»Setzt Euch hin, junger Mann, und ich kümmere mich um diesen Schlamassel.« Mrs. Bug unterbrach seine finsteren Gedankengänge. Sie zupfte ihn am Ärmel und schnalzte missbilligend, während sie die Blätter und Zweige in seinem Haar begutachtete.
»Seht Euch das nur an, da sitzt ja nichts mehr, wie es soll! Eine Prügelei, was? Och, nun ja, ich hoffe, der andere Kerl sieht noch schlimmer aus.«
Bevor er Protest einlegen konnte, hatte sie ihn auf einen Felsbrocken gesetzt, einen Holzkamm aus ihrer Tasche zum Vorschein gebracht, ihm das Haarband herausgezogen und befasste sich nun auf eine Art und Weise mit seinen unordentlichen Locken, deren Zweck es zu sein schien, ihm das Haar strähnenweise auszureißen.
»Drossel, so nennen Sie Euch doch, nicht wahr?« Mrs. Bug hörte auf, ihn an den Haaren zu zerren, und hielt eine schwarzglänzende Strähne hoch, die sie skeptisch anblinzelte, als suchte sie nach Ungeziefer.
»Oh, aye, aber das hat nichts mit der Farbe seiner hübschen, schwarzen Locken zu tun«, warf Duncan ein und grinste über Rogers offensichtliches Unbehagen. »Es ist wegen seiner Singstimme. Hat ein Honigkehlchen wie eine Nachtigall, unser Roger Mac.«
»Singstimme?«, rief Mrs. Bug. Sie ließ die Haarsträhne verzückt fallen. »Dann wart Ihr es, den wir gestern Abend gehört haben? Der ›Ceann-ràra‹ und ›Loch Ruadhainn‹ gesungen und dazu Bodhran gespielt hat?«
»Nun, das kann schon sein«, murmelte Roger bescheiden.
Die ungehemmte Bewunderung der Dame – die sie ihm jetzt ausgiebig ausdrückte – schmeichelte ihm, und er schämte sich für seine vorübergehende Abneigung gegenüber ihrem Mann. Schließlich, so dachte er beim Anblick ihrer mehrfach geflickten Schürze und der Falten in ihrem Gesicht, hatte das alte Paar eindeutig schwere Zeiten hinter sich. Vielleicht hatte Jamie sie ja nicht nur eingestellt, weil er selbst Hilfe brauchte, sondern auch aus Wohltätigkeit.
Jetzt fühlte er sich schon besser, und er dankte Mrs. Bug huldvoll für ihre Hilfe.
»Möchtet Ihr mit an unser Feuer kommen?«, fragte er mit einem fragenden Blick auf Mr. Bug. »Ich nehme an, Ihr kennt Mrs. Fraser noch nicht, oder –«
Er wurde durch ein Geräusch unterbrochen, das wie eine Feuerwehrsirene klang. Es war noch ein Stück weit entfernt, befand sich aber offensichtlich im Anmarsch. Da ihm dieser Krach bestens vertraut war, überraschte es ihn nicht, auf einem der Pfade, die den ganzen Berg überzogen, seinen Schwiegervater aus dem Wald kommen zu sehen. Jemmy kreischte und wand sich wie eine verbrühte Katze auf seinem Arm.
Jamie machte ein etwas enerviertes Gesicht und reichte Roger das Kind. Roger ergriff es, und da ihm keine andere Idee kam, steckte er ihm den Daumen in den weit geöffneten Mund. Der Lärm endete abrupt, und jedermann entspannte sich.
»Was für ein süßes Kerlchen!« Mrs. Bug stellte sich auf die Zehenspitzen, um Jemmy etwas vorzugurren, während sich Jamie mit extrem erleichtertem Gesicht an Mr. Bug und Duncan wandte, um sie zu begrüßen.
»Süß« war nicht gerade das Adjektiv, das Roger persönlich gewählt hätte. Dann schon eher »durchgeknallt«. Das Baby war leuchtend rot im Gesicht, das von Tränenspuren durchzogen war, und es saugte wie wild an Rogers rettendem Daumen, während es die Augen fest geschlossen hielt, um so der durch und durch unbefriedigenden Welt zu entfliehen. Sein Haarflaum stand in verschwitzten Stacheln und Knoten zu Berge, und es hatte seine Wickeltücher gelöst, die unordentlich herabhingen. Außerdem roch es wie ein ungepflegter Abort, und die Gründe dafür waren nur zu offensichtlich.
Als erfahrener Vater leitete Roger sofort Notfallmaßnahmen ein.
»Wo ist Brianna?«
»Das weiß Gott, und Er verrät es nicht«, sagte Jamie knapp. »Ich habe schon den ganzen Berg nach ihr abgesucht, seit der Kleine auf meinem Arm aufgewacht ist und beschlossen hat, dass er mit meiner Gesellschaft nicht zufrieden ist.« Er schnüffelte argwöhnisch an der Hand, mit der er seinen Enkelsohn festgehalten hatte, dann wischte er sie an seinen Rockschößen ab.
»Von meiner ist er anscheinend auch nicht allzu begeistert.« Jemmy kaute auf seinem Daumen herum, wobei ihm der Speichel über das Kinn und dann über Rogers Brust lief, und er quäkte frustriert. »Hast du denn Marsali gesehen?« Er wusste, dass Brianna nicht wollte, dass irgendjemand außer ihr selbst das Baby fütterte, aber dies war eindeutig ein Notfall. Er sah sich in der Hoffnung um, irgendwo in der Nähe eine stillende Mutter zu erspähen, die sich des Kindes, wenn nicht seiner erbarmen würde.
»Gebt mir den armen Kleinen«, sagte Mrs. Bug und griff dabei nach dem Baby, womit sie sich in Rogers Augen spontan aus einem aufdringlichen Klatschweib in einen rettenden Engel verwandelte.
»Aber, aber, a leannan, aber, aber.« Jemmy, der eine höhere Autorität erkannte, wenn er sie sah, verstummte prompt und betrachtete Mrs. Bug mit runden, ehrfürchtigen Augen. Sie setzte sich hin, den Kleinen auf dem Schoß, und begann, sich seiner auf die gleiche bestimmte und effiziente Weise anzunehmen, wie sie es gerade noch mit seinem Vater gemacht hatte. Roger kam der Gedanke, dass Jamie vielleicht den falschen Bug als Faktor eingestellt hatte.
Doch auch Arch legte Intelligenz und Kompetenz an den Tag, als er Jamie jetzt wohl durchdachte Fragen bezüglich seiner Vorräte, seiner Anbauvorlieben, seiner Pächter und so weiter stellte. Aber das könnte ich doch auch, dachte Roger, der die Unterhaltung aufmerksam verfolgte. Einiges davon, verbesserte er sich aufrichtig, als das Gespräch plötzlich in eine Diskussion über Rotte in den Mehlsäcken abschweifte. Vielleicht hatte Jamie ja Recht damit, sich jemanden mit mehr Erfahrung zu suchen … aber Roger konnte doch schließlich lernen …
»Und wer ist unser kleiner Junge, hmm?« Mrs. Bug war aufgestanden und flirtete immer noch mit Jemmy, der sich jetzt in einen anständigen, fest gewickelten Kokon verwandelt hatte. Sie fuhr mit einem ihrer Wurstfinger die Konturen seiner runden Wange nach, um dann Roger anzusehen. »Aye, aye, er hat genau die gleichen Augen wie sein Vater, nicht wahr?«
Roger errötete, und die Mehlsäcke waren vergessen.
»Oh? Ich finde, dass er vor allem nach seiner Mutter kommt.«
Mrs. Bug spitzte die Lippen und sah Roger mit zusammengekniffenen Augen an. Dann schüttelte sie entschlossen den Kopf und tätschelte Jemmys Scheitel.
»Vielleicht nicht die Haare, aber sein Körperbau, aye, das ist der Eure, Junge. Diese schönen, breiten Schultern!« Sie nickte Roger anerkennend zu und küsste Jemmy auf die Stirn. »Und es würde mich auch gar nicht überraschen, wenn seine Augen später grün würden. Glaubt mir, Junge, wenn er erst groß ist, wird er Euch wie aus dem Gesicht geschnitten sein! Nicht wahr, kleiner Mann?« Sie schmuste mit Jemmy. »Du wirst ein großer, starker Junge wie dein Pa, nicht wahr?«
Das sagen die Leute doch nur so dahin, rief er sich ins Gedächtnis und versuchte, die absurde Freude zu unterdrücken, die ihn bei ihren Worten durchrauschte. Die alten Vetteln, sie reden immer davon, dass ein Kind diesem oder jenem ähnlich sieht. Plötzlich stellte er fest, dass er Angst davor hatte, sich auch nur die Möglichkeit einzugestehen, dass Jemmy tatsächlich von ihm sein könnte – er wünschte es sich so sehr. Er redete sich fest ein, dass es keine Rolle spielte, ob er mit dem Jungen blutsverwandt war oder nicht, er würde ihn als seinen Sohn lieben und für ihn sorgen. Natürlich würde er das. Doch er stellte fest, dass es doch eine Rolle spielte – o ja, das tat es.
Doch bevor er noch etwas zu Mrs. Bug sagen konnte, wandte sich Mr. Bug an ihn, um ihn höflich in die Unterhaltung der Männer mit einzubeziehen.
»MacKenzie, ja?«, fragte er. »Seid Ihr dann einer von den MacKenzies aus Torridon oder aus Kilmarnock?«
Roger hatte sich während des gesamten gatherings mit Fragen wie dieser konfrontiert gesehen; sich nach der Herkunft seines Gegenüber zu erkundigen, war der übliche Anfang jeder schottischen Unterhaltung – etwas, das sich in den nächsten zweihundert Jahren kein bisschen ändern würde, dachte er, und seine Vertrautheit mit diesem Prozedere dämpfte seinen Argwohn. Doch bevor er antworten konnte, drückte Jamies Hand seine Schulter.