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Er sah ein, dass es sinnvoll war, so viele Schotten aus dem Hinterland wie möglich jetzt gleich aufzusuchen, bevor sie sich wieder auf ihre Farmen und Blockhütten verteilten. Und er fand es ermutigend, dass die Männer, an die Fraser bis jetzt herangetreten war, die Einberufung zur Miliz höchstens mit einem säuerlichen Blick und einem resignierten Räuspern akzeptiert hatten.

Hauptmann MacKenzie. Der Titel, den ihm Fraser so beiläufig verliehen hatte, erfüllte ihn mit einem Hauch von verlegenem Stolz. »Instant-Soldat«, murmelte er spöttisch vor sich hin und nahm in seinem durchnässten Rock Haltung an. »Geben Sie nur noch Wasser hinzu.«

Gleichzeitig musste er aber auch zugeben, dass er ein schwaches Kribbeln der Aufregung verspürte. Es mochte ja so sein, dass vorerst nicht viel mehr als Soldatenspiele dabei herauskommen würden – aber der Gedanke daran, in einer Miliz zu marschieren, die Musketen geschultert und Schießpulvergeruch an den Händen …

Keine vier Jahre mehr, dachte er, dann würden die Milizen auf dem Feld bei Lexington stehen. Männer, die auch keine bessere Soldatenausbildung mitbrachten als diese Männer, mit denen er hier im Regen sprach – oder als er selbst. Dieses Bewusstsein jagte ihm einen Schauer über die Haut und ließ sich bedeutungsschwanger in seinem Magen nieder.

Es kam näher. Himmel, es kam wirklich näher.

Mit MacLeod hatte er keine Probleme, doch er brauchte länger als gedacht, um Angus Og zu finden, der ganz in die Arbeit mit seinen Schafen vertieft war und sich über die Störung furchtbar aufregte. »Hauptmann MacKenzie« hatte wenig Wirkung auf den alten Schuft ausgeübt; die mit einem drohenden Unterton ausgesprochene Erwähnung von »Oberst Fraser« schon mehr. Angus Og hatte launisch und konzentriert an seiner breiten Oberlippe gekaut, widerstrebend genickt und sich dann mit einem schroffen »Aye, ich sag’s weiter« wieder seinen Schafen zugewandt.

Das neblige Nieseln hatte aufgehört, und die Wolken begannen aufzureißen, als er den Hang erklettert hatte und Joan Findlays Lager erreichte.

»Die alte Joan« war zu seiner Überraschung eine attraktive Frau Mitte dreißig mit scharfsichtigen, braunen Augen, die sich unter den Falten eines feuchten Schultertuches voll Interesse auf ihn richteten.

»So weit ist es also schon, aye?«, sagte sie als Antwort auf seine kurze Erklärung, warum er hier war. »Ich habe mich schon gewundert, als ich heute Morgen hörte, was der Soldat zu sagen hatte.«

Sie tippte sich nachdenklich mit dem Griff ihres hölzernen Kochlöffels an die Lippe.

»Ich habe eine Tante, die in Hillsborough lebt. Sie hat ein Zimmer im King’s House, gleich gegenüber von Edmund Fannings Haus – oder der Stelle, an der es gestanden hat.« Sie lachte kurz auf, wenn auch ohne wirklichen Humor.

»Sie hat mir geschrieben. Der Pöbel kam die Straße entlanggekocht, hat sie gesagt, und hat Mistgabeln geschwungen wie eine Dämonenschar. Sie haben Fannings Haus vor ihren Augen von den Schwellenbalken abgesägt und es mit Seilen umgerissen. Und jetzt sollen wir also unsere Männer schicken, um für Fanning die Kastanien aus dem Feuer zu holen?«

Roger war auf der Hut; er hatte schon viel von Edmund Fanning gehört, der alles andere als beliebt war.

»Dazu kann ich nichts sagen, Mrs. Findlay«, sagte er. »Aber der Gouverneur –«

Joan Findlay prustete heftig los.

»Der Gouverneur«, sagte sie und spuckte ins Feuer. »Pah. Wohl eher die Freunde des Gouverneurs. Aber so ist es nun einmal – die Armen müssen für das Gold der Reichen bluten, und das bleibt immer so, was?«

Sie wandte sich zwei kleinen Mädchen zu, die hinter ihr aufgetaucht waren, still wie kleine, in Tücher gehüllte Geister.

»Annie, hol deine Brüder. Joanie, du rührst den Topf um. Gib Acht, dass du fest über den Boden kratzt, damit es nicht anbrennt.« Sie reichte dem kleinsten Mädchen den Löffel, dann wandte sie sich ab und winkte Roger, ihr zu folgen.

Es war ein ärmliches Lager, nicht mehr als eine Wolldecke, die zwischen zwei Büschen aufgespannt war und eine Art Unterschlupf bildete. Joan Findlay kauerte sich vor den höhlenartigen Raum, und Roger, der ihr gefolgt war, bückte sich, um ihr über die Schulter zu blicken.

»A brathair, hier ist Hauptmann MacKenzie«, sagte sie und streckte eine Hand nach dem Mann aus, der im Schutz der Decke auf einer Matratze aus trockenem Gras lag. Roger bekam einen Schrecken, als er den Mann sah, unterdrückte ihn aber.

Einen Spastiker hätte man ihn in Rogers eigener Zeit in Schottland genannt; wie nannte man einen solchen Zustand jetzt? Vielleicht gab es keine spezielle Bezeichnung dafür; Fraser hatte nur gesagt, er könne nicht sprechen.

Nein, und richtig bewegen konnte er sich auch nicht. Seine Gliedmaßen waren knochig und ausgemergelt, sein Körper in unmöglichen Winkeln verdreht. Man hatte eine zerlumpte Bettdecke über ihn gelegt, doch durch seine ruckartigen Bewegungen war sie verrutscht, so dass der Stoff zusammengeballt zwischen seinen Beinen klemmte und sein Oberkörper entblößt war. Sein abgetragenes Hemd war zerknittert und durch seine angestrengten Bewegungen halb ausgezogen, so dass die bleiche Haut seiner Schultern und Rippen kalt und bläulich im Schatten glänzte.

Joan Findlay legte dem Mann ihre Hand auf die Wange und drehte seinen Kopf, so dass er Roger ansehen konnte.

»Das ist mein Bruder Iain, Mr. MacKenzie«, sagte sie mit fester Stimme, die ihn warnte, jetzt ja nicht falsch zu reagieren.

Auch Iain Mhors Gesicht war verzerrt, der speicheltriefende Mund verzogen, doch aus dieser Verwüstung blickten Roger ein Paar bildschöne – und intelligente – haselnussbraune Augen entgegen. Er brachte seine eigenen Gefühle und Gesichtszüge fest unter Kontrolle und nahm die Klauenhand des Mannes in die seine. Sie fühlte sich schrecklich an, die Knochen scharf und zerbrechlich unter seiner Haut, die so kalt war, dass sie die Haut einer Leiche hätte sein können.

»Iain Mhor«, sagte er leise. »Ich habe schon von Euch gehört. Jamie Fraser lässt Euch grüßen.«

Die Augenlider senkten sich grazil als Antwort und hoben sich dann wieder. Der Mann betrachtete Roger mit ruhigem, klarem Blick.

»Der Hauptmann ist hier, um Männer für die Miliz anzuwerben«, sagte Joan hinter Rogers Rücken. »Der Gouverneur hat die Order geschickt, aye? Anscheinend hat er genug von Aufruhr und Unruhe, so sagt er zumindest; er will jetzt mit Gewalt durchgreifen.« Ihre Stimme hatte einen kräftigen, ironischen Unterton.

Iain Mhors Blick wanderte zum Gesicht seiner Schwester. Sein Mund bewegte sich, rang um Kontrolle, und seine schmale Brust bäumte sich vor Anstrengung auf. Ein paar gekrächzte Silben kamen mit reichlich Speichel heraus, dann fiel er schwer atmend zurück, den Blick gebannt auf Roger gerichtet.

»Er fragt, ob dafür Handgeld gezahlt wird, Hauptmann«, übersetzte Joan.

Roger zögerte. Jamie hatte diese Frage angesprochen, jedoch keine eindeutige Antwort erhalten. Doch er konnte spüren, dass die Frau in seinem Rücken und der Mann, der vor ihm lag, ihre Erwartung nur mühsam unterdrückten. Die Findlays waren bettelarm; das war jedem klar, der sich die nackten Füße und die zerlumpten Kleider der kleinen Mädchen ansah, die abgetragenen Kleider und Bettdecken, die Iain Mhor kaum Schutz vor der Kälte boten. Doch seine Ehrlichkeit zwang ihn zu antworten.

»Ich weiß es nicht. Es gibt noch keine offizielle Auskunft darüber – aber es könnte sein.« Ob Handgeld gezahlt werden würde, hing davon ab, wie groß die Reaktion auf den Aufruf des Gouverneurs war; wenn seine Order allein nur eine unzureichende Truppe zustande brachte, war es gut möglich, dass der Gouverneur sich entschloss, den Milizionären weiteren Anreiz zur Befolgung des Aufrufs zu liefern.