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»Ich gehe mir etwas Kaffee bei meiner Tante ausborgen, ja?« Jamie hatte den Ausdruck zunehmender Entgeisterung in meinem Gesicht gesehen. Er grinste, und streckte mir die Arme entgegen, um mir das Baby abzunehmen. »Gib mir den Jungen; ich nehme ihn mit, dann hast du die Hände zum Kochen frei.«

Ich sah ihnen mit einem Anflug von Erleichterung nach. Allein, wenn auch nur für ein paar Augenblicke. Ich atmete die feuchte Luft tief ein, und mir wurde bewusst, dass mir der Regen sacht auf die Kapuze klopfte.

Ich liebte gatherings und gesellschaftliche Ereignisse, musste mir aber eingestehen, dass es mir auf die Nerven ging, tagelang pausenlos unter Menschen zu sein. Nach einer Woche voller Besuche, Kaffeekränzchen, täglicher Sprechstunden und der unablässigen Folge kleiner Probleme, die unausweichlich sind, wenn man mit einer großen Familie im Freien kampiert, war ich reif dafür, mir ein kleines Loch unter einem umgestürzten Baumstamm zu buddeln und hineinzuklettern, nur um eine Viertelstunde meine Ruhe zu haben.

Im Augenblick sah es jedoch so aus, als könnte ich mir die Mühe sparen. Über mir auf dem Berg erklangen Stimmen und Dudelsackmelodien; nach der Unterbrechung durch die Proklamation des Gouverneurs nahm das gathering langsam seinen normalen Rhythmus wieder auf, und alle Welt begab sich wieder an die Feuerstellen ihrer Familien, zu der Lichtung, auf der die Wettkämpfe stattfanden, zu den Viehkoppeln am anderen Bachufer oder zu den Wagen, in denen von Haarbändern und Butterfässern bis hin zu Mörtelpulver und frischen – nun ja, relativ frischen – Zitronen einfach alles feilgeboten wurde. Im Augenblick brauchte mich niemand.

Es würde ein sehr geschäftiger Tag werden, und es war gut möglich, dass dies für eine Woche oder länger meine einzige Gelegenheit war, allein zu sein – so lange würde die Rückreise mindestens dauern, da unsere Reisegruppe groß war und wir Babys und Wagen dabeihatten. Die meisten der neuen Pächter besaßen weder Pferde noch Maultiere und würden den Weg zu Fuß zurücklegen.

Ich brauchte ein paar Minuten für mich allein, um meine Kraft zu sammeln und meine Gedanken zu ordnen. Diese befassten sich allerdings weder mit der Logistik des Frühstücks oder der Hochzeiten noch der Operation, die ich vorhatte. Ich blickte weiter in die Zukunft, über den Rückweg hinaus, und ich sehnte mich heim.

Fraser’s Ridge lag hoch in den Bergen des Westens, weit jenseits aller Städte – oder auch nur der befestigten Straßen. Abgelegen und isoliert, bekamen wir nur selten Besuch. Auch die Zahl der Siedler war klein, obwohl die Anwohnerzahl wuchs; mehr als dreißig Familien waren schon zu uns gestoßen und hatten unter Jamies Schutzherrschaft Heimstätten auf seinem Land errichtet. Die meisten von ihnen waren Männer, die er noch aus dem Gefängnis von Ardsmuir kannte. Ich nahm an, dass auch Chisholm und McGillivray ehemalige Sträflinge sein mussten; Jamie hatte eine offene Einladung an diese Männer ausgesprochen, und er stand dazu, ganz gleich, was es kostete, ihnen zu helfen – oder ob wir es uns leisten konnten.

Ein Rabe flog geräuschlos vorbei, langsam und schwerfällig, das Gefieder vom Regen flach gedrückt. Raben waren Omenvögel; ich fragte mich, ob dieser hier etwas Gutes oder Schlechtes für uns bedeutete. Es war ungewöhnlich, dass überhaupt ein Vogel bei diesem Wetter unterwegs war – das musste bedeuten, dass es ein besonderes Omen war.

Ich schlug mir mit der Handwurzel vor die Stirn und versuchte, so den Aberglauben zu vertreiben. Man brauchte nur lange genug unter Highlandschotten zu leben, und schon bekam jeder verdammte Stein und Baum eine Bedeutung!

Aber vielleicht geschah das ja doch mit gutem Grund. Überall um mich herum waren Menschen auf dem Berg – das wusste ich genau –, und dennoch fühlte ich mich vollkommen allein, durch Regen und Nebel abgeschirmt. Das Wetter war immer noch kalt, aber ich fror nicht. Das Blut pulsierte dicht unter meiner Hautoberfläche, und ich spürte, wie mir die Hitze in die Handflächen stieg. Ich streckte eine Hand nach der nächsten Kiefer aus – auf jeder ihrer Nadeln bebten Wassertropfen, ihre Rinde war schwarz vor Nässe. Ich atmete ihren Duft ein und ließ mir das kühle Wasser über die Haut laufen. Ringsum fiel still und beruhigend der Regen und durchfeuchtete meine Kleider, bis sie sanft an mir klebten wie die Wolken an einem Berg.

Jamie hatte mir einmal gesagt, dass er auf einem Berg leben musste, und jetzt wusste ich, warum das so war – auch wenn ich es nicht hätte in Worte fassen können. All meine verstreuten Gedanken traten in den Hintergrund, als ich den Stimmen der Felsen und Bäume lauschte – und den Berg wie eine Glocke ertönen hörte, ein Mal, tief unter meinen Füßen.

Ich hätte eine ganze Weile derart verzaubert dastehen können, jeden Gedanken an das Frühstück vergessen, doch die Stimmen der Felsen und Bäume verstummten und verschwanden, als neben mir auf dem Pfad klappernde Schritte ertönten.

»Mrs. Fraser.«

Es war Archie Hayes persönlich, trotz der Nässe in vollem Staat mit Barett und Schwert. Wenn es ihn überraschte, mich allein neben dem Pfad stehen zu sehen, so ließ er es sich nicht anmerken, sondern neigte den Kopf zu einem höflichen Gruß.

»Leutnant.« Ich erwiderte die Geste und spürte, wie meine Wangen erröteten, so als hätte er mich beim Baden ertappt.

»Ist Euer Gatte vielleicht in der Nähe, Ma’am?«, fragte er in beiläufigem Tonfall. Trotz meiner Verlegenheit spürte ich einen Stich des Argwohns. Korporal MacNair hatte Jamie holen wollen, und es war ihm nicht gelungen. Wenn der Berg jetzt zum Propheten kam, handelte es sich nicht um etwas Nebensächliches. Hatte Hayes vor, Jamie in eine Art Hexenjagd auf die Regulatoren hineinzuziehen?

»Ich nehme es an. Ich weiß aber nicht genau, wo«, sagte ich und vermied es bewusst, bergauf in die Richtung zu blicken, in der die Spitze von Jocastas großem Zelt zwischen den Bäumen eines Kastanienhains zu sehen war.

»Ah, dann wird er wohl beschäftigt sein«, sagte Hayes gelassen. »Ein Mann wie er hat immer viel zu tun, und heute ist schließlich der letzte Tag des gathering

»Ja. So wird es wohl … ja.«

Das Gespräch erstarb, und ich fühlte mich zunehmend beklommen und fragte mich, wie in aller Welt ich dieser Situation entkommen konnte, ohne den Leutnant zum Frühstück einzuladen. Selbst eine Engländerin konnte nicht hoffen, dass man ihr die Unhöflichkeit durchgehen ließ, ihrem Gegenüber nichts zu essen anzubieten, ohne dass es Gerede gab.

»Äh … Korporal MacNair hat gesagt, dass Ihr Farquard Campbell ebenfalls gern sehen würdet«, sagte ich und packte den Stier bei den Hörnern. »Vielleicht ist Jamie zu ihm gegangen, um sich mit ihm zu besprechen. Zu Mr. Campbell, meine ich.« Ich wies hilfsbereit in Richtung des Campbell’schen Zeltlagers, das auf der anderen Seite des Hanges lag, fast eine Viertelmeile von Jocastas Zelt entfernt.

Hayes blinzelte, und die Tropfen liefen ihm von den Wimpern über die Wangen.

»Aye«, sagte er. »Vielleicht.« Er blieb noch ein paar Sekunden stehen, dann tippte er an sein Barett. »Guten Tag, Ma’am.« Er wandte sich ab und setzte sich bergauf in Bewegung – auf Jocastas Zelt zu. Ich stand da und sah ihm nach, und jedes Gefühl des Friedens war dahin.

»Verdammt«, murmelte ich und brach auf, um mich um das Frühstück zu kümmern.

Kapitel 2

Brote und Fische

Für unser Lager hatten wir eine Stelle gewählt, die weit abseits des Hauptpfades lag und sich auf einer kleinen, felsigen Lichtung befand, von der man eine gute Sicht auf das breite Bachufer hatte. Als ich jetzt durch das Stechpalmengebüsch einen Blick nach unten warf, konnte ich grünschwarzen Tartanstoff aufleuchten sehen, denn die letzten Soldaten zerstreuten sich. Archie Hayes hatte seine Männer ermuntert, sich unters Volk zu mischen, und die meisten leisteten diesem Befehl nur zu gern Folge.