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Er hatte halb vergessen in der Kaminecke gesessen, und eine seltsame Erschöpfung hatte ihn überwältigt und ihn so müde gemacht, dass sein Kopf vornüber fiel und sich die Lethargie über ihn stahl. Es war warm, und ein Gefühl der Unwirklichkeit überkam ihn. Wenn die Beengtheit in der Einzimmerhütte der Hobsons nicht real war, dann waren es auch der stille Hügel und das frische Grab unter der Fichte nicht.

Er schlief unter dem Tisch, und als er vor der Dämmerung aufwachte, stellte er fest, dass das Gefühl der Unwirklichkeit nicht nachgelassen hatte. Alles um ihn herum schien nicht mehr als ein Wachtraum zu sein. MacLennan selbst schien nicht länger zu existieren; sein Körper erhob sich, wusch sich und aß, nickte und redete ohne sein Zutun. Die Außenwelt gab es nicht mehr. Und so war es gekommen, dass Joe Hobson sich erhoben und angekündigt hatte, dass er und Hugh nach Hillsborough gehen würden, um vor Gericht Wiedergutmachung zu suchen, und Abel MacLennan sich mit ihnen unterwegs wiedergefunden hatte. Er hatte genickt und geantwortet, wenn man ihn ansprach, jedoch mit der Willenskraft eines Toten.

»Als wir so die Straße entlangmarschierten, kam mir der Gedanke, dass wir alle tot waren«, sagte er verträumt. »Ich und Joe und Hugh und der Rest. Ich hätte genauso gut dort wie anderswo sein können; ich bewegte mich nur weiter, bis die Zeit kam, meine Knochen an Abbys Seite niederzulegen. Es war gar nicht schlimm.«

Als sie in Hillsborough ankamen, hatte er sich nicht großartig für Joes Absichten interessiert, sondern war ihm einfach gefolgt, gehorsam und ohne nachzudenken. War ihm gefolgt und die schlammigen Straßen entlanggewandert, auf denen die Glasscherben der zerschmetterten Fenster glitzerten, hatte die Fackeln und die tobende Menge gesehen, die Rufe und Schreie gehört – und war völlig ungerührt geblieben.

»Es waren ja alles nur Tote, die mit ihren Knochen aneinander klapperten«, sagte er achselzuckend. Er schwieg kurz, dann richtete er den Blick auf Jamie und sah ihm lange und ernst ins Gesicht.

»Ist es so? Bist du auch tot?« Seine schlaffe, schwielige Hand schwebte von dem roten Tuch empor und hielt an Jamies Wangenknochen sacht inne.

Jamie wich vor der Berührung nicht zurück, sondern ergriff MacLennans Hand und senkte sie wieder, um sie dann festzuhalten.

»Nein, a charaid«, sagte er leise. »Noch nicht.«

MacLennan nickte langsam.

»Aye. Das kommt schon noch«, sagte er. Er befreite seine Hand und blieb noch einen Augenblick sitzen und strich dabei sein Halstuch glatt. Sein Kopf hob und senkte sich sacht nickend, so als sei die Feder in seinem Nacken überdehnt.

»Das kommt schon noch«, wiederholte er. »Es ist gar nicht so schlimm.« Dann stand er auf und legte sich das rote Stoffquadrat auf den Kopf. Er wandte sich mir zu und nickte höflich, sein Blick vage und verstört.

»Ich dank Euch für das Frühstück, Ma’am«, sagte er und ging davon.

Kapitel 3

Vergällte Körpersäfte

Abel MacLennans Aufbruch setzte dem Frühstück ein abruptes Ende. Der Privatgefreite Ogilvie bedankte und entschuldigte sich, Jamie und Fergus begaben sich auf die Suche nach Astrolabien und Sensen, und Lizzie, die in Abwesenheit des Gefreiten Ogilvie zusehends dahinwelkte, ließ verlauten, sie fühle sich nicht gut, und zog sich blass mit einer großen Tasse Tee aus Gänsefingerkraut und Gartenraute bewaffnet in eines der Zelte zurück.

Glücklicherweise wählte Brianna just diesen Zeitpunkt für ihre Rückkehr, sans Jemmy. Sie und Roger hatten gemeinsam mit Jocasta gefrühstückt, versicherte sie mir. Jemmy war in Jocastas Armen eingeschlafen, und da beide Seiten mit diesem Arrangement zufrieden schienen, hatte sie ihn dort gelassen und war zurückgekehrt, um mir bei der Morgensprechstunde zu helfen.

»Bist du auch sicher, dass du mir heute Morgen helfen möchtest?« Ich warf Brianna einen skeptischen Blick zu. »Es ist schließlich dein Hochzeitstag. Bestimmt könnten Lizzie oder vielleicht Mrs. Martin –«

»Nein, ich mach’s«, versicherte sie mir und wischte mit einem Tuch über den Sitz des großen Hockers, den ich für meine morgendlichen Operationen benutzte. »Lizzie geht’s zwar besser, aber ich glaube nicht, dass sie verwesenden Füßen und verdorbenen Mägen gewachsen ist.« Sie erschauerte leicht und schloss die Augen bei der Erinnerung an den älteren Herrn, dessen vereiterte Ferse ich tags zuvor einem debridement unterzogen hatte. Vor Schmerzen hatte er sich ausgiebig auf seine zerlumpte Kniehose übergeben, was wiederum ansteckend auf mehrere der Patienten, die auf meine Zuwendung warteten, gewirkt hatte, die sich daraufhin aus einem mitfühlenden Reflex heraus ebenfalls übergaben.

Auch mir wurde bei dieser Erinnerung ein wenig mulmig, doch ich schluckte sie mit einem letzten Rest bitteren Kaffees herunter.

»Nein, da hast du wohl Recht«, pflichtete ich ihr zögernd bei. »Aber dein Kleid ist doch noch nicht ganz fertig, oder? Vielleicht solltest du –«

»Alles in Ordnung«, versicherte sie mir. »Phaedre säumt das Kleid gerade, und Ulysses kommandiert die Dienstboten herum wie ein Oberfeldwebel. Ich wäre nur im Weg.«

Ich gab ohne weitere Einwände nach, obwohl ich mich ein wenig über ihren Eifer wunderte. Brianna war zwar nicht zimperlich, wenn es um alltägliche Notwendigkeiten wie das Abhäuten von Tieren oder das Ausnehmen von Fischen ging, doch ich wusste, dass der Umgang mit Menschen mit entstellenden Leiden oder sichtbaren Krankheiten ihr zusetzte, auch wenn sie ihr Bestes tat, es zu verbergen. Es war kein Abscheu, dachte ich, sondern vielmehr lähmendes Mitgefühl.

Ich ergriff den Kessel und goss frisch abgekochtes Wasser in ein großes, halb volles Glas mit destilliertem Alkohol. Eine heiße Wolke aus Alkoholdampf stieg auf, und ich kniff die Augen zusammen.

Es war schwierig, so viele Menschen zu sehen, deren Leiden man im Zeitalter von Antisepsis, Antibiotika und Anästhesie leicht hätte behandeln können, doch ich hatte gelernt, den Abstand zu wahren – in den Feldlazaretten einer Zeit, in der diese medizinischen Innovationen nicht nur ganz neu, sondern auch selten gewesen waren –, und ich kannte die Notwendigkeit und den Wert dieses Abstandes.

Ich konnte niemandem helfen, wenn meine Gefühle mir im Weg standen. Und ich musste helfen. So einfach war das. Doch Brianna verfügte über kein solches Wissen, das ihr als Schutzschild hätte dienen können. Noch nicht.

Sie hatte die Hocker, Kisten und die restlichen Utensilien für die Sprechstunde fertig abgewischt und richtete sich auf, die Stirn leicht gekräuselt.

»Erinnerst du dich an die Frau, die du gestern behandelt hast? Die mit dem behinderten, kleinen Jungen?«

»So etwas vergisst man nicht so schnell«, sagte ich so beiläufig wie möglich. »Wieso? Hier, kannst du dich darum kümmern?« Ich wies auf meinen Klapptisch, der sich standhaft weigerte, sich vernünftig zusammenzufalten, da seine Scharniere von der Feuchtigkeit aufgequollen waren.

Brianna studierte ihn stirnrunzelnd und versetzte dann dem widerspenstigen Scharnier einen scharfen Hieb mit der Handkante. Es beugte sich der höheren Gewalt und klappte auf der Stelle zusammen.

»Bitte sehr.« Sie rieb sich geistesabwesend die Handkante, die Stirn nach wie vor in Falten gelegt. »Du hast ihr sehr eindringlich nahe gelegt, dass sie keine Kinder mehr bekommen soll. Der kleine Junge – dann war es also eine Erbkrankheit?«

»So kann man es auch ausdrücken«, erwiderte ich trocken. »Angeborene Syphilis.«