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Die Freuden des Fleisches waren schließlich nicht das einzige Geschenk der Welt; ein Arzt bekommt auch die zahlreichen Leiden zu sehen, die dieses Fleisch befallen – und doch … während ich hier so kühl in der Spätsommerluft am Fenster stand, die Dielen glatt unter meinen nackten Füßen, die Berührung des Windes auf nackter Haut … brachte ich es nicht über mich, mir zu wünschen, ich wäre ein reiner Geist – noch nicht.

Das Weinen wurde lauter, und dazwischen hörte ich das leise Murmeln einer Erwachsenenstimme, die erfolglos versuchte, es zu lindern. Also war es Roger.

Ich umfasste meine Brüste und genoss ihr weiches, volles Gewicht. Ich konnte mich noch erinnern, wie sie gewesen waren, als ich noch sehr jung war; kleine, feste Rundungen, die so empfindsam waren, dass ich bei jeder Berührung eines Jungen weiche Knie bekam. Oder auch bei der Berührung meiner eigenen Hand. Jetzt waren sie verändert – und doch waren sie auf merkwürdige Weise dieselben geblieben.

Dies war nicht die Entdeckung von etwas Neuem, das ich mir noch nie ausgemalt hatte, sondern vielmehr nur ein neues Bewusstsein, mit dem ich etwas zur Kenntnis nahm, das sich hinter meinem Rücken erhoben hatte wie ein Schatten an der Wand, eine unvermutete Präsenz, die ich nur sah, wenn ich mich umdrehte, um einen Blick darauf zu werfen, die jedoch immer da war.

Oh, ich habe einen Schatten, der geht mit mir ein und aus,

Und was er mir wohl nützen kann, find ich nie ganz heraus.

Auch wenn ich ihm wieder den Rücken zukehrte, verließ mich der Schatten nicht. Er haftete mir unwiderruflich an, ob ich ihn beachtete oder nicht, und lauerte stets substanzlos in meiner Nähe, mit den Fingern nicht zu fassen und doch da, verschwindend klein unter meinen Füßen, wenn das Licht anderer Beschäftigungen auf mich fiel, um dann wieder im Aufglühen eines plötzlichen Bedürfnisses gigantische Proportionen anzunehmen.

Persönlicher Dämon oder Schutzengel? Oder nur der Schatten der Bestie, beständige Erinnerung an die Unausweichlichkeit des Körpers und seiner Bedürfnisse?

Unten mischte sich ein anderes Geräusch unter das Gejammer; Husten, dachte ich, doch es hörte nicht auf und der Rhythmus klang irgendwie verkehrt. Vorsichtig steckte ich den Kopf aus dem Fenster wie eine Schnecke nach einem Gewitter und machte inmitten des rasselnden Gurgelns ein paar Worte aus.

»…excavating for a mine … forty-niner … daughter Clementine

Roger sang.

Ich spürte beißende Tränen in meinen Augen und zog hastig den Kopf ein, um nicht gesehen zu werden. Der Gesang hatte keine Melodie – die Tonhöhe änderte sich kaum mehr als das Summen des Windes auf dem Hals einer leeren Flasche –, und doch war es Musik. Ein hartnäckig, raspelnd dahingekeuchtes Lied, und doch schwoll Jemmys Heulen zu schniefenden Schluchzern ab, als versuchte er, die Worte auszumachen, die sein Vater so qualvoll durch seine vernarbte Kehle zwängte.

»Fed she duck-lings … by the water …« Nach jeder geflüsterten Phrase musste er nach Luft schnappen, ein Geräusch wie zerreißendes Leinen. Ich ballte die Finger zu Fäusten, als könnte ich ihm mit der schieren Kraft meines Willens helfen, die Worte herauszubringen.

»Herring boxes … without topses … sandals were for … Clementine.« Der Wind erhob sich wieder und bewegte die Baumwipfel. Die nächste Zeile ging in ihrem Rauschen unter, und ein oder zwei Minuten lang hörte ich nichts mehr, so sehr ich mich auch anstrengte.

Dann bemerkte ich Jamie, der reglos hinter mir stand.

Er machte kein Geräusch, doch ich spürte ihn sogleich; eine Wärme, eine Verdichtung in der kühlen Luft des Zimmers.

»Geht es dir gut, Sassenach?«, fragte er leise von der Tür her.

»Ja.« Ich flüsterte, um Lizzie und ihren Vater nicht zu wecken, die im hinteren Schlafzimmer schliefen. »Ich musste nur etwas frische Luft schnappen; ich wollte dich nicht wecken.«

Er kam näher, ein hochgewachsener, nackter Geist, der nach Schlaf roch.

»Ich wache immer auf, wenn du aufstehst, Sassenach; ich schlafe nicht gut, wenn du nicht bei mir bist.« Er fasste mir kurz an die Stirn. »Ich dachte, du hättest vielleicht Fieber; das Bett war feucht an der Stelle, wo du gelegen hast. Bist du sicher, dass dir nichts fehlt?«

»Mir war heiß; ich konnte nicht schlafen. Aber, nein, ich habe nichts. Und du?« Ich berührte sein Gesicht; seine Haut war warm vom Schlaf.

Er trat zu mir ans Fenster und spähte in die Sommernacht hinaus. Es war Vollmond, und die Vögel waren unruhig; ganz in der Nähe hörte ich das leise Zirpen eines Teichrohrsängers, und weiter entfernt den Ruf einer jagenden Eule.

»Erinnerst du dich noch an Lawrence Stern?«, fragte Jamie, den offenbar die Geräusche an den Naturforscher erinnerten.

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass man ihn vergessen kann, wenn man ihm einmal begegnet ist«, sagte ich trocken. »Der Beutel mit den getrockneten Spinnen hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Ganz zu schweigen von seinem Geruch.« Stern hatte ein einmaliges Aroma an sich, das sich zu gleichen Teilen aus natürlichem Körpergeruch, einem teuren Duftwasser – für das er eine Vorliebe hatte und das kräftig genug war, um den durchdringenden Düften diverser Konservierungsmittel wie Kampfer und Alkohol die Stirn zu bieten, wenn es sie auch nicht übertönen konnte – und dem schwachen Verwesungsgeruch der von ihm gesammelten Tierexemplare zusammensetzte.

Er gluckste leise.

»Das stimmt. Er stinkt noch schlimmer als du.«

»Ich stinke nicht!«, sagte ich indigniert.

»Mmpfm.« Er nahm meine Hand, hob sie an seine Nase und schnüffelte vorsichtig daran. »Zwiebeln«, sagte er, »und Knoblauch. Etwas Scharfes … Pfeffer. Aye, und Nelke. Eichhornblut und Fleischsaft.« Seine Zunge fuhr hervor wie die einer Schlange und berührte meinen Handrücken. »Stärke – Kartoffeln – und etwas Holziges. Knollenblätterpilze.«

»Das ist unfair«, sagte ich und versuchte, meine Hand zurückzubekommen. »Du weißt ganz genau, was es zum Abendessen gegeben hat. Und es waren keine Knollenblätterpilze, sondern Judasohren.«

»Mm?« Er drehte meine Hand um und roch an meiner Handfläche, dann an meinem Handgelenk und meinem Unterarm. »Essig und Dill; du hast Gurken eingelegt, aye? Gut, die esse ich gern. Mm, oh, und hier ist Sauerrahm an den Härchen an deinem Arm – hast du da beim Buttern oder beim Sahnemachen etwas verspritzt?«

»Rate doch, wenn du das so gut kannst.«

»Butter.«

»Verdammt.« Ich versuchte immer noch, meine Hand wegzuziehen, aber nur, weil seine Bartstoppeln mich am Oberarm kitzelten. Er schnupperte sich weiter an meinem Arm entlang bis in die Mulde meiner Schulter. Ich quietschte auf, als seine Haarsträhnen über meine Haut fielen.

Er hob meinen Arm ein Stück, berührte dort das feuchte, seidige Haar und hielt sich den Finger unter die Nase. »Eau de femme«, murmelte er, und ich hörte das Lachen in seiner Stimme. »Ma petite fleur

»Und dabei habe ich gebadet«, sagte ich reumütig.

»Aye, mit Sonnenblumenseife«, sagte er mit einem leisen Unterton der Überraschung, als er an meinem Schlüsselbein roch. Ich jaulte schrill, aber leise auf, und er legte seine große, warme Hand über meinen Mund. Er roch nach Schießpulver, Heu und Dung, aber das konnte ich nicht sagen, da er mir den Mund zuhielt.

Er richtete sich ein wenig auf und beugte sich zu mir herüber, so dass sein Backenbart über meine Wangen kratzte. Er ließ seine Hand sinken, und ich spürte seine sanften Lippen an meiner Schläfe, die Schmetterlingsberührung seiner Zunge auf meiner Haut.

»Und Salz«, raunte er, sein Atem warm auf meinem Gesicht. »Du hast Salz im Gesicht, und deine Wimpern sind nass. Weinst du, Sassenach?«