Es war ein ganzes Stück; als ich sie in der Nähe des Wettkampffeldes einholte, war ich vor Anstrengung außer Atem und schwitzte. Die Wettkämpfe begannen gerade erst; ich konnte das Summen einer Menge von Männern hören, die sich unterhielten, aber noch keine Anfeuerungsrufe oder Enttäuschungsbekundungen. Einige muskulöse Exemplare stapften mit nacktem Oberkörper auf und ab und schwangen die Arme, um sich zu lockern, die »starken Männer« aus den diversen Siedlungen.
Es hatte wieder zu nieseln begonnen; die Nässe glänzte auf den gerundeten Schultern der Männer und klebte ihnen dunkle Haarkringel an die blasse Haut ihrer Brustkörbe und Unterarme. Doch ich hatte keine Zeit, dem Spektakel meine Aufmerksamkeit zu schenken, denn John Quincy schlängelte sich geschickt zwischen den Trauben der Zuschauer und Wettkämpfer hindurch und winkte im Vorbeigehen dem einen oder anderen Bekannten zu. Am anderen Ende der Menge löste sich ein kleiner Mann aus dem Gedränge und eilte auf uns zu.
»Mac Dubh! Da seid Ihr ja – das ist gut!«
»Keine Ursache, Robbie«, versicherte ihm Jamie. »Was soll ich denn tun?«
McGillivray, der dem Nervenzusammenbruch nahe aussah, warf einen Blick auf die Muskelmänner und ihre Gefolgschaft und wies dann mit einem Ruck seines Kopfes auf den nahen Waldrand. Wir folgten ihm, ohne dass die Menge, die sich gerade um zwei mit Seilen umwickelte Steinbrocken sammelte, von uns Notiz nahm. Ich vermutete, dass einige der anwesenden Muskelprotze jetzt ihr Können unter Beweis stellen würden, indem sie diese hochhoben.
»Es ist Euer Sohn, nicht wahr, Robbie?«, fragte Jamie und wich einem nassen Kiefernzweig aus. »Aye«, antwortete Robbie. »Zumindest bis gerade.«
Das klang unheilvoll. Ich sah, wie Jamies Hand über den Kolben seiner Pistole strich; die meine fuhr an meine medizinische Ausrüstung.
»Was ist denn passiert?«, fragte ich. »Ist er verletzt?«
»Er nicht«, erwiderte McGillivray kryptisch und duckte sich unter einem tief hängenden Kastanienzweig hindurch, der mit einer roten Kletterpflanze behangen war.
Genau vor uns befand sich eine unbewachsene Stelle, die eigentlich nicht groß genug war, um sie als Lichtung zu bezeichnen, und die mit abgestorbenen Grasbüscheln und Kiefernschösslingen bewachsen war. Fergus und ich folgten Jamie gerade unter der Kletterpflanze hindurch, als eine hochgewachsene, in Leinen gekleidete Frau auf uns zuwirbelte und Anstalten machte, den abgebrochenen Ast zu schwingen, den sie in der Hand hielt. Doch dann sah sie McGillivray und entspannte sich geringfügig.
»Wer ist das?«, fragte sie argwöhnisch und beäugte uns. Dann erschien John Quincy unter der Kletterpflanze, und sie ließ den Knüppel sinken. Ihr auf bodenständige Weise hübsches Gesicht entspannte sich weiter.
»Ha, Myers! Ihr bringt mir also Jamie, ja?« Sie sah mich neugierig an, war aber zu sehr damit beschäftigt, ihre Blicke zwischen Fergus und Jamie hin und her wandern zu lassen, um mich genau unter die Lupe zu nehmen.
»Aye, Liebes, das hier ist Jamie Roy – Seaumais Mac Dubh.« McGillivray beeilte sich, so zu tun, als sei Jamies Auftauchen ihm zu verdanken, und er legte ihm respektvoll die Hand auf den Ärmel. »Meine Frau Ute, Mac Dubh. Und Mac Dubhs Sohn«, sagte er mit einer vagen Geste in Fergus’ Richtung.
Ute McGillivray sah aus wie eine Walküre, die sich hauptsächlich von Stärkeprodukten ernährte; groß, sehr blond, breit und kraftvoll.
»Zu Diensten, Ma’am«, sagte Jamie und verbeugte sich.
»Madame«, fügte Fergus an und machte einen Hofknicks.
Mrs. McGillivray machte ihrerseits einen tiefen Hofknicks, den Blick auf die auffallenden Blutflecken geheftet, die Jamies – oder besser Rogers – Rock zierten.
»Mein Herr«, murmelte sie mit beeindruckter Miene. Sie drehte sich um und winkte einen jungen Mann von siebzehn oder achtzehn Jahren herbei, der sich im Hintergrund gehalten hatte. Seine Ähnlichkeit mit seinem kleinen, drahtigen, dunkelhaarigen Vater war so deutlich, dass man seine Identität wohl kaum in Zweifel ziehen konnte.
»Manfred«, verkündete seine Mutter stolz. »Mein Junge.«
Jamie begrüßte ihn mit einem ernsten Kopfnicken.
»Mr. McGillivray.«
»Äh … zu D-diensten, Sir?« Der Junge klang so, als hätte er seine Zweifel, hielt Jamie jedoch die Hand entgegen.
»Freut mich, Euch kennen zu lernen«, versicherte Jamie ihm und schüttelte ihm die Hand. Nachdem nun der Höflichkeit Genüge getan war, sah er sich kurz auf der stillen Lichtung um und zog eine Augenbraue hoch.
»Mir ist zu Ohren gekommen, dass Ihr Unannehmlichkeiten mit einem Diebesfänger hattet. Darf ich annehmen, dass sich die Angelegenheit geklärt hat?« Er blickte fragend von McGillivray Junior zu McGillivray Senior.
Die drei McGillivrays wechselten ebenfalls eine Reihe von Blicken. Robin McGillivray hüstelte verlegen.
»Nun ja, ›geklärt‹ würde ich nicht sagen, Mac Dubh. Das heißt …« Er verstummte, und sein Gesicht nahm den gehetzten Ausdruck wieder an.
Mrs. McGillivray musterte ihn kurz und streng und wandte sich dann an Jamie.
»Es ist nicht so schlimm«, sagte sie zu ihm. »Ich habe den Mistkerl sicher verstaut. Wir möchten nur gern wissen, wie wir seinen Korpus am besten verstecken?«
»Den … Korpus?«, fragte ich schwach.
Selbst Jamie sah jetzt ein wenig beunruhigt aus.
»Du hast ihn umgebracht, Rob?«
»Ich?« McGillivray machte ein schockiertes Gesicht. »Himmel, Mac Dubh, wofür hältst du mich?«
Jamie zog erneut die Augenbraue hoch; offensichtlich war der Gedanke, dass McGillivray eine Gewalttat begehen könnte, gar nicht so weit hergeholt. Immerhin besaß McGillivray so viel Anstand, ein beschämtes Gesicht zu machen.
»Aye, nun ja, es hätte schon sein können – und ich habe schließlich – nun ja, aber, Mac Dubh! Die Sache in Ardsmuir ist doch lange her und vorbei, aye?«
»Aye«, sagte Jamie trocken. »Das ist sie. Aber wie steht es nun mit dem Diebesfänger. Wo ist er?«
Ich hörte hinter mir ein unterdrücktes Kichern und fuhr herum. Ich sah, dass der Rest der Familie McGillivray ebenfalls zugegen war, wenn er auch bis jetzt geschwiegen hatte. Auf einem abgestorbenen Baumstamm hinter einer Reihe von Schösslingen saßen nebeneinander drei Mädchen im Teenageralter. Sie waren makellos mit sauberen, weißen Hauben und Schürzen bekleidet, die nur etwas vom Regen angeknittert waren.
»Meine Töchter«, verkündete Mrs. McGillivray mit einer Handbewegung in Richtung der drei – überflüssigerweise, da die Mädchen alle so aussahen wie kleinere Ausgaben ihrer selbst. »Hilda, Inga und Senga.«
Fergus verbeugte sich elegant vor den dreien.
»Enchanté, Mesdemoiselles.«
Die Mädchen kicherten und nickten mit den Köpfen, ohne sich jedoch zu erheben, was mir seltsam vorkam. Dann fiel mir auf, dass sich unter dem Rock der Ältesten eine Art Tumult abspielte, ein heftiges Wedeln, das von unterdrücktem Grunzen begleitet wurde. Inga versetzte dem Verursacher – wer oder was es auch immer war – einen scharfen Tritt mit dem Absatz und lächelte mir dabei fröhlich zu.
Es grunzte erneut – diesmal sehr viel lauter – unter dem Rock, woraufhin Jamie zusammenfuhr und sich nach dem Geräusch umdrehte.
Nach wie vor fröhlich lächelnd, bückte sich Hilda und hob vorsichtig ihren Rocksaum an, unter dem ich ein von Panik erfülltes Gesicht sehen konnte, das von einem dunklen Stoffstreifen zerteilt wurde, der um seinen Mund gebunden war.
»Das ist er«, sagte Robbie, der das Talent seiner Frau teilte, das Offensichtliche auszusprechen.
»Ich verstehe.« Jamies Finger zuckten sacht gegen seinen Kilt. »Äh … vielleicht könnten wir ihn herausholen?«
Robbie winkte den Mädchen zu, die alle gleichzeitig aufstanden und beiseite traten. Es kam ein kleiner Mann zum Vorschein, der unter dem umgestürzten Baumstamm lag und mit einer bunten Mischung aus Frauenschals und -strümpfen an Händen und Füßen gefesselt war. Als Knebel diente ein Halstuch. Er war nass, schlammig und einigermaßen mitgenommen.