»Aber der Schädel muss dabei doch zerbrechen«, gab Octavian zu bedenken, der schon bei dem bloßen Anblick schauderte.
Cabera schüttelte den Kopf. »Bei einem ausgewachsenen Mann schon. Nicht bei einem Neugeborenen. Wenn die Knochen noch weich sind, bringt ein Abbinden durchaus solche Wülste hervor. Diese Männer sind keine Dämonen, ganz gleich, was für Gerüchte hier im Lager umgehen. Aber sie sind brutal. Ich habe noch nie von einer Rasse gehört, die ihre Kinder so misshandelt. Die ersten ein oder zwei Jahre ihres Lebens müssen sie höllische Schmerzen leiden, wenn diese Dinger ihre Knochen zusammenquetschen. Ich bezweifle, dass sie jemals völlig schmerzfrei sind. Wenn ich damit Recht habe, bedeutet das, dass sie ihre Kriegerkaste schon fast von Geburt an heranziehen.«
»Wenn die Männer darüber reden, musst du ihnen das hier vorführen, Cabera«, sagte Julius, noch immer fasziniert von dem deformierten Schädel. »Die Sueben brauchen bei ihrer Überzahl nicht noch mehr Vorteile, und unsere Männer sind abergläubisch.«
Ein Tumult vor dem Zelt ließ den Rat sofort aufspringen. Die Soldaten, die draußen postiert waren, riefen jemandem gedämpfte Worte zu, dann waren die unmissverständlichen Geräusche eines Handgemenges zu vernehmen. Brutus ging zum Zelteingang und schlug die Leinwand zurück.
Zwei der von den Sueben gefangenen gallischen Sklaven wanden sich auf der Erde.
»Entschuldige, Herr«, sagte einer der Wachposten rasch und salutierte vor Brutus. »Konsul Cäsar hat gesagt, er wolle nicht gestört werden, und diese beiden hier haben meine Warnung nicht beachtet.«
»Gut gemacht«, erwiderte Brutus. Er beugte sich vor und half einem der Gallier auf die Füße. »Was gibt es denn so Wichtiges?«, fragte er.
Der Mann funkelte den Wachsoldaten böse an, bevor er antwortete, doch Brutus verstand keine Silbe des Wortschwalls, der sich über ihn ergoss. Mit gerunzelter Stirn wechselte Brutus einen Blick mit der Wache.
»Ich glaube, er hat deine Warnung überhaupt nicht verstanden. Adàn? Kommst du bitte her und übersetzt für mich?«
Als Adàn vor ihm stand, redete der Mann sogar noch schneller. Inzwischen hatte sich auch sein Gefährte erhoben und rieb sich verdrossen den Bauch.
»Wollt ihr die ganze Nacht dort draußen stehen bleiben?«, rief Julius von drinnen.
»Ich glaube, das hier wird dich interessieren, Herr«, antwortete Adàn.
»Das erklärt zumindest, warum wir sie nicht in einen Kampf verwickeln konnten«, sagte Julius. »Wenn dieser Ariovist dumm genug ist, auf seine Priester zu hören, können wir dabei nur gewinnen. Ich würde sagen, bis zum Neumond dauert es noch drei Tage.
Wenn er bis dahin nicht gegen uns kämpfen will, können wir ihn bis zum Rhein zurückdrängen und ihn dort festnageln.«
Julius’ besorgte und verärgerte Stimmung war angesichts der Neuigkeiten, die die gallischen Sklaven ihm mitgeteilt hatten, sofort verflogen. Seine Reiter hatten gejubelt, als sie noch mehr Angehörige ihres eigenen Volkes unter den anderen Gefangenen ausfindig machten, und die entscheidende Information erklärte einiges hinsichtlich des Verhaltens des suebischen Königs.
Julius lauschte, als Adàn den Wortschwall übersetzte, der aus dem Mann hervorsprudelte. Ariovist war gesagt worden, er würde sterben, wenn er vor dem Neumond kämpfe. Das bedeutete, dass das wutschäumende Treffen in gewisser Hinsicht eine Finte gewesen war, die Julius aufgedeckt hatte, als er die Zehnte in Schlachtformation hatte aufstellen lassen. Er erinnerte sich an das Aufblitzen von Furcht in den Augen des Königs. Jetzt endlich verstand er. Es war eine Schwäche des Anführers, seinen Priestern so viel Einfluss auf seine Armee zu gewähren, da war sich Julius sicher. Die Griechen hatten sich von ihrer Abhängigkeit von Orakeln behindern lassen, und jeder römische Feldherr, der sich von den Eingeweiden von Vögeln oder Fischen hatte weismachen lassen, dass ihn das Verderben erwartet, hatte wertvolle Zeit oder gar seinen Platzvorteil verloren. Julius weigerte sich, solche Männer aufs Schlachtfeld mitzunehmen, denn er war überzeugt davon, dass sie mehr schadeten als nützten.
Julius hatte seine grobe Landkarte von dem Gebiet, in dem sie sich befanden, mit Gewichten beschwert auf dem Tisch ausgebreitet. Er zeigte auf den schwarzen Strich, der den sich nach Norden schlängelnden Rhein markierte. Der Fluss war weniger als fünfzehn Meilen entfernt. Selbst mit den schweren Karren der Gepäckkolonne ließ sich diese Entfernung bis zum Neumond mit Leichtigkeit zurücklegen, und er dankte den Göttern dafür, dass sie ihm die Haeduer-Sklaven in die Hände gespielt hatten.
»Wir brechen unser Lager eine Stunde vor Tagesanbruch ab, meine Herren«, teilte Julius seinen Heerführern mit. »Ich will, dass die Ballistae, Onager und Skorpione mitkommen, so weit es das Gelände zulässt. Wenn sie zurückfallen, sollen sie eben für die Entscheidungsschlacht nachgebracht werden. Octavian befehligt die Extraordinarii, Marcus Antonius übernimmt meine rechte Flanke, Bericus die linke, und sämtliche Skorpione werden bei jedem Halt nach vorne gebracht. Die Zehnte und die Dritte Gallica bilden die Mitte. Die Männer sollen morgen ein gutes Frühstück bekommen und ihre Wasserschläuche aus den Fässern füllen. Lasst sie alle wissen, was wir heute Abend hier erfahren haben. Das macht ihnen Mut. Sorgt dafür, dass die Speere und die sonstigen Waffen eines jeden Mannes in einwandfreiem Zustand sind.«
Er machte eine Pause, als Marcus Antonius seinen Becher füllte und vor Freude über die Aufgabe, die ihm übertragen worden war, errötete. Marcus Antonius hatte von Ariovists Überheblichkeit bei dem Zusammentreffen gehört und inzwischen akzeptiert, dass die Freundschaft mit Rom ihr Ende gefunden hatte. Zweifellos würden Cäsars Feinde im Senat viel Aufhebens darum machen, aber das war ein Problem für später.
Crassus seufzte unter der Massage von Servilias Sklavenmädchen, das sich seinen Nacken und seine Schultern vorgenommen hatte. Die gefrorenen Früchte, die er gegessen hatte, lagen ihm kalt im Magen, und nachdem er sich auf dem Tisch völlig entspannt hatte, erwartete ihn die Annehmlichkeit des warmen Beckens, das bereits unter dem freien Nachthimmel dampfte. Ihm gegenüber lag Servilia auf einem gepolsterten Sofa und blickte zu den Sternen hinauf. Obwohl kein Mond das Firmament erleuchtete, war der Himmel klar, und sie konnte die winzige rote Scheibe des Mars über dem Ziegeldach erkennen, das den offenen Innenhof umgab. Das Becken mit dem warmen Wasser schimmerte im Licht der Lampen, dicke Motten umflatterten die Flammen und verbrannten knisternd.
»Dieses Haus ist jede einzelne Münze wert«, murmelte Crassus und verzog ein wenig das Gesicht, als das Sklavenmädchen eine schmerzende Stelle zwischen seinen Schulterblättern bearbeitete.
»Ich wusste, dass es dir gefallen würde«, erwiderte Servilia und lächelte mit echter Freude. »So wenige, die mein Haus aufsuchen, haben ein Auge für die schönen Dinge, aber was wären wir wohl ohne sie?«
Ihr Blick fiel auf den frisch bemalten Verputz des neuen Flügels ihres Stadthauses. Crassus hatte sich das Land gesichert, und sie hatte ohne Groll den vollen Marktpreis dafür bezahlt. Alles andere hätte eine Veränderung in ihrer Beziehung bedeutet, und sie mochte und respektierte den alten Mann, der sich dort so behaglich den kräftigen Fingern des nubischen Mädchens hingab.
»Möchtest du mir denn keine Informationen entlocken?«, fragte er, ohne die Augen zu öffnen. »Bin ich dir nicht mehr nützlich?«
Servilia lachte leise und setzte sich auf.
»Wenn du schweigen willst, dann schweige, mein Guter. Mein Haus gehört dir, solange dir der Sinn danach steht. Es bestehen keinerlei Verpflichtungen.«
»Aha, so schlimm steht es also«, erwiderte er und lächelte in sich hinein. »Was möchtest du denn gern wissen?«
»Diese neuen Männer im Senat, Clodius und nun auch Titus Milo, der Eigentümer des Fleischmarktes. Sind sie gefährlich?«, fragte sie. Obwohl sie leise gesprochen hatte, wusste Crassus, dass sie sich völlig auf seine Antwort konzentrierte.