»Äh … würdet Ihr bitte seinen Kopf festhalten?« Der Hund mochte ja gutmütig sein, doch das bedeutete nicht, dass er es völlig ungerührt hinnehmen würde, wenn ich ihm eine Nadel durch den Pelz stach. Doch sein Besitzer verharrte in seine finsteren Betrachtungen versunken und machte keine Anstalten, meiner Bitte Folge zu leisten. Ich sah mich Hilfe suchend nach Brianna um, doch sie war plötzlich verschwunden.
»Hier, a bailach, hier«, sagte eine beruhigende Stimme an meiner Seite, und als ich mich überrascht umdrehte, schnüffelte der Hund bereits interessiert an Murray MacLeods ausgestreckten Handgelenken. Angesichts meiner überraschten Miene zuckte dieser mit den Schultern, lächelte und beugte sich über den Tisch, um den verblüfften Hund an Nacken und Schnauze zu packen.
»Ich rate Euch, Euch zu beeilen, Mrs. Fraser«, sagte er.
Ich packte das Bein, das mir am nächsten war, mit festem Griff und stach zu. Der Hund reagierte genauso, wie es die meisten Menschen unter solchen Umständen taten: Er wand sich wie verrückt und versuchte zu entwischen. Seine Klauen kratzten über das grobe Holz der Tischplatte. Schließlich gelang es ihm, Murray zu entwischen, woraufhin er ganz vom Tisch sprang und mit wehenden Fäden in die Freiheit flüchtete. Ich stürzte mich höchstpersönlich auf ihn und wälzte mich mit ihm durch Laub und Schlamm, während die Zuschauer in alle Himmelsrichtungen davon stoben, bis ein paar wagemutige Seelen mir zu Hilfe kamen und das verdreckte Tier zu Boden drückten, so dass ich meine Arbeit beenden konnte.
Ich zog den letzten Knoten fest, schnitt die Enden des gewachsten Fadens mit Murrays Aderlassklinge ab – die in dem Durcheinander unter die Räder gekommen war, glücklicherweise jedoch keinen Schaden genommen hatte – und hob dann mein Knie von der Flanke des Hundes. Inzwischen keuchte ich fast genauso heftig wie der Hund.
Die Zuschauer applaudierten.
Ich verbeugte mich ein wenig benommen und schob mir mit beiden Händen die zerzausten Locken aus dem Gesicht. Murrays Zustand war kaum besser; sein Pferdeschwanz hatte sich gelöst, und er hatte einen klaffenden Riss in seinem Rock, der mit Schlamm bedeckt war. Er bückte sich, ergriff den Hund und hievte ihn auf den Tisch, wo sein Besitzer stand.
»Euer Hund, Sir«, sagte er und blieb leise keuchend stehen.
Der alte Mann drehte sich um, legte dem Hund eine Hand auf den Kopf und blickte abwechselnd von Murray zu mir, als wüsste er nicht genau, was er von dieser unorthodoxen Art der ärztlichen Praxis halten sollte. Er sah sich erneut nach den Soldaten unten auf der Lichtung um und wandte sich dann an mich, die schütteren Brauen über der Hakennase zusammen gezogen.
»Wer sind die denn?«, sagte er im Tonfall höchsten Erstaunens. Ohne eine Antwort abzuwarten, zuckte er mit den Achseln, wandte sich ab und ging davon. Der Hund sprang mit hängender Zunge vom Tisch und trottete an der Seite seines Herrn davon, neuen Abenteuern entgegen.
Ich holte tief Luft, strich mir den Dreck von der Schürze, lächelte Murray dankbar zu und wandte mich ab, um mir die Hände zu waschen, bevor ich mich dem nächsten Patienten widmete.
»Ha«, sagte Brianna leise. »Jetzt haben wir ihn!« Sie hob das Kinn und deutete hinter mich, und ich fuhr herum, um ihrer Blickrichtung zu folgen.
Der nächste Patient war ein Herr. Das heißt, ein waschechter Herr, seiner Kleidung und Haltung nach zu urteilen, denn in beidem war er dem Durchschnitt weit überlegen. Mir war aufgefallen, dass er sich schon seit einiger Zeit am Rand der Lichtung herumdrückte und seine Blicke zwischen meinem und Murrays Operationszentrum hin und her schweifen ließ, da er offensichtlich unschlüssig war, welchem Medico das Privileg seiner Kundschaft zuteil werden sollte. Anscheinend hatte der Zwischenfall mit dem Hund des Trappers das Zünglein an der Waage zu meinen Gunsten verschoben.
Ich blickte Murray an, der ein unverkennbar gesäuertes Gesicht machte. Ein solcher Herr würde wahrscheinlich bar bezahlen. Ich zuckte entschuldigend mit den Achseln, dann setzte ich ein freundliches, professionelles Lächeln auf und bedeutete dem Patienten, auf meinem Hocker Platz zu nehmen.
»Setzt Euch, Sir«, sagte ich, »und sagt mir, wo Euch der Schuh drückt.«
Der Herr war ein Mr. Goodwin aus Hillsborough, dessen Hauptbeschwerde, so schien es, ein schmerzender Arm war. Wie ich sah, war dies aber nicht sein einziges Problem; eine frische Zickzacknarbe zog sich über seine Wange, die weißliche Wulst zog ihm den Augenwinkel herunter und verlieh ihm einen grimmig blinzelnden Gesichtsausdruck. Eine schwache Verfärbung an seiner Wange zeigte außerdem die Stelle an, wo er direkt über dem Kinn von einem schweren Gegenstand getroffen worden war, und seine Gesichtszüge hatten das stumpfe, geschwollene Aussehen eines Mannes, der vor nicht allzu langer Zeit übel verprügelt worden war.
Wenn man sie hinreichend provozierte, prügelten sich feine Herren genauso wie du und ich, doch dieser hier schien mir für diese Art der Volksbelustigung schon ein wenig alt zu sein. Seinem Aussehen nach war er Mitte fünfzig, und ein Wohlstandsbauch drückte sich gegen seine mit Silberknöpfen besetzte Weste. Vielleicht war er überfallen und ausgeraubt worden, dachte ich. Allerdings nicht auf dem Weg zum gathering; diese Verletzungen waren schon Wochen alt.
Ich tastete mich vorsichtig an seinem Arm und seiner Schulter entlang, ließ ihn den Arm vorsichtig heben und bewegen und stellte ihm kurze Fragen, während ich die Gliedmaßen befühlte. Das Problem war nicht zu verkennen; er hatte sich den Ellbogen verrenkt. Zwar hatte die Verrenkung glücklicherweise bereits nachgelassen, doch ich hatte das Gefühl, dass er sich eine Sehne gerissen hatte, die jetzt in seinem Ellenbogen fest klemmte, so dass jede Bewegung des Arms die Verletzung verschlimmerte.
Nicht, dass das alles war; als ich seinen Arm weiter abtastete, fand ich an seinen Unterarmknochen nicht weniger als drei halb verheilte, glatte Brüche. Die Verletzungen waren nicht nur äußerliche; ich konnte die verblassenden Überbleibsel zweier großer Prellungen über den Bruchstellen sehen – große, unregelmäßige, grüngelbe Flecken mit einer schwarzroten Mitte, die auf innere Blutungen hindeuteten. Ich hätte wetten mögen, dass er sich diese in Notwehr zugezogen hatte.
»Brianna, such mir eine vernünftige Schiene, ja?«, bat ich. Brianna nickte wortlos und verschwand. Währenddessen rieb ich Mr. Goodwins weniger ernste Blessuren mit Kajeputsalbe ein.
»Wie ist es denn zu diesen Verletzungen gekommen, Mr. Goodwin?«, fragte ich beiläufig, während ich einen Leinenverband entwirrte. »Ihr seht aus, als wärt Ihr in eine mörderische Prügelei geraten. Ich hoffe wenigstens, Euer Gegner sieht noch schlimmer aus.«
Mr. Goodwin lächelte schwach über meinen versuchten Witz.
»Es war wirklich eine regelrechte Schlacht, Mrs. Fraser«, erwiderte er, »und doch hatte ich eigentlich nichts damit zu tun. Es war vielmehr ein unglücklicher Zufall – man könnte sagen, ich war zur falschen Zeit am falschen Ort.
Dennoch …« Er schloss automatisch das blinzelnde Auge, als ich die Narbe berührte. Wer auch immer sie genäht hatte, hatte zwar kein Kunstwerk vollbracht, doch zumindest war sie sauber verheilt.
»Tatsächlich?«, sagte ich. »Was ist denn geschehen?«
Er knurrte, schien aber nichts dagegen zu haben, es mir zu erzählen.
»Ihr habt doch sicher heute Morgen den Offizier gehört, Ma’am – als er die Worte des Gouverneurs bezüglich des schändlichen Verhaltens der Aufwiegler vorgelesen hat?«
»Ich glaube nicht, dass die Worte des Gouverneurs irgendjemandem entgangen sind«, murmelte ich und zupfte sanft mit den Fingerspitzen an seiner Narbe. »Ihr wart also in Hillsborough, ist es das, was Ihr sagen wollt?«