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»Oh, natürlich«, sagte ich, so kühl ich konnte. »Du möchtest natürlich wissen, wo er ist, damit du ihm dann möglichst aus dem Weg gehen kannst, nicht wahr?«

Etwas, das ein Lächeln hätte sein können, huschte über sein Gesicht.

»Oh, aye«, sagte er. »Natürlich.« Angesichts der geringen Bevölkerungsdichte von North Carolina im Allgemeinen und der abgeschiedenen Lage von Fraser’s Ridge im Besonderen waren unsere Chancen, zufällig über Stephen Bonnet zu stolpern, ungefähr so groß wie die, beim Verlassen der Haustür auf eine Qualle zu treten – und das wusste Jamie ganz genau.

Ich musterte ihn prüfend. Sein Mundwinkel verzog sich für den Bruchteil einer Sekunde, dann entspannte er sich, und sein Blick wurde wieder ernst. Es gab nur einen Grund , warum er Stephen Bonnet ausfindig machen wollte – und den kannte ich ganz genau.

»Jamie«, sagte ich und legte ihm die Hand wieder auf den Arm. »Lass ihn in Ruhe. Bitte.«

Er legte seine Hand über die meine und drückte zu, doch ich empfand die Geste nicht als beruhigend.

»Mach dir keine Sorgen, Sassenach. Ich habe mich während des ganzen gathering nach ihm erkundigt, die ganze Woche lang, bei Männern aus Orten von Halifax bis Charleston. Der Mann ist in der ganzen Kolonie nicht aufgetaucht.«

»Gut so«, sagte ich. Es war gut so, aber mir entging nicht, dass er Bonnet mit Feuereifer nachgespürt hatte – und mir nichts davon gesagt hatte. Genauso wenig entging mir, dass er mir nicht versprochen hatte, seine Suche zu beenden.

»Lass ihn in Ruhe«, wiederholte ich leise und sah ihm direkt in die Augen. »Es kommen schon genug Schwierigkeiten auf uns zu; wir brauchen nicht noch mehr.« Er war dicht an mich herangetreten, um etwaigen Unterbrechungen besser vorbeugen zu können, und ich konnte seine Stärke an jeder Stelle spüren, wo er mich berührte, wo sein Arm unter meiner Hand lag, sein Oberschenkel den meinen streifte. Ein kraftvoller Körper und ein feuriger Verstand, und das alles ummantelte einen Kern aus stahlharter Entschlusskraft, der ihn zu einem tödlichen Projektil machte, wenn er sich einmal etwas vorgenommen hatte.

»Du sagst, es ist sehr wohl deine Sache.« Seine Augen waren reglos, ihr Blau vom Winterlicht gebleicht. »Ich weiß, dass es meine Sache ist. Dann bist du also auf meiner Seite?«

Das Eis keimte in meinem Blut auf, Nadeln aus kalter Panik. Der verdammte Mistkerl! Er meinte es ernst. Es gab einen Grund, Stephen Bonnet aufzuspüren, und zwar nur den einen Grund.

Ich machte auf dem Absatz kehrt und zog ihn hinterher, so dass wir dicht aneinander gepresst dastanden, die Arme verschlungen, den Blick auf das Feuer gerichtet. Brianna, Fergus, Marsali und die Bugs lauschten gebannt auf Roger, der mit vor Kälte und Lachen leuchtendem Gesicht irgendetwas rezitierte. Jemmys Gesicht war uns über die Schulter seiner Mutter hinweg zugewandt, die runden Augen voller Neugier.

»Sie sind deine Sache«, sagte ich mit leiser, vor Intensität zitternder Stimme. »Und meine. Hat Stephen Bonnet ihnen und uns denn noch nicht genug angetan?«

»Aye, mehr als genug.«

Er zog mich dichter an sich; ich konnte seine Körperhitze durch seine Kleider spüren, doch seine Stimme war so kalt wie der Regen. Fergus’ Blick fiel auf uns; er lächelte mich warm an und fuhr dann mit seiner Geschichte fort. Für ihn hatten wir zweifellos das Aussehen eines Paars, das einen kurzen Moment der Zuneigung teilte, die Köpfe einander in Liebe zugeneigt.

»Ich habe ihn laufen lassen«, sagte Jamie leise. »Und es hat nur böse Folgen gehabt. Kann ich ihn frei herumlaufen lassen, obwohl ich weiß, was für ein Mensch er ist und dass ich ihn entfesselt habe, damit er Verderben über andere bringt? Es ist, als ließe man einen tollwütigen Hund laufen – und du würdest doch wohl nicht wollen, dass ich das tue.«

Seine Hand war hart, seine Finger lagen kalt auf den meinen.

»Du hast ihn einmal gehen lassen; die Krone hat ihn wieder eingefangen – wenn er jetzt frei ist, ist es doch nicht deine Schuld!«

»Vielleicht ist es nicht meine Schuld, dass er frei ist«, räumte er ein, »aber es ist doch wohl meine Pflicht, dafür zu sorgen, dass er es nicht bleibt – wenn ich kann.«

»Deine Pflicht liegt bei deiner Familie!«

Er nahm mein Kinn in seine Hand, neigte den Kopf und sah mich durchdringend an.

»Du glaubst, ich würde sie gefährden? Jemals?«

Ich stand einige Sekunden stocksteif da und leistete ihm Widerstand, dann ließ ich kapitulierend meine Schultern und meine Augenlider sinken. Bebend atmete ich tief ein. Ich würde nicht ganz aufgeben.

»Auch die Jagd ist nicht gefahrlos, Jamie«, sagte ich leise. »Das weißt du.«

Sein Griff entspannte sich, doch seine Hand hielt immer noch mein Gesicht umfasst, seine Finger warm auf meinem kalten Wangenknochen. Sein Daumen fuhr die Umrisse meiner Lippen nach.

»Ich weiß«, flüsterte er. Der Nebel seines Atems berührte meine Wange. »Aber ich bin schon sehr, sehr lange Jäger, Claire. Ich werde sie nicht in Gefahr bringen – das schwöre ich.«

»Sondern nur dich selbst? Was glaubst du denn, was aus uns wird, wenn du –«

Mein Blick fiel aus dem Augenwinkel auf Brianna. Sie hatte sich halb umgedreht, als sie uns sah, und strahlte jetzt freudig über das, was sie für eine Szene elterlicher Zuneigung hielt. Jamie sah sie ebenfalls; ich hörte sein leises Prusten der ironischen Belustigung.

»Mir wird nichts zustoßen«, sagte er entschieden und nahm mich dann fest in den Arm, um jede weitere Widerrede mit einem ausgiebigen Kuss zu ersticken. Aus der Richtung des Feuers ertönte schwacher Applaus.

»Encore!«, rief Fergus.

»Nein«, sagte ich zu ihm, als er mich losließ. Ich flüsterte, doch das minderte meine Heftigkeit nicht. »Nicht encore. Ich will den Namen Stephen Bonnet nie wieder hören!«

»Es wird alles gut«, erwiderte er flüsternd und drückte mir die Hand. »Vertrau mir, Sassenach.«

Kapitel 11

Stolz

Roger blickte nicht zurück, doch der Gedanke an die Findlays begleitete ihn auf seinem Weg, der ihn bergab zwischen kleinen Sträuchern und zertretenen Grasbüscheln hindurchführte.

Die beiden Jungen waren blond und hellhäutig, klein – wenn auch größer als ihre Mutter –, aber breitschultrig. Angesichts der Alterslücke zwischen den älteren Jungen und ihren kleineren Geschwistern schloss Roger, dass Mrs. Findlay wahrscheinlich zweimal geheiratet hatte. Und allem Anschein nach jetzt wieder verwitwet war.

Vielleicht sollte er Brianna von Joan Findlay erzählen, dachte er, ein weiterer Beweis, dass Ehe und Geburt nicht unbedingt tödlich für eine Frau enden mussten. Vielleicht war es aber auch besser, dieses Thema eine Zeit lang nicht mehr anzusprechen.

Doch ganz abgesehen von dem Gedanken an Joan und ihre Kinder verfolgten ihn die sanften, leuchtenden Augen Iain Mhors. Wie alt mochte er sein?, fragte sich Roger und klammerte sich an einen biegsamen Kiefernzweig, um nicht auf dem losen Kies auszurutschen, der an dieser Stelle auf dem Weg lag. Es war ihm absolut nicht anzusehen; sein bleiches, verzerrtes Gesicht war faltig und verhärmt – doch vor Schmerzen und Strapazen, nicht vom Alter. Er war nicht größer als ein etwa zwölfjähriger Junge, aber Iain Mhor musste älter sein als sein Namensvetter – und Iain Og war mindestens sechzehn.

Wahrscheinlich war er jünger als Joan; vielleicht aber auch nicht. Sie hatte ihn respektvoll behandelt und Roger zu ihm geführt, so wie jede Frau einen Besucher selbstverständlich zum Oberhaupt der Familie brachte. Also nicht sehr viel jünger – vielleicht dreißig oder etwas älter?

Himmel, dachte er, wie überlebte ein solcher Mann nur so lange in einer Zeit wie dieser? Doch als er sich verlegen von Iain Mhor verabschiedet hatte, war eins der kleinen Mädchen von der Rückseite her in den groben Unterschlupf gekrochen. Dabei hatte sie ein Schüsselchen Milchpudding vor sich hergeschoben und sich dann ganz selbstverständlich mit dem Löffel in der Hand an den Kopf ihres Onkels gesetzt. Iain Mhor hatte genug Gliedmaßen und Finger – er hatte eine Familie.