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Brianna fuhr sich mit der Hand unter der Nase entlang, und Roger räusperte sich mit einem Geräusch, als zerrisse jemand ein Stück Stoff.

»Was ich gern wüsste«, sagte er schroff und wies auf das Tagebuch, »ist, warum zum Teufel er es auf Latein geschrieben hat.«

»Oh. Das sagt er. Er hat Latein in der Schule gelernt – vielleicht hat ihn das ja so gegen die Europäer aufgebracht –« Jamie grinste Ian an, der eine Grimasse schnitt. »Er dachte, wenn er Latein schriebe, würden die Leute, die es möglicherweise zu sehen bekamen, es vielleicht für das Gebetbuch eines Priesters halten und es nicht weiter beachten.«

»Das haben sie auch gedacht – die Kahnyen’kehaka«, warf Ian ein. »Aber Tewaktenyonh hat das Buch behalten. Und als ich – gegangen bin, hat sie es mir gegeben und gesagt, ich müsste es mitnehmen und es dir bringen, Tante Claire.«

»Mir?« Ich spürte, wie mich etwas zögern ließ, das Buch anzufassen, streckte aber dennoch eine Hand aus und berührte die aufgeschlagene Seite. Wie ich sah, war dem Kugelschreiber gegen Ende allmählich die Farbe ausgegangen – die Buchstaben hatten Lücken und stotterten, und manche Worte waren nur Vertiefungen im Papier. Hatte er den leeren Stift weggeworfen, fragte ich mich, oder ihn behalten, eine nutzlose Erinnerung an seine verlorene Zukunft?

»Meinst du, sie wusste, was in dem Buch gestanden hat?«, fragte ich. Ians Gesicht war ungerührt, doch in seinen sanften Haselaugen erschien eine Spur von Beunruhigung. Als er noch Schotte gewesen war, hatte er mit seinen Gefühlen nie hinterm Berg gehalten.

»Ich weiß es nicht«, sagte er. »Sie hat etwas gewusst, aber ich kann nicht sagen, was. Sie hat es mir nicht verraten – nur, dass ich das Buch zu dir bringen muss.« Er zögerte und ließ den Blick von mir zu Roger und Brianna schweifen, dann zurück. »Ist es wahr?«, fragte er. »Was du gesagt hast, Brianna – was aus den Indianern werden wird?«

Sie blickte auf, sah ihm direkt in die Augen und nickte.

»Ich fürchte, ja«, sagte sie leise. »Es tut mir leid, Ian.«

Er nickte nur und rieb sich mit dem Fingerknöchel über den Nasenrücken, doch ich war voller Fragen.

Er hatte seine Familie nicht verleugnet, das wusste ich, doch auch die Kahnyen’kehaka waren seine Familie. Ganz gleich, was für ein Ereignis ihn bewogen hatte zu gehen.

Ich war gerade im Begriff, den Mund zu öffnen und ihn nach seiner Familie zu fragen, als ich Jemmy hörte. Er hatte sich mit seiner Beute wieder unter den Tisch zurückgezogen und hatte sich mehrere Minuten lang freundschaftlich – wenn auch unverständlich – mit ihr unterhalten. Doch sein Tonfall war plötzlich in Erschrecken umgeschlagen.

»Heiß«, sagte er. »Mami, HEISS!«

Brianna war bereits im Begriff, mit besorgtem Gesicht aufzustehen, als ich das Geräusch hörte. Es war ein schrilles Summen wie der Klang eines Glases, um dessen feuchten Rand man mit dem Finger fährt. Roger richtete sich auf und machte ein erschrockenes Gesicht.

Brianna bückte sich und riss Jemmy unter dem Tisch hervor, und sie stellte sich gerade mit ihm hin, als ein plötzliches Peng! wie von einem Schuss erklang und das Summgeräusch abrupt verstummte.

»Ach du Heiliger«, sagte Jamie angesichts der Umstände ausgesprochen gemäßigt.

Splitter aus glimmendem Feuer ragten aus dem Regal, den Büchern, den Wänden und Briannas dicken Rockfalten hervor. Einer war an Rogers Kopf vorbeigesaust und hatte sein Ohr angeritzt; eine dünne Blutspur lief ihm über den Hals, doch sie schien ihm noch nicht aufgefallen zu sein.

Ein Muster aus glänzenden Stecknadelköpfen glitzerte auf dem Tisch auf – ein ganzer Schauer der spitzen Nadeln war durch das dicke Holz getrieben worden. Ich hörte einen verdutzten Ausruf Ians und bückte mich, um ihm einen winzigen Splitter aus der Haut seiner Wade zu ziehen. Jemmy fing an zu weinen. Draußen bellte Rollo, der Hund, wie außer sich.

Der Opal war explodiert.

Es war immer noch helllichter Tag; die Kerzenflamme war fast unsichtbar, nicht mehr als ein Wabern heißer Luft im Licht des Spätnachmittags, das durch das Fenster fiel. Jamie blies den Docht aus, den er benutzt hatte, um sie anzuzünden, und setzte sich an seinen Schreibtisch.

»Dir ist nichts Merkwürdiges an dem Stein aufgefallen, als du ihn dem Jungen gegeben hast, Sassenach?«

»Nein.« Ich war immer noch erschüttert von der Explosion, und das Echo ihres gespenstischen Klangs hallte noch in meinem inneren Ohr wider. »Er hat sich warm angefühlt – aber hier im Zimmer ist alles warm. Und er hat mit Sicherheit dieses Geräusch noch nicht gemacht.«

»Geräusch?« Er sah mich merkwürdig an. »Du meinst den Knall?«

Jetzt war es an mir, ihn schräg anzusehen.

»Nein – vorher. Hast du es nicht gehört?« Er schüttelte den Kopf, eine kleine Falte zwischen den Augenbrauen, und ich sah mich um und blickte die anderen an. Brianna und Roger nickten – sie sahen beide bleich und mitgenommen aus –, doch Ian schüttelte den Kopf. Seine Miene war interessiert, aber verwirrt.

»Ich habe nichts gehört«, sagte er. »Wie hat es sich denn angehört?«

Brianna öffnete den Mund, um zu antworten, doch Jamie gebot ihr mit erhobener Hand Einhalt.

»Eine Sekunde, a nighean. Jemmy, a ruaidh – hast du vor dem Knall ein Geräusch gehört?«

Jemmy hatte sich von seinem Schrecken erholt, kauerte aber mit dem Daumen im Mund auf dem Schoß seiner Mutter. Er sah seinen Großvater mit seinen großen, blauen Augen an, die bereits eine definitive Schrägstellung aufzuweisen begannen, und nickte langsam, ohne den Daumen herauszuziehen.

»Und der Stein, den Oma dir gegeben hat – war er heiß?«

Jemmy warf mir ein anklagendes Funkeln zu und nickte erneut. Ich verspürte ein leises Schuldgefühl – das sich deutlich verschärfte, als ich daran dachte, was hätte geschehen können, wenn Brianna ihn nicht sofort hochgerissen hätte.

Wir hatten den Großteil der Splitter aus dem Holz gezogen; sie lagen auf dem Schreibtisch, ein kleiner Haufen spröder Flammen. Eine davon hatte mir ein Hautstückchen vom Fingerknöchel gerissen, ich steckte ihn in den Mund und schmeckte silbernes Blut.

»Mein Gott, diese Dinger sind ja so scharf wie Glassplitter.«

»Es sind Glassplitter.« Brianna klammerte Jemmy etwas fester an sich.

»Glas? Du meinst, es war gar kein echter Opal?« Roger zog die Augenbrauen hoch und beugte sich vor, um einen der nadelähnlichen Splitter in die Hand zu nehmen.

»Doch, natürlich – aber Opale sind aus Glas. Ganz hartem, vulkanischem Glas. Edelsteine sind Edelsteine, weil sie eine kristalline Struktur haben, durch die sie hübsch aussehen; im Vergleich zu den meisten anderen haben Opale allerdings eine ziemlich spröde Struktur.« Allmählich nahm Briannas Gesicht wieder Farbe an, obwohl sie die Arme weiterhin fest um ihren Sohn geschlungen hielt.

»Ich wusste ja, dass man einen Opal zum Beispiel zerstören kann, indem man mit dem Hammer darauf schlägt, aber ich habe noch nie gehört, dass ein Opal sich so verhält.« Sie wies mit einer Kopfbewegung auf das Häufchen glitzernder Fragmente.

Jamie zog mit dem Finger einen großen Splitter aus dem Haufen und hielt ihn mir hin.

»Nimm ihn in die Hand, Sassenach. Fühlt er sich für dich warm an?«

Ich nahm das gezackte Steinstück vorsichtig entgegen. Es war dünn, beinahe gewichtslos und durchscheinend, und es glitzerte in lebhaften Blau- und Orangetönen.

»Ja«, sagte ich und kippte meine Handfläche vorsichtig hin und her. »Nicht besonders heiß – ungefähr Hauttemperatur.«

»Bei mir hat er sich kühl angefühlt«, sagte Jamie. »Gib ihn Ian.«

Ich reichte das Opalstück an Ian weiter, der es auf seine Handfläche legte und es vorsichtig mit der Fingerspitze streichelte, als wäre es ein kleines Tier, das ihn womöglich beißen würde, wenn er es verärgerte.

»Es fühlt sich kühl an«, berichtete er. »Wie ein Stück Glas, genau wie Brianna sagt.«