Myers bückte sich, packte den Mann am Kragen und hievte ihn zum Stehen hoch.
»Nun ja, besonders viel macht er jedenfalls nicht her«, sagte der Waldläufer kritisch und sah den Mann mit zusammengekniffenen Augen an, als beurteilte er ein minderwertiges Biberfell. »Die Diebesjagd macht sich anscheinend nicht so gut bezahlt, wie ich dachte.«
Tatsächlich war der Mann ziemlich dürr und zerlumpt, abgesehen davon, dass er zerzaust, wütend – und zu Tode erschrocken war. Ute rümpfte verächtlich die Nase.
»Saukerl!«, sagte sie und spuckte gezielt auf die Schuhe des Diebesfängers. Dann wandte sie sich mit ihrem ganzen Charme an Jamie.
»So, mein Herr. Wie beseitigen wir ihn am besten?«
Die Augen des Diebesfängers quollen hervor, und er wand sich in Myers’ Griff. Er zog und zerrte und machte hinter seinem Knebel panische Gurgelgeräusche. Jamie betrachtete ihn von oben bis unten und rieb sich mit dem Handrücken über den Mund, dann sah er Robbie an, der schwach mit der Schulter zuckte und einen entschuldigenden Blick auf seine Frau warf.
Jamie räusperte sich.
»Mmphm. Hattet Ihr Euch denn schon etwas überlegt, Ma’am?«
Ute strahlte über seine offensichtliche Billigung ihrer Absichten und zog einen langen Dolch aus ihrem Gürtel.
»Ich dachte, vielleicht stechen wir ihn ab, wie ein Schwein, ja? Allerdings …« Sie stach dem Diebesfänger vorsichtig zwischen die Rippen; er jaulte hinter seinem Knebel auf, und ein kleiner Blutfleck erschien auf seinem zerlumpten Hemd.
»Zu viel Blut«, erklärte sie, sichtlich enttäuscht. Sie wies gestikulierend auf die schützende Wand aus Bäumen, hinter der die Gewichtheber gut voranzukommen schienen. »Die Leute werden es riechen.«
»Dann sollten wir ihn wohl besser auch nicht erschießen«, sagte Jamie nachdenklich. »Wenn Ihr keine Aufmerksamkeit erregen wollt, meine ich.«
»Ich denke, wir brechen ihm das Genick«, sagte Robbie McGillivray umsichtig und blinzelte den Diebesfänger an. »Das ist am einfachsten.«
»Meint Ihr?« Fergus runzelte konzentriert die Stirn. »Ich meine, wir sollten ein Messer nehmen. Wenn man an der richtigen Stelle zusticht, blutet es kaum. Die Nieren, im Rücken genau unter den Rippen … wie wäre das?«
Den drängenden Lauten nach zu urteilen, die hinter dem Knebel ertönten, schien sich der Gefangene diese Vorschläge zu verbitten, und Jamie rieb sich skeptisch das Kinn.
»Nun, das ist nicht besonders schwierig«, stimmte er zu. »Oder wir erwürgen ihn. Dann macht er sich allerdings in die Hose. Und wenn es auf den Geruch ankommt, können wir ihm nicht einmal den Schädel einschlagen … aber erzähl mir, Robbie, wie kommt der Mann hierher?«
»Häh?« Robbie sah verständnislos aus.
»Ihr habt doch hier nicht euer Lager, oder?« Jamie wies mit der Hand auf die winzige Lichtung, um zu verdeutlichen, was er meinte. Es war keine Spur eines Lagerfeuers zu sehen; auf dieser Seite des Baches befanden sich überhaupt keine Lagerstellen. Und doch waren die McGillivrays vollzählig anwesend.
»Oh, nein«, sagte Robbie, und auf seinem groben Gesicht dämmerte das Verständnis. »Nein, wir haben unser Lager weiter weg. Wir wollten uns nur ein paar Wettkämpfe ansehen –« Er wies mit einem Ruck seines Kopfes auf die Arena. »Und dann hat dieser verdammte Aasgeier hier unseren Freddie erspäht und ihn festgenommen, um ihn wegzuschleppen.« Er warf dem Diebesfänger einen feindseligen Blick zu, und ich sah, dass ein Seilende wie eine Schlange am Gürtel des Mannes baumelte. Ein Paar Eisenhandschellen lag vor ihm auf dem Boden. Durch die Feuchtigkeit begann das dunkle Metall bereits, sich mit orangem Rost zu überziehen.
»Wir haben gesehen, wie er unseren Bruder gepackt hat«, meldete sich Hilda jetzt zu Wort. »Also haben wir ihn gepackt und ihn hierher geschoben, wo ihn niemand sehen konnte. Als er gesagt hat, dass er unseren Bruder zum Sheriff bringen will, haben meine Schwestern und ich ihn niedergeschlagen und uns auf ihn gesetzt, und Mama hat ihm ein paar Tritte verpasst.«
Ute klopfte ihrer Tochter liebevoll auf die kräftige Schulter.
»Meine Töchter sind brav und kräftig«, sagte sie zu Jamie. »Wir sind hierher gekommen, um uns die Wettkämpfer anzusehen und vielleicht einen Mann für Inga oder Senga auszusuchen. Hilda ist schon einem Mann versprochen«, fügte sie mit einem Ausdruck der Genugtuung hinzu.
Sie betrachtete Jamie unverhüllt, und ihr Blick verharrte wohlwollend auf seiner Größe, der Breite seiner Schultern und dem guten Allgemeinzustand seiner Erscheinung.
»Euer Mann ist schön groß«, sagte sie zu mir. »Habt Ihr vielleicht Söhne?«
»Nein, leider nicht«, sagte ich entschuldigend. »Äh … Fergus ist mit der Tochter meines Mannes verheiratet«, fügte ich hinzu, als ich sah, dass sie ihren abschätzenden Blick auf Fergus richtete.
Der Diebesfänger schien der Meinung zu sein, dass wir ein wenig vom Thema abkamen, und lenkte die Aufmerksamkeit wieder auf sich, indem er unter seinem Knebel einen entrüsteten Quietschlaut von sich gab. Sein Gesicht, das im Verlauf der theoretischen Erörterung seines Ablebens bleich geworden war, war jetzt wieder rot angelaufen, und das Haar klebte ihm in breiten Strähnen an der Stirn.
»Oh, aye«, sagte Jamie, dem dies auffiel. »Vielleicht sollten wir dem Gentleman das Wort erteilen?«
Robbie kniff bei diesen Worten die Augen zusammen, doch er nickte widerstrebend. Die Wettkämpfe waren jetzt in vollem Gange, und von der Arena drang heftiger Lärm zu uns herüber; es würde niemandem auffallen, wenn hier jemand schrie.
»Ihr dürft nicht zulassen, dass sie mich umbringen, Sir! Ihr wisst, dass es nicht rechtens ist!« Heiser vor Anstrengung, richtete der Mann seinen Appell an Jamie, sobald der Knebel entfernt worden war. »Ich tue nur meine Pflicht und führe der Justiz einen Kriminellen zu!«
»Ha!«, ertönte es von allen McGillivrays gleichzeitig. Sie schienen zwar alle einer Meinung zu sein, doch der Ausdruck derselben artete auf der Stelle in ein Gewirr von Beschimpfungen, Kraftausdrücken und eine Serie hemmungsloser Tritte gegen die Schienbeine des Gentlemans aus.
»Schluss damit!«, sagte Jamie so laut, dass man ihn trotz des Aufruhrs hören konnte. Da dies keinerlei Auswirkungen zeigte, packte er McGillivray Junior beim Nacken und dröhnte in voller Lautstärke: »Ruhe!« Dies erschreckte sie so, dass sie vorübergehend verstummten und schuldbewusste Blicke in Richtung der Wettkampfarena warfen.
»Nun denn«, sagte Jamie bestimmt. »Myers, bringt bitte den Gentleman mit. Rob, Fergus, kommt mit mir. Bitte, Madame?« Er verbeugte sich vor Mrs. McGillivray, die zunächst die Augen aufriss, dann aber langsam zustimmend nickte. Jamie sah mich an, verdrehte die Augen und marschierte dann mit dem männlichen Teil der Anwesenden auf den Bach zu, Manfred immer noch beim Genick gepackt. Die Verantwortung für die Damen blieb mir überlassen.
»Euer Mann – wird er meinen Sohn retten?« Ute wandte sich mir zu, die blonden Augenbrauen sorgenvoll zusammengezogen.
»Er wird es versuchen.« Ich sah die Mädchen an, die sich hinter ihre Mutter gedrängt hatten. »Wisst Ihr, ob Euer Bruder in Hillsborough gewesen ist?«
Die Mädchen sahen einander an und wählten dann schweigend Inga zu ihrer Sprecherin.
»Nun ja, doch, das war er«, sagte sie ein wenig trotzig. »Aber er hat nicht bei dem Aufruhr mitgemacht, wirklich nicht. Er war nur dort, um ein Pferdegeschirr flicken zu lassen, und ist in die Menge geraten.«
Ich fing einen schnellen Blick zwischen Hilda und Senga auf und schloss daraus, dass dies möglicherweise nicht die ganze Geschichte war. Doch war es, dem Himmel sei Dank, nicht meine Sache, dies zu beurteilen.
Mrs. McGillivrays Blick verharrte bei den Männern, die in einiger Entfernung standen und sich murmelnd unterhielten. Sie hatten den Diebesfänger losgebunden, nur seine Hände waren immer noch gefesselt. Er stand mit dem Rücken an einem Baum und sah aus wie eine in die Enge getriebene Ratte, die trotzig die Zähne fletscht. Jamie und Myers hatten sich direkt vor ihm aufgebaut, während Fergus daneben stand, die Stirn aufmerksam gerunzelt, das Kinn auf seinen Haken gestützt. Rob McGillivray hatte ein Messer gezogen, mit dem er nachdenklich an einem Kiefernzweig herumschnitzte. Dann und wann sah er den Diebesfänger finster und drohend an.