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»Welchen Preis?« Sperbers Stimme schwebte in der trüben Luft wie der Schatten eines fallenden Blattes.

»Leben — was denn sonst? Womit kannst du Leben kaufen? Mit Leben.« Hase wiegte seinen Oberkörper hin und her auf der Matratze. Ein lauerndes, unheimliches Glitzern trat in seine Augen. »Siehst du«, sagte er, »sie können mir die Hand abhacken; auch meinen Kopf können sie abhauen. Das macht nichts. Ich finde den Weg zurück. Ich weiß, wo er ist. Nur ein Mensch mit Macht kann dorthin.«

»Zauberer, meinst du?«

»Ja«, Hase zögerte, versuchte wiederholt, das Wort herauszubringen, und gab es dann auf. »Menschen mit Macht«, wiederholte er. »Und sie müssen — sie müssen es aufgeben. Zahlen.«

Dann schwieg er verdrossen. Vielleicht hatte das Wort »zahlen« Gedankengänge in ihm wachgerufen, und er merkte, daß er Auskunft verschenkte, anstatt sie zu verkaufen. Kein weiteres Wort war mehr aus ihm herauszubekommen, selbst sein Stammeln und Stottern über den »Weg zurück«, für den sich Sperber so zu interessieren schien.

Der Magier erhob sich: »Na ja, halbe Antworten sind besser als keine«, sagte er, »und das gleiche gilt für Bezahlung«, und geschickt wie ein Taschenspieler warf er eine Goldmünze in die Höhe, die direkt vor Hase auf der Matratze landete.

Hase hob sie auf. Er blickte sie an und schaute dann mit einer fahrigen Kopfbewegung auf Sperber und Arren. »Warte«, stotterte er. Doch die Situation hatte sich geändert, und er hatte Mühe, jetzt etwas zu sagen. Er quälte sich und endlich kam es stoßweise: »Heute abend«, und nach einer weiteren qualvollen Pause: »Warte! Heute abend. Ich habe Hazia.«

»Ich brauche kein Hazia.«

»Ich zeig dir… ich zeig dir den Weg. Heute abend. Ich nehme dich mit. Ich zeig es dir. Du kannst dorthin gehen, denn du … du bist…«

Er suchte vergeblich nach dem Wort, bis Sperber sagte: »Ich bin ein Zauberer.«

»Ja! Daher können wir… können wir dorthin gehen. Zu dem Weg… wenn ich träume … im Traum … Verstehst du? Ich nehme dich mit. Du gehst mit mir zu dem … zu dem Weg.«

Sperber stand solide und fest inmitten des düsteren Zimmers und überlegte. »Vielleicht«, sagte er endlich. »Wenn wir kommen, dann werden wir hier sein, wenn es dunkel wird.« Dann wandte er sich zu Arren, der sofort die Tür öffnete, froh, endlich hier herauszukommen.

Die feuchte, halbüberdachte, schattige Straße war ein heller Garten im Vergleich zu Hasens Zimmer. Sie gingen auf dem kürzesten Weg in die Oberstadt, eine steile Treppe zwischen efeubewachsenen Mauern hinaufkletternd. Arren atmete tief ein und aus, wie ein junger Seelöwe, der nach frischer Luft schnappt. »Huchü — Gehen Sie wieder dorthin zurück? «

»Hmmm, es ist möglich. Außer ich finde eine weniger riskante Quelle, wo ich die gleiche Information herbekommen kann. Er hat bestimmt einen Anschlag auf uns geplant.«

»Aber sind Sie nicht gegen Diebe und solches Gesindel gefeit?«

»Gefeit?« sagte Sperber. »Wie meinst du das? Glaubst du, ich wickle mich in Zauberformeln ein wie ein altes Weib, das Angst vor Rheuma hat? Dazu habe ich keine Zeit. Ich verberge mein Gesicht, um unsere Suche geheimzuhalten, weiter nichts. Wir können uns gegenseitig beschützen. Denn das eine steht fest: diese Fahrt ist gefährlich.«

»Natürlich«, sagte Arren steif und ärgerlich; sein Stolz war verletzt. »Das habe ich auch erwartet.«

»Dann ist es gut«, erwiderte der Magier unbeirrt, und doch lag Freundlichkeit in seiner Stimme, die Arrens Ärger verfliegen ließ. Sein Ärger hatte ihn sowieso erschüttert, denn nie hätte er es für möglich gehalten, daß er in diesem Ton zum Erzmagier sprechen würde. Doch dann, es war und es war auch wieder nicht der Erzmagier, der neben ihm einherging, dieser Mann Falk mit der Knollennase und dem eckigen, unrasierten Kinn, dessen Stimme einmal so und dann wieder anders klang: er war ein Fremder, man konnte sich nicht auf ihn verlassen.

»Haben Sie das verstanden, was er geredet hat?« fragte Arren, dem der Gedanke, wieder in das düstere Zimmer über dem stinkenden Fluß zurückkehren zu müssen, schwer auf dem Herzen lag. »Dieses Gequassel vom Leben und vom Totsein und von dem Zurückkehren mit abgehauenem Kopf?«

»Ich bin nicht sicher, ob ich es verstanden habe. Ich wollte mit einem Zauberer reden, der seine Macht verloren hat. Er sagte, daß er sie nicht verloren — sondern hergegeben, eingetauscht hat. Wofür? Leben für Leben, hat er gesagt, Macht für Macht. Nein, ich habe ihn nicht verstanden, aber es lohnt sich, ihm zuzuhören.«

Sperbers ruhige, vernünftige Worte beschämten Arren noch mehr. Er kam sich verzogen und ungeduldig vor, wie ein kleines Kind. Der Mann Hase hatte ihn fasziniert, doch jetzt, nachdem die Faszination verflogen war, fühlte er nur noch Abscheu in sich aufsteigen, wie wenn er etwas Ekelhaftes gegessen hätte. Er nahm sich vor, nicht mehr zu sprechen, bis er seine Verstimmung überwunden hatte. Im nächsten Augenblick rutschte er auf den abgetretenen, glitschigen Stufen aus, fing sich und zerkratzte sich die Hände an den Steinen. »O verflucht, diese dreckige Stadt!« brach es aus ihm heraus. Der Magier erwiderte trocken: »Ich glaube, es ist nicht nötig, sie zu verfluchen.«

Und er hatte recht. Etwas stimmte nicht mit der Stadt Hort. Es lag fast greifbar in der Luft, und man war versucht, von einem Fluch zu sprechen, und doch hatte man nicht das Gefühl, als ob eine gegenständliche Ursache vorläge, eher war es ein Fehlen, eine Schwächung aller Kräfte, eine Krankheit, die den Besucher nicht verschonte. Selbst die Nachmittagssonne schien krank zu sein, sie brannte viel zu heiß am Märzenhimmel. Auf den Plätzen und Straßen drängten sich die Menschen, die Geschäfte schienen zu blühen, doch herrschte weder Ordnung noch Wohlstand, nur Hektik und Mißgunst. Die Waren waren schlecht, die Preise zu hoch, weder Käufer noch Verkäufer waren sicher vor Diebstahl und Raubüberfall, die Banden trieben sich ungehindert auf den Straßen herum. Man sah nur wenige Frauen in der Öffentlichkeit, und wenn sie erschienen, so blieben sie in Gruppen beisammen. Es war eine Stadt ohne Gesetz und Ordnung, eine Stadt ohne Verwaltung, ohne Oberhaupt. Und als sie sich mit einigen Einwohnern unterhalten hatten, erfuhren sie, daß es tatsächlich keinen Stadtrat, keinen Bürgermeister und keine Fürsten mehr in Hort gab. Manche waren gestorben, manchen war gekündigt und einige waren ermordet worden. Sie erfuhren, daß Bandenführer jetzt die verschiedenen Stadtteile tyrannisierten, daß im Hafenviertel die früheren Hafenwächter herrschten und unverschämte Abgaben forderten, und daß alle nur darauf aus waren, ihr eigenes Säckel zu füllen.

Die Stadt hatte keinen Stadtkern mehr. Die Leute, die so geschäftig herumeilten, schienen kein bestimmtes Ziel zu verfolgen. Die Handwerker setzten ihren Stolz nicht mehr darein, gute, solide Arbeit zu liefern, selbst die Diebe stahlen nur, weil sie nichts anderes tun konnten. Dem Umtrieb, der Geschäftigkeit, der Buntheit dieser großen Hafenstadt fehlte die feste Basis, darunter war es hohl. Und an den Ecken saßen die Haziasüchtigen, unbeweglich, leblos. Das ganze Leben in Hort hatte etwas Unwirkliches, Krankhaftes an sich, die Gesichter, die Geräusche, die Düfte erschienen und verschwanden so plötzlich, wie sie gekommen waren.

Sperber und Arren wanderten an diesem heißen, langen Nachmittag durch die Straßen und unterhielten sich mit diesem und jenem und es kam vor, daß die buntgestreiften Markisen, das schmutzige Pflaster, die bemalten Wände, alles Farbige plötzlich verschwanden, und nichts blieb zurück, nur eine Geisterstadt, die leer und verschlafen im grellen Sonnenlicht lag.

Nur hoch oben über der Stadt, wo sie sich eine Weile am Spätnachmittag ausruhten, ließ dieses krankhafte, spukhafte Wesen nach. »Das ist keine Stadt, die Glück verheißt!« hatte Sperber vor einigen Stunden gesagt und jetzt, nachdem sie stundenlang ziellos herumgelaufen waren und viele ergebnislose Unterhaltungen mit Fremden geführt hatten, jetzt blickte er müde und düster vor sich hin. Seine Verwandlung war nicht mehr so vollkommen wie am Morgen. Etwas Dunkles, Hartes lag hinter den gutmütigen Zügen des seefahrenden Handelsherrn Falk. Arren hatte die Verstimmung, die ihn am Morgen überkommen hatte, noch nicht überwunden. Sie saßen auf dem spärlichen Gras hoch am Hügel, beschattet von den dunklen Blättern einer Gruppe von Perdickbäumen, die mit roten Knospen übersät waren, von denen einige schon zur Blüte aufgebrochen waren. Von hier oben sahen sie nur die Ziegeldächer der Stadt, die sich vielfältig und zahlreich gegen die See hin staffelten. Die Arme der Bucht, schieferblau im hellen Dunst des Frühlingshimmels, waren weit geöffnet und streckten sich bis an den Rand der Luft. Keine festen Grenzen, keine deutlichen Linien waren sichtbar. Sie saßen und blickten hinaus auf die unendliche blaue Weite. Arren atmete tief aus, eine Last fiel ihm vom Herzen. Er blickte um sich und fühlte sich wieder eins mit der Welt.