»Sehr sogar«, gab er zurück. »Ich würde den Senat nicht betreten, wenn sie sich dort aufhalten.«
Servilia schnaubte verächtlich. »Du kannst mich mit deiner plötzlichen Begeisterung für den Handel nicht an der Nase herumführen, alter Mann. Ich bezweifle, dass im Senat auch nur ein Wort gesprochen wird, das nicht seinen Weg zu dir findet.«
Sie lächelte ihn zuckersüß an, und er öffnete die Augen und zwinkerte ihr zu, bevor er sich unter den Händen der Sklavin zur Seite drehte, damit sie sich einer anderen Stelle widmen konnte. Servilia schüttelte den Kopf über seine Spielchen.
»Wie geht es mit deiner neuen Legion voran?«, fragte sie.
»Recht gut, meine Liebe. Wenn mein Sohn Publius aus Gallien zurückkehrt, finde ich bestimmt eine Aufgabe für sie. Falls ich die gegenwärtigen Unruhen überlebe.«
»Ist es so schlimm?«, fragte sie.
Crassus stützte sich auf die Ellbogen, und seine Miene wurde ernst.
»Allerdings. Diese neuen Männer beeinflussen den Pöbel von Rom und rekrutieren jeden Tag mehr Leute für ihre Banden. Die Straßen sind nicht mehr sicher, nicht einmal für die Mitglieder des Senats, Servilia. Wir müssen froh und dankbar sein, dass Milo so viel von Clodius’ Zeit in Anspruch nimmt. Falls es so weit kommt, dass einer der beiden den anderen vernichtet, stellt der Sieger garantiert die ganze Stadt auf den Kopf. Momentan halten sie einander noch im Gleichgewicht. Mir ist zu Ohren gekommen, dass sie Teile der Stadt als ihr Eigentum betrachten, so dass die Anhänger des Clodius bestimmte Straßengrenzen nicht überqueren können, ohne verprügelt zu werden, sogar am helllichten Tag. Die meisten Menschen in Rom nehmen diesen Kampf nicht wahr, aber er wird trotzdem ausgefochten. Ich habe die Leichen im Tiber schwimmen sehen.«
»Und Pompeius? Ist er sich der Bedrohung denn nicht bewusst?«
Crassus zuckte die Achseln. »Was kann er gegen ihren Kodex des Schweigens schon ausrichten? Die Raptores fürchten ihre Herren mehr als alles, was Pompeius ihnen antun kann. Er vergreift sich zumindest nicht an ihren Familien, wenn sie tot sind. Sobald eine Verhandlung anberaumt wird, verschwinden die Zeugen oder können sich plötzlich an nichts mehr erinnern. Es ist eine Schande, so etwas mit anzusehen, Servilia. Es ist, als hätte eine schwere Krankheit die Stadt befallen, und ich sehe keine Möglichkeit, wie man sie herausschneiden könnte.« Er seufzte vor Abscheu.
»Der Senat ist der Kern des Ganzen, und ich habe die Wahrheit gesprochen, als ich sagte, ich sei froh, dass mich meine Geschäfte von ihm fernhalten. Clodius und Milo treffen sich öffentlich, um sich einander zu beschnüffeln und zu reizen, bevor ihre Kettenhunde des Nachts die Stadt terrorisieren. Der Senat hat nicht den Willen, sie zu kontrollieren. Alle kleinen Männer haben sich auf die Seite des einen oder anderen geschlagen, und Pompeius hat weniger Unterstützung, als er glaubt. Er kann weder mit ihren Bestechungsgeldern noch mit ihren Einschüchterungen mithalten. Manchmal wünsche ich mir, Julius würde zurückkommen. Er würde nicht zulassen, dass Rom im Chaos versinkt, nicht solange er noch Leben in sich hat.«
Servilia schaute zum hellen Abendstern hinauf und versuchte, ihr Interesse zu verbergen. Als ihr Blick zu Crassus wanderte, sah sie, dass er die Augen geöffnet hatte und sie aufmerksam betrachtete. Es gab nur wenig, was der alte Mann nicht wusste oder nicht erriet.
»Hast du von Julius gehört?«, fragte sie schließlich.
»Allerdings. Er bietet mir Handelskonzessionen mit den neuen Gebieten in Gallien an, obwohl ich vermute, dass er das Bild ein wenig heller malt, als es der Wahrheit entspricht, um mich zu ködern. Aber wenn nur die Hälfte von dem, was er sagt, wahr ist, wäre ich ein Narr, die Gelegenheit zu versäumen.«
»Ich habe die Mitteilungen in der Stadt gesehen«, sagte Servilia leise und dachte dabei an Julius. »Wie viele werden darauf reagieren?«
»Nachdem ihnen Clodius und Milo mit ihrem Machtkampf das Leben hier zur Hölle machen, könnte ich mir gut vorstellen, dass im Frühjahr Tausende die Alpen überqueren. Kostenloses Land für alle – wer könnte einem solchen Angebot widerstehen? Sklaven und Handelsmöglichkeiten für jeden Mann, der gewillt ist, die Reise zu wagen. Wenn ich jünger wäre, und arm, würde ich es mir ernsthaft überlegen. Selbstverständlich halte ich für jeden, der in diese fabelhaften neuen Provinzen gehen will, Vorräte und Ausrüstung bereit.«
Servilia lachte. »Ein Kaufmann durch und durch.«
»Ein Fürst der Kaufleute, Servilia. Julius hat diesen Ausdruck in einem seiner Briefe benutzt, und ich muss sagen, er gefällt mir recht gut.« Er schickte das Sklavenmädchen mit einer Geste fort und setzte sich auf der langen Bank auf.
»Er ist nützlicher, als er selbst weiß, unser Julius. Wenn die Stadt sich zu lange mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt, bringt sie Männer wie Clodius und Milo hervor, die nichts sind im Angesicht der großen Geschehnisse auf dieser Welt. Die Berichte, die Julius gegen Bezahlung an jeder Straßenecke verlesen lässt, heben die Stimmung eines jeden Färbers und Gerbers auf den Märkten.« Er lachte auf. »Pompeius weiß das, auch wenn es ihm überhaupt nicht passt, dass Julius so erfolgreich ist. Immer dann, wenn Suetonius einem noch so kleinen Gesetzesbruch widerspricht, ist er gezwungen, im Senat für Julius einzutreten. Das ist für diesen Mann nur schwer zu schlucken, aber ohne Julius und seine Eroberungen würde Rom sich in ein stehendes Gewässer verwandeln, in dem sich die Fische vor Verzweiflung gegenseitig auffressen.«
»Und du, Crassus? Was hält die Zukunft für dich bereit?«
Crassus erhob sich, ging zum Bad und stieg, ohne sich um seine Nacktheit zu scheren, in das in den Fußboden eingelassene Becken.
»Ich stelle fest, dass das Alter das perfekte Heilmittel gegen übermäßigen Ehrgeiz ist, Servilia. Meine Träume gelten allein meinem Sohn.« Seine Augen glitzerten im Sternenlicht, und sie glaubte ihm nicht.
»Gesellst du dich zu mir?«, fragte er.
Anstelle einer Antwort stand Servilia auf und löste die einzige Spange, die das kühle Material ihres Gewandes zusammenhielt. Darunter war sie nackt, und Crassus musste angesichts dieser Enthüllung lächeln.
»Du und deine Vorliebe für das Theatralische, meine Liebe«, sagte er amüsiert.
Julius fluchte, als er die römischen Karrees wanken sah. Nachdem sie den Feind zwei Tage lang verfolgt hatten, hatte er die Sueben gezwungen, sich ihnen nur wenige Meilen vom Rhein entfernt zu stellen. Er wusste, dass er mit dem Angriff hätte rechnen müssen, doch als er kam, schwenkte der Feind so schnell um, dass die Armeen aufeinander prallten, bevor die römischen Legionäre ihre Speere auch nur aus den Halterungen lösen konnten.
Die Krieger des Ariovist waren so brutal, wie die Römer es erwartet hatten. Sie wichen keinen Schritt zurück, es sei denn über die Leichen ihrer eigenen Männer, und ihre Reiterei wirbelte wie Rauch um das Schlachtfeld herum und setzte sofort zum Angriff an, wenn die Römer ihre Blockformationen auflösten, um ihrerseits loszuschlagen.
»Marcus Antonius! Verstärke die Linke!«, brüllte Julius, als er den Heerführer im Gewimmel erblickte. Er wusste nicht, ob dieser seinen Befehl durch das Waffengeklirr hindurch vernommen hatte.
Das Schlachtfeld war ein einziges Durcheinander. Zum ersten Mal begann er, eine Niederlage zu befürchten. Jeder Reiter der Sueben kam mit einem zweiten Mann, der an der Mähne des Pferdes hing, herangaloppiert, und diese rasend schnellen Bewegungen machten es beinahe unmöglich, sie zu stellen. Voller Entsetzen sah Julius, dass auf der linken Flanke zwei der Legionen aus Ariminum kurz davor standen, überwältigt zu werden, und weit und breit war keine Verstärkung zu sehen, die ihnen helfen könnte. Jetzt konnte er auch Marcus Antonius nicht mehr sehen, und Brutus war zu weit weg, mitten im Kampfgetümmel. Julius riss einem Legionär den Schild vom Arm und rannte zu Fuß quer über das Schlachtfeld.