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Roger blieb neben ihr stehen und blickte nach oben. Helle Funken stoben aus dem Schornstein, ein Feuerwerksschauer, dessen Glühen sein Gesicht erhellte.

»Du hast mich gerufen«, sagte er schließlich, das Gesicht in die flammende Dunkelheit erhoben. »Beim gathering, am Feuer.«

»Seas vi mo lâmh, Roger an t’oranaiche, mac Jeremiah mac Choinnich«, sagte Jamie leise. »Aye, das habe ich.« Steh mir zur Seite, Roger, der Sänger, Sohn des Jeremiah.

»Seas vi mo lâmh, a mhic mo thaighe«, sagte Roger. »Steh mir zur Seite – Sohn meines Hauses. Hast du das ernst gemeint?«

»Das weißt du ganz genau.«

»Dann meine ich es auch ernst.« Er streckte die Hand aus und legte sie Jamie auf die Schulter, und ich sah, wie seine Knöchel weiß wurden, als er zudrückte.

»Ich werde dir zur Seite stehen. Wir werden bleiben.«

Neben mir atmete Brianna die Luft aus, die sie angehalten hatte, und es klang wie ein Seufzer des Dämmerwindes.

Kapitel 111

Und dieser Zukunft dennoch entgegengehen

Die große Stundenkerze war ein Stückchen heruntergebrannt, doch es waren immer noch viele der schwarzen Ringe übrig, die die Stunden markierten. Jamie ließ die Steine wieder in den See aus geschmolzenem Wachs fallen, der die Flamme umgab: eins, zwei, drei – und blies sie aus. Der vierte Stein, der große Topas, lag in einer kleinen Holzkiste, die ich in Öltuch eingenäht hatte. Sein Bestimmungsort war Edinburgh, wo der Ehemann von Mrs. Bugs Cousine seine Verbindungen zur Bankenwelt benutzen würde, um für den Verkauf des Steins zu sorgen und den Erlös – nach Abzug einer angemessenen Provision für seine Hilfe – an Ned Gowan zu übersenden.

Der beiliegende Brief, der zusammen mit dem Stein versiegelt in der Kiste lag, beauftragte Ned herauszufinden, ob eine gewisse Laoghaire MacKenzie mit einem Mann in einem Verhältnis lebte, das der Ehe gleichkam – in welchem Fall er weiterhin beauftragt war, den Kontrakt zwischen besagter Laoghaire MacKenzie und einem gewissen James Fraser für erfüllt zu erklären, woraufhin der Erlös aus dem Verkauf des Steins bei einer Bank hinterlegt werden sollte, um einer gewissen Joan MacKenzie Fraser, der Tochter der erwähnten Laoghaire, im Fall ihrer Heirat als Mitgift zu dienen.

»Bist du sicher, dass du Ned nicht ausdrücklich bitten willst, dir zu sagen, wer der Mann ist?«, fragte ich.

Er schüttelte entschlossen den Kopf.

»Wenn er es von selbst sagt, ist es gut. Und wenn nicht, dann ist es auch gut.« Er sah mit einem leicht ironischen Blick zu mir auf. Unbefriedigte Neugier sollte offensichtlich seine Buße sein.

Am Ende des Flurs konnte ich hören, wie Brianna sich mit Mrs. Bug unterhielt und gleichzeitig Jemmy ermahnte. Dann wurde sie von Rogers Stimme unterbrochen, und Jemmy quietschte begeistert auf, als Roger ihn in die Höhe schwang.

»Meinst du, er hat eine gute Entscheidung getroffen?«, fragte ich leise. Ich war sehr froh über Rogers Entscheidung – und ich wusste, dass es Jamie ebenso ging. Doch trotz der besonderen Sichtweise der kommenden Ereignisse, die Brianna, Roger und mir zu eigen war, wusste ich, dass Jamie eine sehr viel bessere Vorstellung von dem hatte, was auf uns zukam. Und wenn die Steinpassage auch ihre Gefahren hatte, so hatte der Krieg die seinen.

Er hielt inne und überlegte, dann griff er an mir vorbei nach einem kleinen Band am Ende des Regals. Er war billig in Tuch gebunden und oft benutzt, eine Thukydides-Ausgabe, die er in der kühnen Hoffnung erworben hatte, dass Germain und Jemmy irgendwann so viel Griechisch lernen würden, dass sie sie lesen konnten.

Er schlug das Buch behutsam auf, um zu verhindern, dass die Seiten herausfielen. Für mich hatte die griechische Schrift das Aussehen der Windungen eines tintengetränkten Wurms, doch er fand die Stelle, die er suchte, ohne Schwierigkeiten.

»Die Tapfersten sind mit Sicherheit jene, die die klarste Vorstellung von dem haben, was vor ihnen liegt, sei es Ruhm, oder sei es Gefahr, und dieser Zukunft dennoch entgegengehen

Die Worte standen vor ihm auf der Seite, und doch hatte ich nicht das Gefühl, dass er sie vom Papier ablas, sondern von den Seiten seiner Erinnerung, aus dem offenen Buch seines Herzens.

Die Tür schlug zu, und jetzt hörte ich Roger draußen rufen; die heisere Stimme warnend erhoben, rief er Jemmy etwas zu, und dann lachte er tief und halb erstickt, als Brianna etwas zu ihm sagte, ein hellerer Klang, der zu weit entfernt war, um die Worte zu verstehen.

Dann entfernten sie sich, und bis auf das Rauschen des Windes in den Bäumen war alles still.

»Die Tapfersten sind die, die die klarste Vorstellung haben. Nun, du musst es ja wissen, nicht wahr?«, sagte ich leise. Ich legte ihm die Hand auf die Schulter, dort wo sie auf seinen Hals traf. Ich zeichnete die kraftvollen Stränge seines Halses mit dem Daumen nach und betrachtete die Wurmwindungen auf der Buchseite. Er musste es wissen, genau wie ich, denn er hatte sein Wissen von mir.

Er ließ das Buch nicht los, neigte aber den Kopf zur Seite, so dass seine Wange meine Hand streifte und sein dichtes Haar sanft und warm mein Handgelenk berührte.

»Ah, nein«, sagte er. »Es ist schließlich nur dann tapfer, wenn man eine andere Wahl hat, oder?«

Ich lachte, schluchzte und wischte mir mit dem Handgelenk über die Augen.

»Und du meinst, du hast keine Wahl?«

Er hielt ein paar Sekunden inne, dann schloss er das Buch, ohne es jedoch loszulassen.

»Nein«, sagte er schließlich mit einem merkwürdigen Unterton. »Diesmal nicht.«

Er drehte sich auf seinem Stuhl um und blickte aus dem Fenster. Das Einzige, was zu sehen war, war die große Rotfichte am Rand der Lichtung und der tiefe Schatten des Eichenhains, der dahinter lag, durchzogen von den wilden Brombeerranken, die aus dem Garten entwischt waren. Die geschwärzte Stelle, an der das flammende Kreuz gestanden hatte, war jetzt überwachsen und dicht mit wilder Gerste bedeckt.

Die Luft regte sich, und ich erkannte, dass es doch nicht still war. Wir waren umgeben von den Klängen des Berges, von Vogelrufen und fernem Wasserrauschen – und es erschollen menschliche Stimmen, die sich auf ihren alltäglichen Runden murmelnd erhoben, hier ein Wort im Schweinestall, dort ein Ruf vom Abort. Und unter und über allem das Geräusch der Kinder, fernes Schreien und Kichern, das von der rastlosen Luft herbeigetragen wurde.

»Da hast du wohl Recht«, sagte ich kurz darauf. Und so war es auch; diesmal blieb ihm keine Wahl, und dieses Wissen erfüllte mich mit einer Art Frieden. Was kam, würde kommen. Wir würden es meistern, so gut wir konnten, und hoffen, dass wir überlebten; das war alles. Wenn wir nicht überlebten – würden sie es vielleicht tun. Ich raffte sein Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen und verschlang meine Finger darin. Sie klammerten sich an ihm fest wie an einem Ankertau.

»Aber was ist mit all den anderen Entscheidungen?«, fragte ich ihn und blickte gemeinsam mit ihm über den leeren Hof hinaus in den Schatten des Waldes. »Die du getroffen hast und die dich hierhergeführt haben? Sie waren dein Ernst – und verdammt tapfer, wenn du mich fragst.«

Unter der Spitze meines Zeigefingers konnte ich die feine Linie seiner uralten Narbe spüren, die tief in den roten Haarwellen verborgen war. Er gab dem Zug meiner Hand nach und fuhr herum, um zu mir aufzusehen, so dass meine Hand jetzt sein Kinn umfasste.

»Oh. Nun ja«, sagte er mit dem Hauch eines Lächelns. Seine Hand berührte die meine und verschlang meine Finger mit den seinen. »Das weißt du doch genau, oder, Sassenach?«

Ich setzte mich dicht neben ihn, meine Hand auf seinem Bein, seine Hand auf der meinen. So saßen wir eine Weile da, Seite an Seite, und sahen den Regenwolken zu, die über den Fluss gerollt kamen wie Boten eines fernen Krieges. Und ob es nun freie Wahl war oder nicht, dachte ich, am Ende lief es möglicherweise doch auf dasselbe hinaus.