händen zurückgeschickt habe«, fuhr er fort. »Ich will nichts von dir und deiner Stadt. Zieh deines Weges und lass mich in Frieden, sonst hast du nicht mehr lange zu leben. Ich habe für dieses Land gekämpft und den Blutzoll gezahlt. Du hast nichts anderes getan, als eine Bande helvetischer Lumpen in ihre Heimat zurückgeschickt. Meinst du wirklich, das gibt dir das Recht, mit mir als Gleichgestellter zu verhandeln? Ich ein König, Römer, und Könige werden nicht von Männern wie dir behelligt. Ich fürchte deine Legionen nicht, schon gar nicht diese Reiter hinter dir, die nicht einmal ihre Pferde ruhig halten können.«

Julius widerstand dem Drang, sich umzudrehen, obwohl er die perfekten Reihen der Sueben sehen konnte und wusste, dass seinen Soldaten eine derart gelassene Ordnung fehlte. Er lief unter seiner Maske rot an und war froh, dass es niemand sah.

»Ich bin Rom«, sagte Julius. »In meiner Person redest du mit dem Senat und mit dem Volk Roms. Du beleidigst meine Stadt und alle Länder in ihrem Herrschaftsgebiet. Wenn du ...«

Etwas zischte aus den Reihen der Sueben über ihre Köpfe hinweg. Ariovist fluchte. Julius blickte auf und sah ein Dutzend langer Schäfte, die im hohen Bogen auf seine kostbare Zehnte zuflogen. Wütend wandte er sich an Ariovist.

»Ist das deine Disziplin?«, fuhr er ihn an.

Ariovist sah nicht weniger zornig aus, und Julius wusste, dass er diesen Angriff nicht befohlen hatte. Beide Heere wurden unruhig. Wieder zog ein einzelner Pfeil seinen Bogen über ihnen.

»Meine Männer brennen auf die Schlacht, Cäsar. Sie leben, um in Blut zu baden«, knurrte Ariovist ihn an. Dann schaute er sich über die Schulter nach seinen Männern um.

»Geh zurück zu ihnen; wir kommen wieder«, sagte Julius; seine Stimme klang unter der Maske dumpf vor Entschlossenheit. Ariovist sah ihn an, und Julius bemerkte ein ängstliches Glitzern in seinen Augen. Es passte nicht zu dem, was er bisher gesehen hatte, und Julius fragte sich, was wohl der Grund dafür sein mochte.

Bevor der König antworten konnte, heulte ein weiterer Schwarm Pfeile über sie hinweg. Julius riss seinen Wallach herum, und mit einem lauten »Ha!« galoppierte er zu seinen Soldaten zurück. Brutus, Domitius und Octavian folgten ihm; die Hufe ihrer Pferde trommelten über den Boden. Hinter ihnen grub auch Ariovist die Fersen in die Flanken seines Pferdes, und seine Männer stießen ein lautes Jubelgeschrei aus, als sie sahen, dass er zu ihnen zurückkehrte.

Bei der Zehnten angekommen, erteilte Julius einen Schwall von Befehlen. Die schnellsten Extraordinarii galoppierten nach Süden zu Marcus Antonius, mit der Anweisung, sich unverzüglich und mit größtmöglicher Geschwindigkeit als Verstärkung in Marsch zu setzen. Weitere Reiter wurden in den Wald im Westen geschickt, um dort versteckte Bogenschützen oder eine Überraschungsstreitmacht ausfindig zu machen. Die gallischen Pferde wurden nach hinten gebracht, so dass sich die Zehnte endlich ungehindert aufstellen konnte. Sie formierte sich zu einem riesigen Verteidigungskarree, das sich mit überlappenden Schilden gegen einen Kavallerieangriff wappnete. Speere wurden bereitgehalten, Pfeile auf Bogensehnen gelegt. Die vorderste Reihe wartete geduldig darauf, den ersten Angriff abzuwehren.

Er kam nicht. Zu Julius’ Erstaunen verschwand Ariovist tiefer in der Menge der Reiter, die sich plötzlich und unerwartet zurückzog. Einige Legionäre der Zehnten johlten und brüllten hinüber, doch die Kundschafter waren noch nicht aus dem Wald im Westen zurück, und Julius wagte keinen Vorstoß, ohne zu wissen, wer in jenen grünen Tiefen lauerte.

Ariovist führte seine Männer aus der Reichweite der feindlichen Speere und dann auch der Pfeile, bevor er sie wieder anhalten ließ. Obwohl es in den Reihen der Sueben offenkundig sehr viele heißblütige Jünglinge gab, bewiesen sie bei diesem Rückzug eiserne Disziplin, wobei bestimmte Truppenteile anderen immer wieder Rückendeckung gaben.

»Was ist das für ein Spiel?«, murmelte Brutus neben Julius. »Er muss doch wissen, dass unsere Legionen durch seine Verzögerung immer näher herankommen.«

»Vielleicht will er uns vorwärts locken. Dieser Wald gefällt mir überhaupt nicht«, erwiderte Julius.

Noch während er sprach, kam der erste Kundschafter zu den römischen Linien zurückgaloppiert.

»Nichts, Herr«, keuchte er, als er salutiert hatte. »Weder Spuren noch alte Feuerstellen noch sonst ein Anzeichen für verborgene Einheiten.«

Julius nickte und erinnerte sich plötzlich daran, wie er zum letzten Mal den Bericht eines Kundschafters ungeprüft angenommen hatte.

Erst als zwei weitere seiner Reiter zwischen den Bäumen hervorkamen und ihm Bericht erstatteten, gab sich Julius zufrieden. Die Situation verwirrte ihn. Ariovist hatte sich aufgeführt, als wollte er zu einem wütenden Angriff übergehen, aber jetzt hielten sich seine Männer in gleichmütiger Unerschütterlichkeit zurück, ungerührt von den herausfordernden Gesten der Legionäre in der ersten Reihe der Zehnten.

Julius trommelte gereizt mit den Fingern auf den Sattel. Hatten sie womöglich den Boden mit Fallen versehen? Unwahrscheinlich. Mit Pfählen versehene Gruben würden ihre eigene Armee mehr behindern, während sie der einzelnen römischen Legion zahlenmäßig überlegen war.

»Sollen wir auf Marcus Antonius warten?«, fragte Brutus.

Julius überlegte, wie lange es dauern würde, bis die Legionen seine Position erreicht hatten, und schnaubte wütend. Sie würden Stunden brauchen, bis sie hier waren, um ihn zu unterstützen.

»Ja. Irgendetwas verstehe ich hier nicht. Ihre Truppen sind schnell und schlagkräftig, außerdem sind sie uns ungefähr zwei zu eins überlegen. Ariovist müsste angreifen, es sei denn, das Ganze war eine Finte, aber das kann ich mir nicht vorstellen. Ich werde nicht das Leben meiner Zehnten aufs Spiel setzen und in eine Falle tappen, ehe die Verstärkung eintrifft.«

Die Soldaten, die das hörten, wechselten zufriedene Blicke, was Julius, der unbeirrt zum Feind hinüberstarrte, nicht sehen konnte. Soweit es die Soldaten betraf, war ein Anführer, der sich um seine Männer sorgte, nicht mit Gold aufzuwiegen.

Die Reiter der Sueben standen tausend Schritt von der Zehnten entfernt da und schwiegen. Eine Fliege summte vor Julius’ Gesicht herum, als er den Blick über ihre Reihen schweifen ließ.

»Ruhig Blut, meine Herren. Wir warten erst einmal ab.«

Als die gewaltige Marschkolonne der Legionen die Zehnte erreicht hatte, war auch Ariovists Hauptstreitmacht aufgerückt. Den besten Schätzungen der Kundschafter zufolge, die sich den Wurfspießen und Pfeilen der feindlichen Reiter aussetzten, hatten die Sueben an die 60000 Krieger aufgestellt. Jeder Reiter hatte einen Fußsoldaten dabei, der, eine Hand in der Mähne des Pferdes, mit großer Geschwindigkeit neben dem Tier herrannte. Julius fühlte sich an die Spartaner erinnert, die auf die gleiche Weise in die Schlacht gestürmt waren, und hoffte nur, dass er es hier nicht mit einem Gegner vom gleichen Format zu tun bekam. Auch Brutus hatte eine sarkastische Bemerkung über die Schlacht von Thermopylae fallen lassen, an die er sich aus den Unterweisungen ihrer Hauslehrer vor vielen Jahren erinnerte; aber der Spartanerkönig hatte damals einen schmalen Gebirgspass verteidigen können, wohingegen Julius von einer derart beweglichen Streitmacht in die Zange genommen oder sogar umzingelt werden konnte. Ein besseres Modell war die Schlacht von Cannae, dachte er, in der die Römer vernichtend geschlagen worden waren, doch er hütete sich, seine Bedenken laut zu äußern.