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Die kleinen Fäden der Furcht hatten sich zu einer kalten Schlange verwoben, die an ihrer Wirbelsäule entlang kroch, sich tief in ihrem Bauch zusammenrollte und sich um ihr Inneres wand. Sie wusste, was er wollte, und es war mehr als das, was sie gerade miteinander erlebt hatten – so machtvoll das auch war. Aber wenn sie doch wusste, was er wollte – und warum –, wie konnte sie da zögern, es ihm zu geben?

»Ja.« Sie holte tief Luft und stieß sie in einer weißen Wolke wieder aus. »Tja, ich denke, es ist zu spät, sich deswegen Sorgen zu machen.« Sie sah ihn an und berührte seinen Arm. »Ich will dich, Roger.« Sie zog seinen Kopf zu sich herunter und küsste ihn. In der Kraft seines um sie gelegten Armes, in der Wärme seines Körpers an ihrer Seite fand sie Zuflucht vor ihren Ängsten.

»O Gott, Brianna«, murmelte er in ihr Haar. »Ich würde dir so gern sagen, dass ich dich beschützen werde, dass ich dich und Jemmy vor allem bewahren werde, was euch je bedrohen könnte. Es ist ein schrecklicher Gedanke, dass ich es sein könnte, der die Bedrohung darstellt, dass ich dich mit meiner Liebe umbringen könnte – aber es ist wahr.«

Sein Herz klopfte fest und gleichmäßig unter ihrem Ohr. Sie spürte, wie die Wärme in ihre Hände zurückkehrte, die sich fest an die Knochen seines Rückens klammerten, und sie taute weiter auf, bis die eiskalte Angst in ihr sich zu lösen begann.

»Ist schon gut«, sagte sie schließlich, um ihm den Trost zu spenden, den er ihr nicht geben konnte. »Es wird schon nichts passieren. Ich habe die richtigen Hüften dazu, das sagt jeder. Gestatten, Bratarsch.« Sie fuhr reumütig mit der Hand über die Rundung ihrer Hüfte, und er lächelte und folgte ihrer Hand mit der seinen.

»Weißt du, was Ronnie Sinclair gestern Abend zu mir gesagt hat? Er hat dir zugesehen, wie du ein Holzscheit für das Feuer aufgehoben hast, und seufzend gesagt: ›Wisst Ihr, woran man ein brauchbares Mädchen erkennt, MacKenzie? Man schaut ihr zuerst auf den Hintern und dann erst ins Gesicht!‹ Uff!« Er wich lachend zurück, als sie ihn ohrfeigte.

Dann beugte er sich über sie und küsste sie ganz sanft. Der Regen fiel immer noch prasselnd auf das Laub. Ihre Finger waren klebrig vom Blut aus seiner Wunde.

»Du hättest gern ein Baby, nicht wahr?«, fragte sie leise. »Eins, von dem du weißt, dass es deins ist?«

Er hielt den Kopf noch einige Sekunden gesenkt, doch schließlich blickte er zu ihr auf und ließ sie die Antwort in seinem Gesicht lesen; eine große Sehnsucht, vermischt mit ängstlicher Sorge.

»Ich meine aber nicht –«, fing er an, doch sie hielt ihm die Hand vor den Mund, um ihn zum Schweigen zu bringen.

»Ich weiß«, sagte sie. »Ich verstehe.« Und das stimmte – beinahe. Sie war ein Einzelkind, genau wie er; sie kannte die Sehnsucht nach Verbundenheit und Nähe – doch ihr war sie erfüllt worden. Sie hatte nicht nur einen liebenden Vater gehabt, sondern zwei. Eine Mutter, die sie über die Grenzen von Raum und Zeit hinweg geliebt hatte. Die Murrays in Lallybroch, dieses unerwartete Geschenk einer Familie. Und vor allem hatte sie ihren Sohn, ihr Fleisch und Blut, ein kleines, vertrauensvolles Gewicht, durch das sie fest im Universum verankert war.

Doch Roger war Waise; er war so lange allein auf der Welt gewesen. Seine Eltern waren verunglückt, bevor er sie kennen lernen konnte, sein alter Onkel tot – er hatte niemanden, der Anspruch auf ihn erhob, niemanden, der ihn um seines Fleisches und Blutes willen liebte – niemanden außer ihr. Kein Wunder, wenn es ihn nach der Gewissheit hungerte, die sie im Arm hielt, wenn sie ihr Kind stillte.

Er räusperte sich plötzlich.

»Ich – äh – wollte dir das eigentlich heute Abend geben. Aber vielleicht … na ja.« Er griff in die Innentasche seines Rocks und reichte ihr ein weiches, in Stoff gewickeltes Bündel.

»Eine Art Hochzeitsgeschenk, aye?« Er lächelte, doch sie konnte die Unsicherheit in seinen Augen sehen.

Sie öffnete das Tuch, und ein Paar schwarze Knopfaugen funkelte ihr entgegen. Die Puppe trug ein formloses Kittelchen aus grünem Kaliko, und rote Wollhaare standen von ihrem Kopf ab. Das Herz schlug ihr heftig in der Brust, und es schnürte ihr die Kehle zu.

»Ich dachte, der Kleine mag sie vielleicht – zum Nuckeln oder so.«

Sie bewegte sich, und der Druck des durchnässten Stoffs ließ ihre Brüste prickeln. Sie hatte Angst, kein Zweifel; doch es gab Dinge, die stärker waren als Angst.

»Es gibt ein nächstes Mal«, sagte sie und legte ihm die Hand auf den Arm. »Ich kann dir nicht sagen, wann – aber es gibt ein nächstes Mal.«

Er legte seine Hand auf die ihre und drückte fest zu, ohne sie anzusehen.

»Danke, Bratarsch«, sagte er schließlich ganz leise.

Der Regen war kräftiger geworden; inzwischen goss es regelrecht. Roger strich sich das nasse Haar aus den Augen und schüttelte sich wie ein Hund. Dabei versprühte er Tropfen aus der dicht gewebten Wolle von Rock und Plaid. Ein Schmutzstreifen zog sich über die Brust des grauen Rocks; er rieb mit der Hand darüber, doch es nützte nichts.

»Himmel, ich kann doch so nicht heiraten«, sagte er, um die Stimmung zwischen ihnen aufzuheitern. »Ich sehe ja wie ein Bettler aus.«

»Es ist noch nicht zu spät, weißt du«, sagte sie. Sie lächelte, doch ihre Neckerei klang ein wenig zaghaft. »Du könntest immer noch einen Rückzieher machen.«

»Es war schon zu spät für mich, als ich dich das erste Mal gesehen habe«, sagte er grimmig. »Außerdem«, fügte er mit hochgezogener Augenbraue hinzu, »würde dein Vater Hackfleisch aus mir machen, wenn ich sagen würde, ich hätte es mir anders überlegt.«

»Ha«, sagte sie, doch das verborgene Lächeln brach hervor und drückte ihr ein Grübchen in die Wange.

»Du gemeines Biest. Du hast Spaß an dieser Vorstellung!«

»Ja. Ich meine, nein.« Jetzt lachte sie wieder, und genau das wollte er. »Ich will nicht, dass er Hackfleisch aus dir macht. Es ist nur schön zu wissen, dass er es tun würde. Ein Vater sollte seine Kinder beschützen.« Sie lächelte ihn an und berührte ihn sacht mit der Puppe. »So wie du, Mr. MacKenzie.«

Bei diesen Worten wurde ihm eng ums Herz, als sei seine Weste geschrumpft. Dann folgte ein Hauch von Kälte, denn ihm fiel jetzt wieder ein, was er ihr erzählen musste. Jeder Vater hatte schließlich andere Vorstellungen davon, wie er seine Kinder am besten schützte, und er war sich nicht sicher, wie sie seine Worte aufnehmen würde.

Er nahm ihren Arm und zog sie aus dem Regen in den Schutz einer Gruppe von Hemlocktannen. Hier lag unter dem Dach der breit gefächerten Äste eine Schicht trockener, duftender Nadeln zu ihren Füßen.

»Komm und setz dich ein Weilchen zu mir, Mrs. Mac. Es ist nicht wichtig, aber es gibt da eine Kleinigkeit, die ich dir vor der Hochzeit noch erzählen wollte.« Er zog sie zu sich auf den verrottenden, mit rostfarbenen Flechten überzogenen Baumstamm, auf dem er sich niedergelassen hatte. Er räusperte sich und nahm den Faden seiner Geschichte auf.

»Als ich noch in Inverness war, bevor ich dir durch die Steine gefolgt bin, habe ich einige Zeit damit verbracht, die Papiere des Reverends durchzukramen, und bin dabei auf einen Brief gestoßen, den dein Vater geschrieben hat. Frank Randall, meine ich. Er spielt keine große Rolle – jetzt nicht mehr –, aber ich dachte … na ja, ich habe mir gedacht, es sollte vor der Hochzeit keine Geheimnisse zwischen uns geben. Ich habe deinem Vater gestern Abend davon erzählt. Also möchte ich es dir jetzt auch gern sagen.«

Ihre Hand lag warm in der seinen, doch ihre Finger versteiften sich bei seinen Worten, und zwischen ihren Augenbrauen bildete sich eine steile Falte, während sie ihm zuhörte.

»Noch einmal«, sagte sie, als er fertig war. »Sag das noch einmal.«

Gehorsam wiederholte er den Wortlaut des Briefes, den er auswendig gelernt hatte. Wie er ihn am Abend zuvor schon einmal wiedergegeben hatte, vor Jamie Fraser.